»Meine Frau muß mich natürlich begleiten.«
»Halten Sie mich für eine Idiotin? Natürlich bleibt sie hier.«
»Als Geisel?«
»Von mir aus, wenn diese Bezeichnung Ihnen gefällt. Ich ziehe es vor zu sagen, daß Sie sich in Gefahr begeben müssen, und deshalb legt mein weiches Herz Wert darauf, daß sie hier bleibt, wo sie in keine Gefahr geraten kann. Jede weitere Diskussion ist ohnehin überflüssig. Sie stehen unter Arrest, genauso wie Trevize, und ich bin mir sicher, Sie verstehen, daß ich schnell handeln muß, ehe die Euphorie abebbt, die Terminus gegenwärtig beherrscht. Ich fürchte, mein Stern beginnt zu sinken.«
12
»Sie sind nicht gerade sanft mit ihm umgesprungen, Bürgermeisterin«, sagte Kodell.
»Warum hätte ich’s sollen?« entgegnete die Bürgermeisterin schnaubend. »Er hat einen Freund hintergangen.«
»Das war für uns von Nutzen.«
»Ja, zufällig. Seine nächste Verräterei könnte allerdings genau gegenteilig sein.«
»Warum sollte so etwas noch einmal vorkommen?«
»Hören Sie auf, Liono!« sagte die Branno ungnädig. »Machen Sie hier keine Witze! Jedem Menschen, der sich einmal zum Verrat fähig zeigt, muß man jederzeit zutrauen, daß er’s nochmals macht.«
»Vielleicht wirkt sich diese Fähigkeit so aus, daß er sich nun wieder mit Trevize verbündet. Zusammen könnten die beiden…«
»Das glauben Sie doch selbst nicht. Bei all seiner Wirrköpfigkeit und Naivität pflegt Trevize immer geradlinig vorzugehen. Er hat keinerlei Verständnis für Hinterhältigkeit und wird Compor unter gar keinen Umständen ein zweites Mal Vertrauen schenken.«
»Entschuldigung, Bürgermeisterin«, sagte Kodell, »ich möchte mich nur vergewissern, daß ich Ihren Überlegungen gänzlich folgen kann. Wie sehr dürfen denn nach Ihrer Ansicht Sie Compor trauen? Woher wollen Sie wissen, ob er Trevize wirklich folgt und Ihnen wahrheitsgemäß Bericht erstattet? Meinen Sie, Sie können sich völlig auf seine Sorge um seine Frau verlassen, um ihn zu gängeln? Auf seinen Wunsch, zu ihr zurückkehren zu dürfen?«
»Beides sind Faktoren, die ich einbeziehe, aber ich stütze mich nicht allein darauf. In Compors Raumschiff wird eine Hypersonde versteckt sein. Trevize könnte eine Überwachung erwarten und deshalb nach einer suchen. Compor dagegen, sein Verfolger, wird mit keiner Überwachung rechnen — vermute ich — und daher nicht danach suchen. Falls doch, und falls er sie findet, dann müssen wir uns tatsächlich in der Hauptsache auf die Anziehungskraft seiner Frau verlassen.«
Kodell lachte. »Kaum vorzustellen, daß ich Ihnen einmal Lektionen erteilen mußte. Und der Zweck der Verfolgung?«
»Sie geschieht zur doppelten Absicherung. Sollte Trevize ertappt werden, bleibt möglicherweise noch Compor, um uns, falls Trevize nicht länger dazu imstande ist, die gewünschten Informationen zu übermitteln.«
»Noch eine Frage. Was soll werden, sollte Trevize dank irgendeines Zufalls wirklich die Zweite Foundation finden, und wir erfahren durch ihn davon, oder durch Compor, oder wir ziehen, falls beide umkommen, entsprechende Schlüsse?«
»Ich hoffe, daß die Zweite Foundation tatsächlich existiert, Liono«, sagte die Bürgermeisterin. »Der Seldon-Plan kann unseren Zielen jedenfalls nicht mehr viel länger dienlich sein. Der große Hari Seldon hat ihn zur Zeit des Niedergangs des Imperiums erarbeitet, als der technische Fortschritt buchstäblich zum Stillstand gekommen war.
