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Tolpan mußte sich also etwas anderes überlegen. Es war Selana und ihm nicht gelungen, das Armband wiederzubekommen, aber Flint und Tanis saßen immer noch irgendwo im Schloß gefangen. Die Gefangenen hatten unter der Burg Dinge gesehen – den Zombie zum Beispiel –, die der Zauberer zweifellos zumindest den Ritter nicht wissen lassen wollte. Damit waren der Zwerg und der Halbelf in echter Gefahr. Tolpan war sicher, eine bessere Gelegenheit, die beiden zu retten als jetzt, während der Trank noch wirkte, würde er nicht bekommen. Also mußte er sich beeilen.

Selana und er hatten nach dem Verschwinden des Schattenmonsters gesehen, wie der Magier vom Kerker zur Burg gelaufen war. Demnach wurden Flint und Tanis wahrscheinlich dort festgehalten.

Tolpan beendete seine Katzenwäsche, stand auf, streckte sich und lief auf leisen Sohlen zur Tür. Als er den Spalt darunter beäugte, schätzte er dessen Höhe ab. Als Maus war er problemlos hindurchgeschlüpft, aber warum sollte er wieder eine Maus werden, wenn es so viele andere, unterhaltsame Formen gab, die er noch ausprobieren mußte.

Einen Augenblick später hatte er sich auch schon in eine zwei Fuß lange, grau-braun-goldene Schlange verwandelt. Der Steinboden unter seinem Bauch fühlte sich angenehm kühl an. Tolpan züngelte versuchsweise ein paarmal, um dann den Kopf unter der Tür hindurchzustecken und langsam in beide Richtungen zu blicken. Der Gang war frei.

Sein erster Versuch vorwärtszukommen, war das Gegenteil von erfolgreich. Sein Körper verrenkte sich, zuckte und überschlug sich, so daß er sich den Kopf an der Türkante stieß, aber nicht vorwärtskam. Das ist gar nicht so einfach, wie es bei Schlangen aussieht, befand Tolpan. Nach einigen weiteren vergeblichen Kriechversuchen schaffte er es, sich wieder auf die richtige Seite zu rollen, war aber immer noch nicht im Flur.

Scheinbar machte er es vom Ansatz her falsch. Zum Krabbeln braucht man Arme und Beine. Statt dessen mußte er herausfinden, wie man schlängelt. Er dachte darüber nach, wie eine Schlange sich durch eine Wiese windet, und ohne wirklich zu begreifen, wie es ihm gelang, kam er auf einmal zügig seitlich und vorwärts zugleich voran, bis er unter der Tür durch war und sich draußen im Gang befand.

Tolpans Neugier, was Schlangen anging, war schnell befriedigt – außerdem erschrecken die meisten Leute fürchterlich, wenn sie auf eine Schlange stoßen, und versuchen, sie in zwei Teile zu schlagen –, darum verwandelte er sich gleich weiter, nachdem er unter der Tür durch war. Diesmal entschied er sich für einen Spaniel mit orange-cremeweißem Fell. Mit hoch erhobenem Schwänzchen trottete er den Gang hinunter, witterte unter Türen durch, sprang eine Wendeltreppe hinunter und durch eine offene Tür in den Hauptgang. Der Weg nach draußen schloß sich gleich rechts an.

Tolpan rannte zum Ausgang und sprang hoch, um beide Vorderpfoten an die Tür zu legen. Er stieß den Riegel mit der Nase hoch, und die Tür schwang auf. Sobald er draußen war, lief Tolpan geradewegs zum Gefängnis. Die Eingangstür stand offen, und er tapste einfach hinein.

Zwei Soldaten hatten es sich auf einer Bank im Vorraum bequem gemacht und würfelten. Tolpan wußte gleich, daß er am richtigen Ort war, denn er erkannte hinter ihnen auf dem Boden Tanis’ Bogen und Flints Axt.

Auf der anderen Seite des Raums führte eine Gittertür zu den Gefängniszellen. Die Abstände zwischen den Stangen waren groß genug, daß Tolpan durchschlüpfen konnte, aber um Flint und Tanis herauszulassen, mußte die Tür aufgeschlossen werden.

Während seiner Reisen war Tolpan nur auf wenige Schlösser gestoßen, die er mit seinem Werkzeug nicht aufbekam. Und aus Erfahrung wußte er, daß die meisten Gefängniszellen keine besonders guten Schlösser hatten. Aber nur für alle Fälle sah er sich nach einem Schlüsselring um. Einer hing an einem großen Haken an der Wand hinter den zwei Würfelspielern.

Der ältere der beiden schien zu gewinnen, denn der Stoß Kupfermünzen vor ihm war deutlich größer als der des anderen Soldaten. Sie waren so in ihr Spiel versunken, daß Tolpan einfach so an ihnen vorbei zur Eisentür stromern konnte. In diesem Augenblick mußte der verlierende Spieler einen besonders schlechten Wurf gemacht haben, denn er fluchte lauthals und schmiß die Würfel durch den Raum. Beide Wachen schauten direkt auf Tolpan.

