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Tanis ignorierte den Zwerg, während er mit dem Gesicht nah an die Karte heranging und nur hin und wieder aufsah, um einen Schluck Bier zu trinken. Tolpan saß gelassen da und wartete auf eine anerkennende oder bewundernde Bemerkung.

Er saß so lange still da, wie er konnte, was ungefähr fünfzehn Sekunden waren. Als das Schweigen unerträglich wurde, platzte er los: »Ist Tanthalas nicht ein Elfenname?«

»Das stimmt«, sagte Tanis, der immer noch die Karte betrachtete.

»Wieso bist du dann kein Elf?«

Tanis sah langsam auf. »Das ist gewissermaßen eine lange Geschichte.«

Aber Tolpan ließ sich nicht abschrecken. Erwartungsvoll verschränkte er die Arme. »Ich hab’s nicht eilig.«

»Du kannst es ihm auch gleich erzählen«, wies Flint den Halbelfen an, »weil er nämlich keine Ruhe gibt, bevor er es rausgekriegt hat.«

Tolpan rutschte auf seinem Stuhl nach vorn, während Tanis noch einen großen Schluck Bier nahm. »Tja, vor langer Zeit… ach, zur Hölle«, fluchte er. Er war wütend, daß er seine Herkunft wie eine Gutenachtgeschichte erzählen wollte. Der Halbelf stellte seinen Krug ab und fegte dann mit beiden Händen seine langen, rotbraunen Haare auf beiden Seiten des Kopfes zurück. Tolpan war baff, als er die länglichen, etwas spitzen Ohren sah.

»Das begreife ich nicht«, sagte er. »Das sind keine Elfenohren, aber es sind ganz bestimmt auch keine Menschenohren. Sie sehen aus wie meine Ohren, nur doppelt so groß. Was bist du, ein Riesenkender?« Tolpan kicherte hinter vorgehaltener Hand.

Bei dieser Bemerkung brach Flint in brüllendes Gelächter aus. »Ein Riesenkender! Er hat dich durchschaut, mein Junge!« Während der Zwerg sich die Tränen vom Gesicht wischte, konnte er kaum aufhören zu lachen. Er senkte prustend den Kopf. Als er sich gerade beruhigt hatte, sah Flint wieder auf, doch beim Anblick seines Freundes mit dem zurückgestrichenen Haar und den herausstehenden Ohren ging das laute Gelächter wieder von vorne los.

Ernstlich verärgert ließ Tanis seine Haare wieder über die Ohren fallen. Tolpan bemühte sich wirklich, betroffen auszusehen, aber er konnte nicht verhindern, daß seine Mundwinkel zuckten.

»Nein«, erklärte Tanis. »Ich bin kein ›Riesenkender‹.«

Tolpan schniefte ungezogen.

Verstimmt kniff Tanis seine Mandelaugen zusammen. »Meine Mutter war eine Elfin, und mein Vater ein Mensch, ein Krieger. Meine Mutter hat nicht einmal seinen Namen erfahren. Alles, was er mir hinterlassen hat, ist gemischtes Blut und keine Familie, zu der ich gehöre«, schloß er düster.

»Mit solchen Ohren wärst du in Kenderheim willkommen«, sagte Tolpan und schlug sich fröhlich auf die Knie. Das viele Bier tat seine Wirkung, denn er und Flint schaukelten sich prompt erneut zu kreischendem Gelächter hoch. Tolpan trat gegen das Tischbein, während Flint mit der Faust auf den Tisch schlug, Bierkrüge tanzten über den Tisch, so daß alle mit Schaum bespritzt wurden.

Der Halbelf sprang auf. »Sargonnas hole euch beide!«

Er drehte sich abrupt um und drängelte sich durch die Gäste zu dem lodernden Kaminfeuer an der Rückwand. Dort blieb er stehen, starrte in die Flammen und fühlte, wie die Wärme durch seine Hosen und seine Tunika kroch. Weil auch er vom Bier benommen war, merkte er nicht, daß die Hitze langsam unangenehm, ja, fast sengend wurde. Tanis stand weiter da, eine Hand auf dem Sims, die andere zur Faust geballt.

Hinten am Tisch sah der Kender zu dem Halbelfen hinüber und piepste: »Huch, der ist wirklich wütend. Ist ein bißchen sensibel, was?«

Überrascht vom Einfühlungsvermögen des Kenders und peinlich berührt, weil er es nicht gleich gemerkt hatte, riß Flint sich schnell wieder zusammen. Tanis hatte immer Probleme mit seiner Herkunft gehabt, aber Flint wußte, der Gedanke an die Vergewaltigung seiner Mutter war es, was ihn wirklich aufgeregt hatte. »Ich bin gleich wieder da«, murmelte er Tolpan mit rotem Gesicht zu.