Seldon selbst war zwangsläufig ein Kind seiner Epoche, und wie brillant seine inzwischen halb mythische Wissenschaft der Psychohistorie auch gewesen sein muß, sie hat sich damals nicht über ihre Anfänge erhoben. Gewiß sind keine schnellen technischen Fortschritte einkalkuliert worden. Die Foundation hat jedoch welche erzielt, vor allem im letzten Jahrhundert. Wir besitzen Massendetektoren von einer Leistungstüchtigkeit, wie man sie früher nicht einmal zu erträumen gewagt hat, wir verfügen über Computer, die auf Gedanken reagieren, und vor allem stehen uns geistige Abschirmmöglichkeiten zur Verfügung. Selbst wenn die Zweite Foundation uns gegenwärtig noch unter Kontrolle haben sollte, wesentlich länger kann sie nicht dazu in der Lage sein. Während meiner letzten Jahre der Macht möchte ich die Person sein, die Terminus auf einen neuen Weg führt.«
»Und wenn’s nun doch keine Zweite Foundation gibt?«
»Dann schlagen wir sofort einen neuen Weg ein.«
13
Der ruhelose Schlaf, der Trevize zum Schluß übermannt hatte, dauerte nur kurz. Jemand berührte ihn zum zweitenmal an der Schulter.
Trevize schrak hoch, völlig benommen, zu begreifen außerstande, wieso er in einem fremden Bett erwachte. »Was… was…?«
»Verzeihen Sie, Ratsherr Trevize«, sagte Pelorat im Tonfall einer ernstgemeinten Entschuldigung. »Sie sind mein Gast, und ich sollte Ihnen die Ruhe gönnen, aber die Bürgermeisterin ist da.« Er stand in einer Flanell-Unterhose neben dem Bett und zitterte ein bißchen. Mit einem Schlag befiel schlaffe Wachheit Trevize, und die Erinnerung kehrte zurück.
Die Bürgermeisterin hielt sich in Pelorats Wohnzimmer auf und wirkte so gefaßt wie stets. Mit ihr war Kodell erschienen, der ein wenig an seinem weißen Schnurrbart schabte, während Trevize seine Schärpe angemessen straffte und sich fragte, ob dies Paar — die Branno und Kodell — überhaupt jemals getrennt auftrat.
»Ist der Verwaltungsrat schon zur Besinnung gekommen?« erkundigte Trevize sich spöttisch. »Sind seine Mitglieder beunruhigt über die Abwesenheit eines der Ihren?«
»Es gibt gewisse Anzeichen dafür, daß sich etwas regt, ja«, sagte die Bürgermeisterin, »aber vorerst so geringfügiger Natur, daß es Ihnen nichts nutzen wird. Es steht außer Frage, daß ich noch immer die Macht habe, um Sie zum Abflug zu zwingen. Sie werden zum Ultima-Raumhafen gebracht und…«
»Nicht zum Terminus-Raumhafen, ehrenwerte Bürgermeisterin? Beraubt man mich der Möglichkeit, von den Zehntausenden, die mir unter Tränen Lebewohl wünschen möchten, auf anständige Weise Abschied zu nehmen?«
»Ich sehe, Sie haben Ihre Vorliebe für kindliche Albernheiten wiedergewonnen, Ratsherr, und das freut mich. Es beruhigt in mir Anwandlungen, die sich sonst vielleicht zu richtigen Gewissensbissen entwickelt hätten. Sie und Professor Pelorat werden ohne jedes Aufsehen vom Ultima-Raumhafen starten.«
»Und nie zurückkehren?«
»Und vielleicht nie zurückkehren.« Sie lächelte flüchtig. »Sollten Sie jedoch etwas entdecken, was so bedeutend und nützlich für uns ist, daß wir Sie um dieser Informationen willen mit offenen Armen wieder empfangen, werden Sie natürlich umkehren. Womöglich werden Ihnen dann sogar Ehrungen zuteil.«
Trevize nickte lässig. »Könnte sein.«
»Nahezu alles mögliche könnte sich ergeben. Auf jeden Fall, zwischendurch wird’s Ihnen nicht schlecht gehen. Sie erhalten einen erst kürzlich fertiggestellten Kleinkreuzer, die Far Star. Er bietet einigermaßen ausreichenden Komfort für drei Leute, aber eine Person genügt, um ihn zu fliegen.«
Trevize fuhr aus seiner sorgsam gekünstelten Haltung gemäßigter Ironie. »Mit kompletter Bewaffnung?«
»Unbewaffnet, ansonsten aber vollständig ausgerüstet. Wohin Sie auch gelangen, überall werden Sie Bürger der Foundation sein, und es wird überall einen Konsul geben, an den Sie sich wenden können, folglich dürften Sie keine Waffen brauchen. Bei Bedarf stehen Ihnen Finanzmittel offen. Nicht unbegrenzt, darf ich bemerken.«