»Aber was kann’s sein, das diese spezielle Welt so verschieden von den anderen macht?« meinte Pelorat erregt. »Was waren das für herausragende Voraussetzungen?«
»Vielleicht war’s nur reiner Zufall. Immerhin existieren Menschen und die von ihnen mitgenommenen Lebensformen ja heutzutage auf Dutzenden Millionen von Planeten, die alle für Leben geeignet sind, also müssen theoretisch alle diese Welten im Prinzip geeignet gewesen sein.«
»Nein! Das ist ein Fehlschluß! Sobald die menschliche Spezies — und mit ihr viele andere — sich im schweren Kampf ums Überleben abgehärtet, sobald sie Technik entwickelt hatte, da entstand für sie die Möglichkeit, sich jeder Welt anzupassen, solange sie nur ein Mindestmaß an Lebensfreundlichkeit aufweist, wie beispielsweise Terminus. Aber können Sie sich auf Terminus entstandenes intelligentes Leben vorstellen? Als zur Zeit der Enzyklopädisten zum erstenmal Menschen Terminus betraten, da waren dort die höchste pflanzliche Lebensform moosartige Flechten, die auf Felsen wuchsen, das höchstentwickelte tierische Leben waren korallenartige Wesen im Meer, insektenähnliche Flugorganismen auf dem Land. Das haben wir einfach beseitigt und Meer und Land mit Fischen, Kaninchen, Ziegen, Gras, Korn und Bäumen und so weiter bereichert. Vom ursprünglichen Leben haben wir nichts übriggelassen als das, was heute noch in Zoos und Aquarien existiert.«
»Hm«, brummte Trevize.
Pelorat starrte ihn für einen ausgedehnten Moment an, dann seufzte er. »Sie interessieren sich in Wirklichkeit nicht dafür, stimmt’s?« meinte er. »Bemerkenswert! Irgendwie finde ich nie jemanden, den’s interessiert. Ich glaube, es ist mein Fehler. Ich kann es nicht interessant darstellen, wie sehr es auch mich interessiert.«
»Es ist interessant«, sagte Trevize. »Das ist es wirklich. Aber… aber… was ergibt sich aus alledem?«
»Finden Sie nicht, daß es wichtig sein könnte, von wissenschaftlicher Bedeutung, eine Welt zu erforschen, die heimisch das einzige richtig blühende ökologische Gleichgewicht hervorgebracht hat, das man in der Galaxis kennt?«
»Vielleicht, wenn man Biologe ist. Aber sehen Sie, ich bin nun einmal keiner. Haben Sie Nachsicht mit mir!«
»Natürlich, mein Bester. Nur habe ich auch nie einen Biologen getroffen, den es interessiert hätte. Ich habe erwähnt, daß ich zuerst auf Biologie versessen war. Meinem damaligen Professor habe ich meine Gedanken auch vorgetragen, und er fand’s ebensowenig interessant. Er sagte, ich solle mich einem praktischen Problem zuwenden. Das hat mich so angewidert, daß ich mich statt dessen auf Geschichte verlegt habe, und dann bin ich das Problem des Ursprungs von dieser Seite aus angegangen.«
»Aber wenigstens sind Sie dadurch zu einem Beruf gelangt«, sagte Trevize. »Also sollten Sie froh sein, daß Ihr Professor so engstirnig war.«
»Ja, so kann man’s natürlich auch sehen. Und mein Beruf interessiert mich so sehr, daß ich meiner Tätigkeit noch nie überdrüssig geworden bin. Aber ich säh’s gerne, Sie hätten Interesse. Ich bin das Gefühl satt, immer nur Selbstgespräche zu führen.«
Trevize bog den Kopf zurück und lachte herzhaft.
