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Der verwundete und erschöpfte Phaetonenälteste löschte seine Flügel und sank zu Boden. Er taumelte kurz und wäre wohl zusammengebrochen, doch Tolpan rannte hin und stützte Hoto mit der Schulter. Gemeinsam stolperten sie durch den verrauchten Gang weiter. Tolpan schaute nach unten, als sie über die verkohlten Überbleibsel des Kriegers stiegen, und sah zu seinem Entsetzen, daß immer noch zwei winzige Lichtpünktchen in den Augenhöhlen glühten. Er trat den Schädel weg, der in Stücke brach, als er über den Boden kullerte.

Ein Stück hinter Kelus Körper war eine Tür. Tolpan half Hoto, sich an der Wand anzulehnen, und untersuchte dann eilends die Tür auf Anzeichen einer Falle hin. Während er beschäftigt war, holte Flint seine Axt und schloß dann zu Tanis, Nanda und dem Kender auf. Tolpan stieß die Tür auf und starrte staunend in den dahinterliegenden Raum.

In der Mitte standen drei schwere Tische. Die Wände waren voller Regale. Bechergläser, Flaschen, Karaffen, Schalen, Bücher, Schriftrollen, und eine Unmenge von Sachen, die Tolpan nicht einmal benennen konnte, bedeckten Tische und Regale. Eine zweite Tür an der linken Wand war geschlossen.

Ohne Umschweife betrat er den Raum und begann sofort alle Sachen zu befingern, in zugedeckte Schalen zu schauen, Lösungen umzurühren, Fläschchen zu schütteln und überhaupt alles und jedes zu untersuchen.

Tanis lief hinterher und packte den neugierigen Kender am Kragen. »Willst du uns alle umbringen? Faß das Zeug nicht an. Es könnte gefährlich sein.« Als er sah, daß alle im Raum waren, fügte er hinzu: »Hilf mir, die Tür zu verrammeln. Die Golems kommen immer noch hinter uns her.«

»Aber Tanis«, wandte Tolpan ein, »es könnte hier etwas geben, das uns weiterhelfen kann.«

»Dann sollen Flint oder Hoto oder Nanda es finden. Du und ich sind die einzigen, die nicht verwundet sind.«

Widerstrebend stellte Tolpan die verkorkte Phiole zurück, die er herumgeschwenkt hatte, und trottete zur Tür. Tanis lehnte sich schon mit der Schulter dagegen, um für den Angriff der Golems bereit zu sein.

Tolpan sah die Tür abschätzig an. »Sag mal, Tanis, das ist doch eine gute, solide Tür. Warum schließen wir nicht einfach zu?«

»Ich habe keinen Schlüssel.«

»Wer braucht denn einen Schlüssel?« fragte Tolpan. »Du bist aber manchmal wirklich begriffsstutzig.« Er sah durchs Schlüsselloch. »Oho, diese Golems kommen aber ganz schön schnell. Ich würde mich lieber bereitmachen, wenn ich du wäre, Tanis.«

»Wieso hilfst du mir nicht?«

»Ich helfe dir doch.« Die Tür erzitterte unter einem schweren Schlag. »Ich hab’ sie gleich im Handumdrehen abgeschlossen.« Während Tolpan ein Stück gebogenen Draht in das Schloß schob, erschütterte ein zweiter Schlag die Tür. Er zog den Draht zurück, runzelte die Stirn und strich den Draht dann sorgfältig wieder glatt. »Kannst du sie nicht besser stillhalten?«

»Ich kann sie fast gar nicht mehr halten!«

Leise vor sich hin fluchend, drängelte sich Flint an Tolpan vorbei und stemmte seine unverletzte Schulter gegen die Tür. Tolpan wartete noch den nächsten Schlag ab und fädelte dann wieder den Draht ins Schloß. Nachdem er ein paar Sekunden herumgestochert hatte, kam endlich das befriedigende Klacken des Riegels. Die Golems hämmerten weiter gegen die Tür, und jeder Schlag riß einen weiteren Nagel heraus, aber die Tür würde noch mindestens einige Minuten halten.

»Jetzt sollten wir uns umsehen. Nirgends ist es so aufregend wie im Labor eines Zauberers«, sagte Tolpan.

»Dazu haben wir jetzt keine Zeit«, tadelte Tanis den Kender. »Zuerst müssen wir Selana und Balkom finden.«

»Nur eine Minute, Tanis; ich garantiere dir, es lohnt sich.«

Tanis sah Hoto fragend an, und der nickte.

