»Wer? — Wonne?«
»Sie ist… für meine Begriffe… irgendwie anders.«
»Beim Terminus, Janov, sie bekommt jedes Wort mit, das Sie reden!«
»Das ist gleichgültig. Sie weiß sowieso Bescheid. Ich möchte ihr eine Freude machen. Ich will diese Aufgabe übernehmen, woraus sie auch bestehen mag… ich werde jedes Risiko, jede Verantwortung auf mich nehmen, wenn nur eine kleine Chance besteht, daß sie… sich eine gute Meinung von mir bildet.«
»Janov, sie ist ein Kind.«
»Sie ist kein Kind — und was Sie von ihr denken, macht für mich ohnehin keinen Unterschied aus.«
»Begreifen Sie denn nicht, für was sie Sie halten muß?«
»Für einen alten Mann? Was bedeutet das denn noch? Sie ist Teil eines höheren Ganzen, ich dagegen nicht — das allein errichtet bereits ein unüberwindbares Hindernis zwischen uns. Glauben Sie, das wäre mir nicht klar? Aber ich verlange nichts von ihr, bestenfalls hoffe ich, daß sie…«
»Sich eine gute Meinung von Ihnen bildet?«
»Ja. Oder was sie sonst an Empfindungen für mich aufbringen kann.«
»Und dafür wollen Sie meine Aufgabe übernehmen? Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, Janov, daß Sie nicht richtig zugehört haben. Man will nicht Sie, sondern — Raum und Zeit! — aus irgendeinem Grund, den ich nicht ermessen kann, ausschließlich mich!«
»Wenn Sie sich nicht zur Verfügung stellen und sie irgend jemanden haben müssen, wird es besser sein, mich zu haben, nehme ich an, als überhaupt niemanden.«
Trevize schüttelte den Kopf. »Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich kann’s nicht glauben. Sie kommen so langsam in die reiferen Jahre, und da entdecken Sie plötzlich die Jugend. Janov, Sie möchten ein Held werden, damit Sie für den bewußten Leib sterben dürfen.«
»Reden Sie nicht so daher, Golan! Das ist kein Thema, um sich darüber lustig zu machen.«
Trevize wollte lachen, aber da sah er Pelorats ernste Miene und räusperte sich statt dessen lediglich. »Sie haben recht«, sagte er. »Entschuldigen Sie. Rufen Sie sie herein, Janov. Rufen Sie sie rein!«
Wonne trat in leicht gebeugter Haltung ein. »Es tut mir schrecklich leid, Pel«, sagte sie mit schwächlichem Stimmchen. »Du kannst nicht einspringen. Es muß Trevize sein.«
»Na schön«, antwortete Trevize. »Ich werde ganz ruhig sein. Was es auch sein soll, ich werde versuchen, es durchzuführen. Ich würde alles tun, bloß um zu verhindern, daß Janov in seinem Alter noch den romantischen Helden mimt.«
»Ich kenne mein Alter«, murmelte Pelorat.
Bedächtig ging Wonne zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. »Pel, ich… ich habe eine sehr gute Meinung von dir.«
Pelorat schaute zur Seite. »Schon gut, Wonne. Du brauchst dir keine Freundlichkeiten abzuringen.«
»Ich bin nicht bloß freundlich, Pel. Ich habe von dir… eine sehr, sehr gute Meinung.«
82
Erst schwach, dann deutlicher, entsann sich Sura Novi, daß sie Suranoviremblastiran war und als Kind von ihren Eltern Su und von ihren Spielkameraden Vi genannt wurde.
Sie hatte diese Tatsachen niemals wirklich vergessen, doch gelegentlich waren sie sehr tief in ihr verborgen gewesen. Noch nie waren sie so tief und so lange verborgen worden wie im Laufe des vergangenen Monats, denn nie, nie hatte sie sich so lange in solcher Nähe zu einem derartig starken Geist befunden.
Aber nun war ihre Zeit gekommen. Sie selbst hatte darauf keinen Einfluß. Im Interesse des globalen Notstands schob der ganze zeitweilig unterdrückte Rest ihres Wesens sich nun zurück an die Oberfläche.
Ein unbestimmtes Mißbehagen begleitete diesen Vorgang, eine Art von Kribbeln, doch binnen kurzem erfolgte dessen Verdrängung durch das Wohlbefinden eines unmaskierten Ichs. Seit Jahren war sie Gaias Globus nicht mehr so nahe gewesen.
