Man konnte sie als Gedenkstätten der vergangenen Größe betrachten, gewissermaßen als Grabmal des Imperiums, aber für die Trantoraner — oder Hamer, wie sie selbst sich nannten — waren es die Orte, an denen es spukte, an denen es von Geistern und Gespenstern wimmelte, die man am besten in Ruhe ließ. Nur Leute von der Zweiten Foundation betraten die alten Korridore oder setzten ihren Fuß auf den Glanz des Titaniums.
Und trotzdem wäre durch den Fuchs beinahe alles zunichte geworden.
Der Fuchs hatte sich damals auf Trantor festgesetzt. Wenn er nun entdeckt hätte, was auf diesem Planeten in Wirklichkeit vorging? Seine materiellen Waffen waren weit stärker als die gewesen, über die die Zweite Foundation verfügte, seine geistigen Waffen fast vergleichbar stark. Die Zweite Foundation wäre für immer durch die Notwendigkeit behindert worden, nur das tun zu dürfen, was sie unbedingt tun mußte, und von der Einsicht, daß nahezu jede Hoffnung, den aktuellen Kampf zu gewinnen, verbunden wäre mit einer letztendlichen, größeren Niederlage.
Wäre nicht Bayta Darell gewesen… Und auch dabei hatte die Zweite Foundation keine Hilfe geleistet.
Und dann — das Goldene Zeitalter, dessen Erste Sprecher irgendwie Wege zu aktivem Eingreifen gefunden hatten, den Eroberungszug des Fuchses zum Scheitern brachten, am Ende seinen Geist unter ihren Einfluß zwangen; und danach fielen sie der Ersten Foundation in den Arm, nachdem sie aufmerksam geworden war und sich mit allzu aufdringlicher Neugier für Charakter und Identität der Zweiten Foundation interessierte. Da war Preem Palver gewesen, neunzehnter Erster Sprecher und der bedeutendste von ihnen, dem es gelang, aller Gefahr ein für allemal ein Ende zu bereiten — nicht ohne furchtbare Opfer — und die Fortsetzung der Arbeit im Sinne des Seldon-Plans einzuleiten.
Nun existierte die Foundation seit eineinviertel Jahrhunderten wieder so wie einst, versteckt in einem als unheimlich gefürchteten Teil Trantors. Sie verbarg sich diesmal nicht vor den Kujonen des Imperiums, sondern unverändert vor der Ersten Foundation, einer Ersten Foundation, die inzwischen fast so groß war, wie früher das Galaktische Imperium, und ohne Zweifel tüchtiger als das Imperium, was die wissenschaftlich-technischen Errungenschaften betraf.
Dem Ersten Sprecher sanken in der gemütlichen Wärme die Lider herab, und er ging in den Nichts-und-Niemals-Zustand entspannender halluzinatorischer Wahrnehmungen über, die weder ganz Träume waren noch bewußte Gedanken.
Genug vom düsteren Grübeln. Alles würde gut werden. Trantor war noch immer Hauptwelt der Galaxis, denn die Zweite Foundation war hier, und sie war mächtiger und einflußreicher, als selbst irgendein Kaiser es jemals hatte von sich behaupten können.
Sie konnte die Erste Foundation auch weiterhin in Schach halten, sie lenken, und die Erste Foundation würde sich in die korrekte Richtung entwickeln. Wie fabelhaft ihre Raumschiffe und Waffen auch sein mochten, sie blieb machtlos, solange sich ihre wichtigsten Führer unter mentaler Kontrolle befanden.
Und das Zweite Imperium würde kommen, aber keine Ähnlichkeit mit dem Ersten Imperium besitzen. Ein föderatives Imperium sollte es werden, dessen Bestandteile sich durch beträchtliche Souveränität auszeichneten, so daß alle scheinbaren Vorteile und sämtliche tatsächlichen Schwächen einer einheitlichen, zentralisierten Regierungsgewalt fehlten. Das neue Imperium sollte lockerer gegliedert sein, beweglicher, flexibler, daher auch widerstandsfähiger — und immer, immer, immer würden die Männer und Frauen der Zweiten Foundation im verborgenen seine Geschicke lenken. Trantor würde nach wie vor die Hauptwelt sein, mit seinen vierzigtausend Psychohistorikern viel mächtiger, als er es je mit den früheren vierzig Milliarden…
Der Erste Sprecher schrak auf und war sofort hellwach. Die Sonne stand tiefer am Himmel. Hatte er vor sich hingebrabbelt? Hatte er laut gesprochen?