Begeistert machte sich Tolpan an die Arbeit. Er lief eilig an den Regalen entlang, und las dabei Aufschriften der Gefäße: Krähenauge, Rauchquarzstaub, Häretikerasche, Fingernagel von Gehängten, Quecksilber, Hanf, zerstoßene Wellhornschneckenschale, Riesenheuler – das fiel ihm besonders auf – und so weiter. Gelegentlich schnappte er sich ein Fläschchen und steckte es in die Tasche.

Schließlich – die Minute war längst um – nahm er einen hohen Hocker und rannte zu der verschlossenen Tür zurück. Er schob den Hocker dicht vor die Tür und stellte vier Phiolen darauf. Als er sich zu Tanis umdrehte, verkündete er: »Ich bin soweit. Das sollte uns Bescheid geben, wenn die Gebrüder mit den Krampfadern durch die Tür kommen, und ihnen auch eine kleine Überraschung bereiten.« Nach dieser Schlußbemerkung klopfte er auf seine Westentasche.

»Dann wollen wir mal sehen, wo die andere Tür uns hinführt«, sagte Flint. Tanis hatte dem Zwerg unterdessen die Schulter verbunden, was die Blutung deutlich stillte, während Nanda sich um Hotos Verletzungen gekümmert hatte.

Sie versammelten sich vor der seitlichen Tür. Flint hielt seine Axt bereit, und Tanis legte einen Pfeil auf. Dann riß Nanda die Tür auf – die in einen weiteren dunklen Gang aus polierten Steinen führte.

Tanis senkte den Bogen. »Geh vor, Tolpan, und denk dran, die Zeit läuft uns weg.«

Der Kender trabte los und suchte Boden und Wände so sorgsam ab, wie es bei dem Tempo möglich war. Nach ein paar Dutzend Schritten knickte der Gang leicht ab, und Tolpan konnte an der äußeren Wand Licht flackern sehen, was ihm verriet, daß der Weg weiter vorne von Fackeln erhellt wurde. Er blieb kurz vor dem Knick stehen und lauschte. Er hörte eine Stimme sprechen und in den Pausen sehr, sehr leise eine zweite, obwohl sich Tolpan da nicht sicher war.

Dicht am Boden hockend, schob Tolpan langsam den Kopf um die Ecke. Nur wenige Schritte weiter mündete der Gang in eine Höhle. Fackellicht tanzte über die grellrosafarbenen Granitwände. Eine spiralenförmige Säule versperrte ihm größtenteils den Blick durch die Tür. Er konnte nicht abschätzen, wie groß die Höhle war, doch aufgrund des Klangs und des Echos der wiederkehrenden Stimme vermutete er, daß sie größer war als alle, die sie bis jetzt gesehen hatten.

Auf Händen und Knien kroch Tolpan auf die Öffnung zu. Je näher er kam, desto mehr war er davon überzeugt, daß sie das Ziel ihrer Suche erreicht hatten. Jetzt konnte er die zweite Stimme besser hören, und es handelte sich unverkennbar um die Stimme von Hiddukel, der durch Balkoms Münze sprach!

Tolpan drehte sich um und winkte Tanis heran. Bald hatte sich die Gruppe kurz vor dem Eingang versammelt. Noch schirmte die Säule sie ab. Wieder kroch Tolpan vor, diesmal in die Kammer. Er verließ sich darauf, daß die unregelmäßigen Windungen der Säule seinen Körper verbergen würden, als er vorsichtig an ihr vorbeispähte.

Am jenseitigen Ende der Kammer stand Balkom, genau wie Tolpan es erwartet hatte. Der Magier wendete der Kammer den Rücken zu. Er stand vor einem Steintisch oder Altar und versperrte Tolpan so den Blick auf das, was auf dem Tisch lag. Zauberer und Altar waren in Mondlicht gebadet, das durch ein Portal in der Decke hereinströmte. Links von Balkom stand eine schöne, weißhaarige Frau in einem meerblauen Kleid. Ihre Hände waren gefesselt, und auf ihren Wangen glänzten Tränen, doch sie hielt königlich stolz den Kopf erhoben. Tolpan erschrak: Es war Selana.

Schnell huschte er zurück und erzählte flüsternd, was er gesehen hatte. Flint sagte zu Tanis: »Das ist deine Chance, Junge – setz allem mit einem Schuß ein Ende. Von dort hinter der Säule kannst du ihm einen Pfeil direkt zwischen die Schultern jagen.«