Sie erinnerte sich an eine der Lebensformen, die ihr als Kind auf Gaia so lieb gewesen waren. Weil sie damals deren Empfindungen als einen schwachen Bestandteil ihres eigenen Fühlens begriffen hatte, erkannte sie das eigene, viel stärkere Gefühl eines ähnlichen Geschehens nun wieder. Sie glich einem Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpft.
83
Stor Gendibal starrte Sura Novi mit durchdringendem Blick scharf an — und so überrascht, daß er beinahe Bürgermeisterin Branno seiner Aufmerksamkeit hätte entgleiten lassen. Daß ihm das nicht passierte, war vielleicht einem plötzlichen Rückhalt von außerhalb zu verdanken, der stabilisierend wirkte, den er im Moment jedoch ignorierte.
»Was weißt du von Ratsherr Trevize, Novi?« erkundigte er sich. Die in unerwartetem Anwachsen begriffene Komplexität ihres Geistes flößte ihm eisige Bestürzung ein. »Was bist du?« rief er.
Er versuchte, ihre Psyche unter seine Kontrolle zu bringen, mußte jedoch feststellen, daß sie für ihn unangreifbar blieb. Erst in diesem Augenblick erkannte er, daß sein mentalistischer Griff um die Branno durch einen machtvolleren Einfluß, als er von ihm selbst ausging, Unterstützung erhielt. »Was bist du?« wiederholte er.
Sura Novis Miene zeigte eine Andeutung von Tragik. »Meister«, sagte sie, »Sprecher Gendibal… mein wahrer Name lautet Suranoviremblastiran, und ich bin Gaia.«
Mehr verriet sie mündlich nicht, aber Gendibal hatte in einer plötzlichen Aufwallung von Wut seine mentale Aura intensiviert, und während er — aufgebracht wie er jetzt war — den fremden Rückhalt negierte und die Branno in seine eigene und obendrein verstärkte mentalistische Obhut nahm, tastete er gleichzeitig nach Sura Novis Bewußtsein und verwickelte es in ein angespanntes, stummes Ringen.
Sie wehrte ihn mit gleichrangiger Tüchtigkeit ab, blieb jedoch dazu außerstande, ihm ihr Bewußtsein zu verschließen — oder vielleicht legte sie gar keinen Wert darauf.
Er sprach nun zu ihr auf die Art und Weise, wie er sich an einen anderen Sprecher gewandt hätte. »Du hast ein Spielchen gespielt, mich getäuscht, mich hergelockt, und du gehörst der Spezies an, der auch der Fuchs entsprungen war.«
»Der Fuchs war ein einzelnes verkommenes Subjekt, Sprecher. Ich/wir sind keine Füchse. Ich/wir sind Gaia.«
Über das bloße gesprochene Wort hinaus machte die Art ihrer Äußerung die ganze Wesenseigentümlichkeit Gaias deutlich.
»Ein als Ganzheit lebender Planet«, faßte Gendibal zusammen.
»Und mit einem Mentalfeld, das insgesamt weit größer ist als dein individuelles mentales Feld. Bitte widersetze dich nicht mit solcher Heftigkeit! Ich befürchte, es könnte sonst die Gefahr entstehen, daß ich dir Schaden zufüge, und das ist etwas, was ich nicht wünsche.«
»Nicht einmal als lebender Planet könnt ihr mächtiger sein als die Summe meiner Kollegen auf Trantor. In gewisser Beziehung sind auch wir ein lebender Planet.«
»Ihr seid nur ein paar tausend Menschen in geistiger Kooperation, Sprecher, und du kannst dich gegenwärtig nicht auf den Beistand deiner Kollegen stützen, denn ich habe deine Verbindung zu ihnen blockiert. Unternimm einen entsprechenden Versuch, er wird dich davon überzeugen.«
»Welche Absichten verfolgst du, Gaia?«
»Ich hatte gehofft, Sprecher, du würdest mich weiterhin Novi nennen. Was ich nun durchführe, mache ich als Gaia, aber ebenso bin ich Novi — und was dich persönlich angeht, bin ich ausschließlich Novi.«
»Welche Absichten hast du, Gaia?«
Das zittrige mentale Äquivalent eines Seufzers war bemerkbar. »Wir werden in dreiseitigem Patt bleiben«, sagte Novi. »Du gibst durch den Mentalschild acht auf Bürgermeisterin Branno, unterstützt von mir, so daß wir nicht ermüden können. Du wirst deinerseits, vermute ich, mich im mentalistischen Griff behalten, und ich werde es mit dir gleich halten, und auch darin werden wir nicht ermüden. Und so wird es erst einmal bleiben.«