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Aber selbst unter den schlimmsten Verhältnissen besaß Trantors Apparat einen gewissen Eigenwert. Ohne Trantor hätte das Galaktische Imperium überhaupt nicht regiert werden können.

Das Imperium brach unaufhaltsam auseinander, aber solange Trantor eben Trantor blieb, bestand auch ein Kernstück des Imperiums weiter, und mit ihm blieb ein Gefühl des Stolzes erhalten, der jahrtausendealten Tradition und Macht — und der Erhabenheit.

Erst als das Unvorstellbare geschah, als schließlich Trantor Eroberern verfiel und sie es plünderten, man seine Bewohner zu Millionen ermordete und zu Milliarden dem Hungertod überließ, als der Angriff der ›Barbaren‹-Flotte seinen dicken metallenen Mantel zerschrammte, aufriß und durchlöcherte — erst da betrachtete man das Imperium als wirklich zerbrochen. Die restlichen Überlebenden der einst so großartigen Welt taten ein übriges, um zu demontieren, was nach der Plünderung stehengeblieben war, und innerhalb einer Generation verwandelte sich Trantor vom bemerkenswertesten Planeten, den die Menschheit je gesehen hatte, in einen Wirrwarr von Ruinen.

Das war vor zweieinhalb Jahrhunderten geschehen. Im gesamten Rest der Galaxis war Trantor, so wie er einmal war, noch nicht vergessen. Er würde für immer als bevorzugter Schauplatz historischer Romane weiterbestehen, als größtes Symbol der Vergangenheit und zugleich deren herausragendste Erinnerung; seine einstige Existenz lebte weiter in Redensarten wie ›Alle Wege führen nach Trantor‹ bzw. ›Alle Raumschiffe landen auf Trantor‹, ›Jemanden auf Trantor suchen‹ oder ›Dies oder das hat nicht mehr Ähnlichkeit als dies oder jenes mit Trantor‹.

Im gesamten Rest der Galaxis…

Nur auf Trantor selbst war das nicht der Fall. Dort war der alte Trantor vergessen. Das Metall der Oberfläche war fast überall dahin. Trantor war nun eine spärlich besiedelte Welt genügsamer Farmer, ein Planet, den kaum Handelsschiffe anflogen, und wenn doch, waren sie nicht einmal sonderlich willkommen. Sogar der Name, das Wort ›Trantor‹, war — obwohl noch in offiziellem Gebrauch — aus der Umgangssprache verschwunden. Bei den Trantoranern der Gegenwart hieß ihre Welt im heimischen Dialekt ›Hame‹, was in Galakto-Standard soviel wie ›Heimat‹ bedeutete.

Quindor Shandess dachte über all das und noch viel mehr nach, während er still in einem behaglichen Zustand von Halbschläfrigkeit dasaß, in dem er seinen Geist einem selbstläufigen, ungeordneten Gedankenstrom folgen lassen konnte.

Seit achtzehn Jahren war er Erster Sprecher der Zweiten Foundation, und er mochte durchaus noch zehn oder zwölf Jahre lang auf diesem Posten bleiben, wenn sein Verstand einigermaßen beweglich und er dazu in der Lage blieb, die politischen Auseinandersetzungen weiterhin durchzustehen.

Er war der fünfundzwanzigste Erste Sprecher, und seine Amtszeit dauerte schon etwas länger als durchschnittlich. Sollte er vielleicht nicht zu sehr darauf bedacht sein, den Posten zu behalten, die jüngeren Aspiranten abzublocken? Da war Sprecher Gendibal, neu an der Ratstafel und doch bereits das scharfsinnigste Mitglied der Runde. Heute abend wollten sie Zeit füreinander haben, und Shandess blickte der Begegnung erwartungsvoll entgegen. Sollte er auch Gendibals eines Tages möglicher Übernahme seines Postens so erwartungsfroh entgegenblicken?

Die Antwort auf die Frage lautete, daß Shandess nicht im geringsten ernsthaft daran dachte, seinen Posten abzugeben. Er bereitete ihm viel zuviel Spaß.

Wie er da in seinem hohen Alter saß, war er nach wie vor vollkommen dazu imstande, seine Pflichten zu erfüllen. Sein Haar war grau, aber es war immer hell gewesen, und da er es nur ein bis zwei Zentimeter lang trug, spielte die Farbe kaum eine Rolle. Seine Augen waren wie von verblichenem Blau, während seine Kleidung sich nicht von den eintönigen Monturen trantoranischer Farmer unterschied.

Der Erste Sprecher konnte unter den Hamer jederzeit als einer der ihren auftreten, aber er verfügte über geheime Kräfte. Er vermochte seine Augen und seinen Geist, wann er wollte, auf einen gemeinsamen Brennpunkt zu richten, und wen er dann anschaute, der handelte nach seinem Willen, ohne sich anschließend daran erinnern zu können.

