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»Du wirst schon sehen«, antwortete Rand lachend. Es war klar, daß Ewin es nicht glauben würde, bis er den Gaukler mit eigenen Augen sah. »Früher oder später muß er ja wohl runterkommen.«

Rufe waren von jenseits der Wagenbrücke zu hören. Als Rand sah, was los war, lachte er vor Freude. Eine durcheinanderwirbelnde Menge von Dorfbewohnern, vom grauhaarigen Opa bis zu watschelnden Kleinkindern, begleitete einen hohen Planwagen zur Brücke, einen riesigen Wagen, der von acht Pferden gezogen wurde. Außen an der halbrund übergezogenen Plane hingen Bündel von Waren wie Trauben an einem Strunk. Der Händler war endlich da. Fremde und ein Gaukler, Feuerwerk und ein fahrender Händler. Es würde das beste Bel Tine aller Zeiten werden.

3

Der fahrende Händler

Zusammengebunden aufgehängte Töpfe klapperten, als der Wagen des fahrenden Händlers über die schweren Balken der Wagenbrücke rumpelte. Er wurde immer noch von einer großen Schar Dorfbewohner und Bauern umgeben, die zum Fest gekommen waren. Der Händler brachte seine Pferde vor der Schenke zum Stehen.

Aus jeder Richtung strömte weiteres Volk herbei und vergrößerte die Zahl derer, die den Wagen umstanden. Dessen Räder waren höher als die Menschen, die den Händler auf dem Bock des Wagens über ihnen nicht aus den Augen ließen.

Der Mann auf dem Wagen war Padan Fain, ein blasser dünner Bursche mit langen dünnen Armen und einer großmächtigen Adlernase. Fain, der immer lächelte oder lachte, als wisse er einen Witz, den keiner sonst kannte, war mit seinem Wagen und diesem Gespann jeden Frühling in Emondsfeld eingezogen, solange sich Rand zurückerinnern konnte. Gerade als das Gespann mit rasselndem Geschirr zum Stehen kam, flog die Tür der Schenke auf, und der Gemeinderat erschien, von Meister al'Vere und Tam angeführt. Sie alle marschierten zielbewußt heraus, selbst Cenn Buie. Um sie herum riefen die anderen aufgeregt nach Nadeln und Spitzen und Büchern und tausend anderen Dingen, die sie brauchten oder zu brauchen glaubten. Zögernd machte die Menge Platz für den Gemeinderat. Als er vorn angelangt war, schlossen sich dahinter die Reihen wieder dicht, und das Geschrei nach den Diensten des Händlers schwoll an. Vor allem verlangten die Dorfbewohner nach Neuigkeiten von draußen.

In den Augen der Dorfbewohner machten Nadeln und Tee und dergleichen nicht mehr als die Hälfte dessen aus, was der Händler in seinem Wagen mitführte. Genauso wichtig waren die Neuigkeiten von draußen, Neuigkeiten aus der Welt jenseits der Zwei Flüsse. Einige Händler erzählten einfach, was sie wußten, warfen es den Dorfbewohnern hin wie einen Haufen Abfall, von dem sie nicht belästigt werden wollten. Anderen mußte man jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Sie redeten widerwillig und ungeschickt. Fain dagegen sprach frei, wenn er die Dorfbewohner auch öfter neckte, und dehnte das Ganze aus, machte es zu einer Vorstellung wie einen Gauklerauftritt. Er genoß es, im Mittelpunkt zu stehen, herumzustolzieren wie ein zu klein geratener Hahn, wenn alle Augen auf ihm ruhten. Rand fragte sich, ob es Fain überhaupt passen mochte, daß er nun einen richtigen Gaukler in Emondsfeld vorfand.

Der Händler schenkte dem Gemeinderat und den Dorfbewohnern genau die gleiche Beachtung, während er umständlich die Zügel zusammenband — nämlich gar keine Beachtung. Er nickte so nebenher, aber das galt niemand Bestimmtem. Er lächelte stumm und winkte abwesend einigen Leuten zu, mit denen er befreundet war, obwohl er trotz aller Freundschaft immer einen gewissen Abstand hielt. Man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter, ohne sich dabei näherzukommen. Die Aufforderungen, endlich zu erzählen, wurden lauter, doch Fain wartete und beschäftigte sich mit irgendwelchen Kleinigkeiten oben auf dem Bock, damit die Menschenmenge und die Erwartungen so groß wurden, wie er das wollte. Nur der Gemeinderat blieb stumm. Die Herren zeigten jene Würde, die man von ihrer Stellung erwartete, aber den anschwellenden Wolken von Pfeifenrauch über ihren Köpfen war anzumerken, wie schwer es ihnen fiel.