»Was ist das denn für ein Hund?« fragte der ältere Wächter. »Den hab’ ich noch nie gesehen.«

»Ich weiß nicht«, erwiderte der zweite, »aber er hat jedenfalls eine komische Farbe. Und guck dir mal diesen lächerlichen Haarschopf auf seinem Kopf an. Gib mal dein Messer her, Dunkan. Ich will ihn mal abschneiden.«

Dunkan holte ein kleines Messer aus einer Scheide in seinem Gürtel und reichte es seinem Kumpel, doch ein drohendes Knurren ließ sie beide innehalten. Dunkan bemerkte: »Ich glaube, deine Idee gefällt ihm nicht, Julius.«

»Ich bin sicher, er hat nicht die leiseste Ahnung, wovon wir reden.« Julius nahm das Messer.

»Rrrr, wuff!« Tolpan fletschte die Zähne.

Julius und Dunkan betrachteten den Hund stirnrunzelnd. Beide Wachen behielten Tolpan im Blick, während Julius Dunkan sein Messer zurückgab. Tolpan wedelte mit dem Schwanz und lächelte, so gut er konnte. Dunkan reichte Julius das Messer erneut, und Tolpan knurrte wieder.

Dunkan grinste breit. »Der ist schlau. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich wetten, er versteht jedes Wort.«

Tolpan bellte und kam heran. Beide Männer tätschelten ihn freundlich, und Julius zog sogar einen Streifen Trockenfleisch aus der Tasche und bot ihn dem Hund an. Tolpan hatte eine ganze Weile nichts mehr gegessen und schlang es hungrig hinunter. Überrascht merkte er, daß der Geschmack auf seiner langen Hundezunge nicht so kräftig war, wie er bei seinen empfindlichen Kendergeschmacksnerven gewesen wäre. Nach einer neuerlichen Streichelrunde holten die Wachen ihre Würfel zurück und nahmen ihr Spiel wieder auf.

Der Kenderspaniel lag unter der Bank auf dem Boden. Dort blieb Tolpan ein oder zwei Minuten lang, bis er sicher war, daß die Wachen wieder in ihr Spiel vertieft waren. Dann stand er auf, tat so, als wollte er den Raum untersuchen, und schlüpfte durch die Eisentür.

Sofort sah Tolpan, daß der hintere Teil des Kerkers fünf Zellen hatte. Jede wurde durch eine schwere, mit Eisenbändern verstärkte Holztür verschlossen. Durch ein kleines, vergittertes Fenster in jeder Tür konnten die Wachen in die Zellen schauen. Je zwei Zellen lagen auf beiden Seiten des Gangs und eine fünfte am Ende.

Langsam streunte Tolpan an den Türen vorbei, wobei er überall nach bekannten Stimmen lauschte. Hinter der zweiten hörte er Flint maulen. »Dieser Zauberer ist absolut bösartig. Nach allem, was wir gesehen haben, wird der uns nicht lebend hier rauslassen. Glaubst du, daß Tolpan und Selana diesem scheußlichen Schattending entkommen sind?«

Guter, alter Flint, dachte Tolpan und wedelte glücklich mit dem Schwanz. Er prüfte die Lücke zwischen Tür und Boden. Die Steine auf dem Boden waren rauh und uneben, wodurch stellenweise größere Löcher klafften. Er warf einen Blick über die Schulter: Julius und Dunkan waren immer noch mit ihrem Spiel beschäftigt. Spontan verwandelte sich Tolpan in einen Einsiedlerkrebs. Das dürfte lustig werden, dachte er, als er unter der Tür durchkrabbelte.

Flint Feuerschmied schaute zur Tür, als er ein Geräusch aus dieser Richtung bemerkte. Ein Krebs auf dünnen Beinchen mit klackenden Scheren war nicht gerade das, was er erwartet hatte. »Große Götter! Was, bei Reorx’ Schmiede, ist denn das für ein scheußliches Vieh?«

Tanis, der mit dem Rücken zur Wand auf dem Boden hockte, war sachlicher. »Sieht mir aus wie ein alter Krebs, aber wenn du ihn in Ruhe läßt, stört er uns wahrscheinlich nicht.« Dennoch sah Tolpan zu seinem Vergnügen, wie Tanis aufstand.

»Der stört mich jetzt schon«, grummelte Flint. »Jedenfalls werde ich nicht mit ihm spielen. Ich werde ihn zertreten.« Als der Zwerg näherkam, blieb Tolpan stehen und rannte dann mit hoch erhobenen Scheren wild klickend auf ihn zu. Der überraschte Zwerg sprang zu Tanis zurück. »Hast du das gesehen? Er hat mich angegriffen!« Beide Männer starrten den Krebs sprachlos an.