Dergleichen geschah selten. Fast nie. Die Goldene Regel der Zweiten Foundation hieß: Unternimm nichts, wenn du nicht mußt, und wenn du handeln mußt — dann laß dir Zeit.

Der Erste Sprecher seufzte gedämpft. Das Leben in der alten Universität, von der nicht weit entfernt die Ruinen des Kaiserlichen Palastes ihrer einstigen Grandeur nachbrüteten, gab bisweilen die Frage ein, wie golden diese Regel wirklich sein mochte.

In den Tagen der Großen Plünderung war die Goldene Regel bis zum äußersten strapaziert worden. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, Trantor zu retten, ohne gleichzeitig Seldons Plan zur Errichtung eines Zweiten Imperiums zu opfern. Es wäre gewiß human gewesen, die vierzig Milliarden Menschen vor ihrem schweren Schicksal zu bewahren, aber ihre Rettung hätte gleichzeitig das Kernstück des Ersten Imperiums gerettet, und der errechnete Zeitplan wäre in Verzug geraten. Einige Jahrhunderte später wäre es zu um so gräßlicheren Verheerungen gekommen, und vielleicht wäre jede Aussicht auf ein Zweites Imperium verloren gewesen… Die anfänglichen Ersten Sprecher hatten sich jahrzehntelang mit dem Problem der deutlich vorhersehbaren Plünderung beschäftigt, aber keine Lösung gefunden; keinen Weg, wie sich Trantor schonen und trotzdem die letztendliche Errichtung des Zweiten Imperiums bewerkstelligen ließ. Man mußte das kleinere Übel wählen, und so war das Unheil über Trantor hereingebrochen.

Mit knapper Not war es den Angehörigen der Zweiten Foundation gelungen, als es soweit war, den Komplex Universität/Bibliothek zu schützen, und selbst deswegen hatte man anschließend noch gewisse Schuldgefühle empfinden müssen; allerdings hatte nie jemand dafür den Beweis erbringen können, daß die Rettung von Universität und Bibliothek den kometengleichen Aufstieg des Fuchses verursacht habe. Der Eindruck, daß dazwischen ein Zusammenhang bestand, war jedoch nie ganz aus der Welt geschafft worden.

Fast hätte der Fuchs damals alle Pläne über den Haufen geworfen!

Doch den Jahrzehnten der Plünderung und der Herrschaft des Fuchses folgte das Goldene Zeitalter der Zweiten Foundation.

Bis dahin, im Laufe der ersten zweieinhalb Jahrhunderte nach Seldons Tod, hatte die Zweite Foundation nach Maulwurfsart in der Bibliothek gehaust, denn an erster Stelle aller ihrer Überlegungen stand die Absicht, den Handlangern des Imperiums nicht aufzufallen. In einer im Niedergang begriffenen Gesellschaft, die sich immer weniger um die Galaktische Bibliothek scherte, die im gleichen Maß ständig weniger diesen Namen verdiente, betätigten sie sich als Bibliothekare, und die Bibliothek geriet in eine solche Nichtbeachtung, wie sie den Zwecken der Zweiten Foundation am optimalsten entgegenkam.

Ihre Mitglieder führten ein bescheidenes Leben. Sie sorgten lediglich dafür, daß man den Seldon-Plan nicht vergaß, während fern am Rand der Galaxis die Erste Foundation gegen immer stärkere Gegner um ihre Existenz kämpfte, ohne von der Zweiten Foundation Hilfe zu erhalten, ohne überhaupt genauer über sie Bescheid zu wissen.

Die Große Plünderung war es gewesen, dank der die Zweite Foundation endlich ihre Handlungsfreiheit erhielt, neben anderen einer der Gründe (der junge Gendibal, der Mut besaß, hatte kürzlich gesagt, es habe sich dabei um den hauptsächlichen Grund gehandelt), warum man sie nicht abgewendet hatte.

Nach der Großen Plünderung bestand das Imperium nicht mehr, und in allen nachfolgenden Zeiten hatten die trantorischen Überlebenden das Territorium der Zweiten Foundation nie unaufgefordert betreten. Die Menschen der Zweiten Foundation verstanden es, zu gewährleisten, daß der Komplex von Universität/Bibliothek, der die Plünderung überdauert hatte, auch die Große Erneuerung durchstand. Man sorgte auch für die Erhaltung der Ruinen des Kaiserlichen Palastes. Fast überall auf dem restlichen Planeten war das Metall verschwunden. Die breiten, endlosen Korridore und Stollen waren ver- und zugeschüttet, verworfen, zusammengebrochen, vergessen; alles war bedeckt von Erdreich und Steinen — außer hier, wo noch Metall die uralten Grünzonen umgab.