Rand und Mat schoben sich in die Menge, um dem Wagen so nahe wie möglich zu kommen. Rand hätte ja auf halbem Weg Halt gemacht, doch Mat wand sich durch das Gedränge und zog Rand hinter sich her, bis sie genau hinter dem Gemeinderat standen. »Ich hatte schon geglaubt, du wolltest das Fest auf dem Hof verbringen!«, rief Perrin Aybara Rand über den Lärm hinweg zu. Er war einen halben Kopf kleiner als Rand, aber der lockenköpfige Schmiedlehrling war so stämmig, daß er wie eineinhalb Männer wirkte. Seine Arme und Schultern waren so stark, daß sie schon denen von Meister Luhhan selbst gleichkamen. Er hätte sich mit Leichtigkeit durch die Menge drängen können, aber das war nicht seine Art. Er schob sich rücksichtsvoll hindurch und entschuldigte sich bei Leuten, die sowieso ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Händler konzentriert hatten und ihn kaum bemerkten. Trotzdem entschuldigte er sich und bemühte sich, niemanden anzustoßen, als er sich auf Rand und Mat zubewegte. »Stellt Euch vor«, sagte er, als er sie schließlich erreicht hatte, »Bel Tine und ein Händler, beides gleichzeitig. Ich wette, es gibt wirklich ein Feuerwerk.«

»Du kennst nicht mal ein Viertel von den Neuigkeiten, die hier alle geschehen.« Mat lachte.

Perrin beäugte ihn mißtrauisch und blickte Rand dann fragend an.

»Es stimmt!« rief Rand. Dann zeigte er auf die weiter anwachsende Menschenmenge, die durcheinanderschrie. »Später. Ich erkläre es dir später. Später habe ich gesagt!«

In diesem Augenblick stellte sich Padan Fain auf den Fahrersitz, und es wurde sofort leise in der Menge. Rands letzte Worte explodierten förmlich in die plötzliche Stille hinein. Der Händler hatte gerade mit einer dramatischen Geste den Arm erhoben und den Mund geöffnet. Alles drehte sich um und starrte Rand an. Der kleine knochige Mann auf dem Wagen, der erwartet hatte, daß jeder gespannt seinen ersten Worten lauschen werde, sah Rand scharf und durchdringend an.

Rand errötete und wünschte sich, er wäre so klein wie Ewin, damit er sich nicht so von der Menge abhob. Auch seine Freunde traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Es war erst im letzten Jahr geschehen, daß Fain endlich von ihnen Notiz genommen und sie als Männer anerkannt hatte. Fain hatte normalerweise nicht viel Zeit für junge Leute, die kaum Waren aus seinem Wagen kaufen konnten. Rand hoffte, daß er in den Augen des Händlers nun nicht wieder als Kind eingestuft wurde.

Mit einem lauten Räuspern zupfte Fain an seinem schweren Mantel. »Nein, nicht später«, deklamierte er und warf eine Hand in grandioser Geste nach oben. »Ich werde euch jetzt berichten.« Beim Sprechen gestikulierte er breit und warf seine Worte über die Menge hinweg. »Ihr glaubt, ihr habt Schwierigkeiten gehabt hier im Gebiet der Zwei Flüsse, nicht wahr? Nun, die ganze Welt hat Probleme, von der Großen Fäule nach Süden bis zum Meer der Stürme, vom Aryth-Meer im Westen bis zur Aiel-Wüste im Osten. Und sogar darüber hinaus. Der Winter war härter, als man ihn je erlebt hat, kalt genug, um euch das Blut gefrieren zu lassen und euch die Knochen zu brechen? Ahhh! Der Winter war überall hart und kalt. In den Grenzlanden würden sie euren Winter einen Frühling nennen. Doch der Frühling kommt nicht, sagt ihr? Wölfe haben eure Schafe gerissen? Vielleicht haben die Wölfe auch Menschen angegriffen? Ist es so? Tja, nun, der Frühling ist überall zu spät dran. Überall gibt es Wölfe, die nach jedem Stück Fleisch gieren, in das sie ihre Zähne schlagen können, seien es Schafe oder Kühe oder Menschen. Aber es gibt Schlimmeres als Wölfe oder den Winter. Es gibt Leute, die wären froh, wenn sie nur eure kleinen Sorgen hätten.« Er unterbrach seinen Redeschwall erwartungsvoll.

»Was könnte denn schlimmer sein als Wölfe, die Schafe und Menschen töten?« wollte Cenn Buie wissen. Andere murmelten beifällig.

»Menschen, die Menschen töten.« Die Antwort des Händlers, in bedeutungsvollem Tonfall gesprochen, wurde von der Menge mit erschrockenem Gemurmel quittiert, das noch zunahm, als er weitersprach. »Ich meine damit Krieg. In Ghealdan herrscht Krieg, Krieg und Wahnsinn. Der Schnee im Wald von Dhallin ist rot vom Blut getöteter Männer. Die Luft ist erfüllt von Raben und ihrem Geschrei. Heere marschieren nach Ghealdan. Völker, mächtige Königshäuser und große Männer schicken ihre Soldaten in den Kampf.«