Wegen des Alkohols etwas taumelnd, schob sich der kräftige Zwerg durch die Taverne zum kochenden Tanis vor. Schweigend stand er ein Weilchen neben dem zornigen Halbelfen, während sie sich gemeinsam am Feuer wärmten. Dann steckte er seine großen Hände in seine Tunika, bevor er sich räusperte.

»Komm zum Tisch zurück, Jungchen. Wir haben es etwas übertrieben, und, na ja, dem Kender tut’s ehrlich leid. Mir auch.«

Tanis zögerte und warf dann Flint einen kurzen finsteren Blick zu. »Tolpan konnte es nicht wissen, Flint, aber von dir hätte ich das nicht erwartet.«

Flint hüstelte schuldbewußt und spuckte ins Feuer. »Und da hast du wohl recht. Wie gesagt, es tut mir wirklich leid. Wir haben alle ein bißchen viel getrunken. Komm zum Tisch zurück.« Flint streckte die Hand aus, und nach ein paar Minuten nahm sie der Halbelf an.

Die beiden drehten sich um und schlurften zu dem wartenden Tolpan zurück. Dann saßen die drei ein paar lange Momente zusammen, während jeder selbstvergessen in seinen Bierkrug starrte – bis auf Tolpan natürlich, der unmöglich selbstvergessen vor sich hin starren konnte.

»Jetzt, wo ich etwas über Tanis weiß, was ist mit dir, Flint?« hakte der Kender nach. »Wo hast du gelernt, so herrlichen Schmuck zu machen? Du bist wirklich gut, und ich sollte das beurteilen können. Ich bin in ganz Ansalon gewesen und habe alles mögliche gesehen.«

Flints Brust schwoll bei diesem Lob an. Wie Tolpan mit seinen Karten war Flint immer bereit, über seine Kunst zu reden. »Meine Familie hat lauter Schmiede und Krieger hervorgebracht«, sagte er. Er erzählte dem Kender von seiner Kindheit in den Hügeln vor der zwergischen Festungsstadt Thorbardin und von seiner lange zurückliegenden Entscheidung, die Zwerge in Hügelheim zu verlassen und in die Menschensiedlung Solace zu ziehen. Unverkennbar war sein Stolz, als er vom Ruf an den Hof der Stimme der Sonne erzählte.

»Ich muß sagen, damals in Qualinost waren meine Fähigkeiten wohl auf ihrem Höhepunkt«, meinte er abschließend. »Selbst die Stimme der Sonne hat das gesagt. Und in Qualinost habe ich auch Tanis kennengelernt.«

»Hast du da das herrliche Armband gemacht, das ich heute gesehen habe?« fragte Tolpan. »Das aus Kupfer mit den Edelsteinen, über dessen Verkauf du nicht mit dir reden lassen wolltest?«

Flint schüttelte den Kopf. »Nein, das ist ein ganz neues Stück. Es ist aber auch wirklich eine schöne Arbeit, nicht wahr?« Während er das sagte, griff er in die Tasche und zog das Armband heraus. Er drehte es wieder und wieder in den Händen, strich über das Filigran und polierte die Steine an seinem Ärmel.

Spontan reckte sich Tolpan über den Tisch, um das Schmuckstück genauer anzusehen. Aber als seine Hand nach vorn schoß, krachte Flints Bierkrug auf den Tisch und schlug eine walnußgroße Kerbe hinein. Nur Tolpans bemerkenswerte Reflexe retteten seine Hand davor, von dem schweren Krug zermalmt zu werden. Schützend versteckte Tolpan seine Hände in den Tiefen seiner Taschen. Er wirkte zutiefst verletzt. »Ich wollte es doch nur ansehen.«

»Darf ich?« fragte Tanis. Flint sah ihn einen kurzen Moment lang mißtrauisch an, um ihm dann betreten das Armband zu reichen. »Tut mir leid, Tanis«, stammelte er, »ich habe mich einen Augenblick vergessen.«

Tanis untersuchte das Armband ganz genau, während die anderen beiden zusahen. Als er dann redete, sprach er Flint an, ohne die Augen von dem Schmuckstück zu nehmen.

»Das ist hinreißend, Flint«, gab er zu. »Aber warum machst du so etwas Herrliches aus Kupfer? Diese Steine sehen wertvoll aus – warum stecken sie in so einem billigen Metall?«

Flint lehnte sich auf der Bank zurück und meinte geheimnisvolclass="underline" »So wollte sie es haben.«

»Ein Auftrag?« fragte Tolpan.

Flint nickte. Ihm war nicht ganz wohl zu Mute.

»Du hast mir nichts von einem Auftrag erzählt«, sagte Tanis. »War es jemand von hier?«

»Ich habe dir nichts erzählt«, gestand Flint, »weil die ganze Sache so schnell ging und weil die Frau sehr merkwürdig und geheimnisvoll war.«

»Eine merkwürdige Frau?« Tolpan war ganz Ohr.