Wenn die Zweite Foundation viel wissen mußte und wenig sagen durfte, hatten die amtierenden Sprecher noch mehr zu wissen und durften um so weniger sagen, und der Erste Sprecher mußte am meisten wissen und durfte am wenigsten sagen.
Er lächelte verzerrt. Es blieb stets eine Versuchung, trantorischer Patriot zu werden, die gesamte Frage des Zweiten Imperiums als eine Sache trantorischer Hegemonie zu sehen. Seldon hatte davor gewarnt; er hatte sogar das vorausgesehen, fünf Jahrhunderte, ehe dergleichen aktuell werden konnte.
Sein Nickerchen hatte nicht lange gedauert. Bis zu Gendibals Ankunft war noch Zeit.
Shandess blickte dieser privaten Unterredung mit großem Interesse entgegen. Gendibal war jung genug, um den ganzen Seldon-Plan unter neuartigen Gesichtspunkten zu betrachten, und scharfsinnig genug, um Dinge erkennen zu können, die anderen verborgen blieben. Und es war nicht ausgeschlossen, daß Shandess aus dem, was der junge Mann zu sagen hatte, einige seiner Einsichten erfahren konnte.
Niemand war sicher, in welchem Umfang Preem Palver — der große Palver selbst — jener Tag genutzt hatte, als der junge Kol Benojam, noch keine dreißig, ihn aufsuchte, um mit ihm ein Privatgespräch über das gegenüber der Ersten Foundation gangbare Vorgehen zu führen. Benojam, in dem man später einen der bedeutendsten Theoretiker seit Seldon selbst erkannte, hatte sich in den Jahren danach nie über die Unterhaltung mit Palver geäußert, aber zu guter Letzt war er einundzwanzigster Erster Sprecher geworden. Manche schrieben statt Palver keinem anderen als Benojam die beachtlichen Errungenschaften unter Palvers Administration zu. Shandess amüsierte sich im stillen beim Gedanken daran, was der junge Gendibal wohl sagen werde. Es grenzte schon an Tradition, daß alle klugen jungen Leute, sobald sie das erste Mal allein mit dem Ersten Sprecher reden durften, ihre ganzen Thesen bereits im ersten Satz zusammenfaßten. Und ebenso stand fest, daß sie keineswegs aus trivialen Gründen um die bedeutsame erste Aussprache ersuchten — nicht wegen irgend etwas, das ihre gesamte künftige Laufbahn verderben konnte, weil es den Ersten Sprecher davon überzeugte, daß er es mit Flachköpfen zu tun hatte.
Als Gendibal vier Stunden später vor ihm stand, zeigte der junge Mann keinerlei Anzeichen von Nervosität. Ruhig wartete er, bis Shandess als erster den Mund aufmachte.
»Sie haben in einer wichtigen Angelegenheit um ein Privatgespräch gebeten, Sprecher«, sagte Shandess. »Könnten Sie mir wohl kurz und klar mitteilen, worum es sich handelt?«
»Erster Sprecher«, antwortete Gendibal gelassen, fast als erzähle er lediglich, was er gegessen habe, »der Seldon-Plan ist vollkommen bedeutungslos.«
18
Stor Gendibal bedurfte keiner Bestätigung durch andere, um in seinem Selbstwertgefühl völlig sicher zu sein. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals keine Klarheit über seine Außergewöhnlichkeit besessen zu haben. Bereits als zehnjähriger Junge war er von einem Agenten, der sein vielseitiges geistiges Potential erkannt hatte, für die Zweite Foundation rekrutiert worden.
Das Studium hatte er bemerkenswert gut absolviert, weil die Psychohistorie auf ihn wirkte wie ein Schwerkraftfeld auf ein Raumschiff. Die Psychohistorie hatte ihn unwiderstehlich angezogen, und er hatte bereitwillig nachgegeben; er las bereits Seldons Grundlagentexte, als andere noch mit Differentialgleichungen zurechtzukommen versuchten.