In Pelorats ruhiger Miene ließ sich eine Andeutung von Gekränktsein erkennen. »Warum lachen Sie mich aus?«
»Nicht Sie, Janov«, antwortete Trevize. »Ich habe über meine eigene Dummheit gelacht. Ihnen dagegen bin ich regelrecht dankbar. Wissen Sie, Sie hatten vollkommen recht!«
»Zu sehen, wie bedeutsam das Problem des menschlichen Ursprungs ist?«
»Nein, nein. Nun ja, das auch. Aber eigentlich habe ich gemeint, Sie hatten damit recht, mir zu raten, ich solle nicht mit bewußter Anstrengung über mein Problem nachdenken, sondern mich mit was anderem befassen. Es hat geklappt. Während Sie davon gesprochen haben, wie sich das Leben entwickelt hat, ist mir endlich eingefallen, wie ich die Hypersonde, falls eine an Bord ist, finden kann.«
»Ach, das!«
»Jawohl — das! Im Moment ist das meine Monomanie. Ich habe nach der Hypersonde gesucht, als ob ich mich auf meinem alten Kahn von einem Schulschiff befände, ich habe mir jeden Teil des Raumers mit eigenen Augen angeschaut und mich nach etwas umgesehen, das sich von allem anderen abhebt. Ich hatte vergessen, daß dies Raumschiff ein modernes Produkt einer jahrtausendelangen technischen Entwicklung ist. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
»Nein, Golan.«
»Wir haben einen Computer an Bord. Wie konnte ich das nur vergessen?«
Er winkte mit der Hand und suchte seine Kabine auf, gefolgt von Pelorat, der sich seinem Wink fügte.
»Ich brauche nur versuchen, zu kommunizieren«, sagte er und legte seine Hände auf die Kontaktflächen des Computers.
Es ging darum, Terminus zu erreichen, der nun mehrere tausend Kilometer weit hinter ihnen lag.
Tasten! Verbinden! Ihm war, als wüchsen und verzweigten sich seine Nervenenden, schnellten mit verblüffender Geschwindigkeit hinaus ins All — mit Lichtgeschwindigkeit, natürlich! —, um eine Verbindung herzustellen.
Trevize fühlte eine Berührung — nicht ganz eine Berührung, sondern er spürte etwas; nein, er spürte auch nicht, vielmehr… — doch gleichgültig, es gab dafür kein Wort.
Er hatte die Wahrnehmung, daß sich Terminus in seiner Reichweite befand, und obwohl die Entfernung zwischen Terminus und ihm mit jeder Sekunde um rund zwanzig Kilometer zunahm, kam eine Art von Kontakt zustande, als schwebten Raumschiff und Planet bewegungslos nebeneinander im All, nur durch einen Meter Abstand getrennt.
Er schwieg. Er übermittelte nichts. Ihm lag lediglich daran, das Prinzip der Kommunikation zu testen; er kommunizierte nicht aktiv.
Weit draußen, acht Parsek entfernt, zog Anacreon seine Bahn, der nächste größere Planet — nach galaktischen Maßstäben im Hinterhof der Foundation. Mit dem gleichen Verfahren, das er soeben in bezug auf Terminus angewendet hatte, dorthin eine Nachricht zu übermitteln und eine Antwort zu erhalten, würde — ohne Hypersonde, die als Relais diente — zweiundfünfzig Jahre dauern.
Ertaste Anacreon! Denk an Anacreon! Stell ihn dir so deutlich vor, wie du kannst. Du kennst seine Position im Verhältnis zu Terminus und zum galaktischen Zentrum. Du hast seine Planetographie und Geschichte studiert. Du hast militärische Aufgabenstellungen gelöst, in denen es darauf ankam, Anacreon (unter Voraussetzung des heute undenkbaren Falls, feindliche Streitkräfte hätten ihn besetzt) zurückzuerobern.
Tiefe! Ferne! Du bist auf Anacreon gewesen.
Stell ihn dir vor! Stell ihn dir vor!
Nichts. Die Spitzen seiner Nerven zitterten, verliefen sich im Nirgendwo.
Trevize ließ vom Computer ab. »An Bord der Far Star ist keine Hypersonde, Janov. Ich bin mir völlig sicher. Und hätte ich mich nicht an Ihren Vorschlag gehalten, wer weiß, wie lange ich gebraucht hätte, um das zu klären.«
Pelorat schaffte es, vor Freude zu strahlen, ohne einen Gesichtsmuskel zu verziehen. »Ich bin gewaltig froh, daß ich mich nützlich machen konnte. Heißt das, wir bereiten jetzt den Hypersprung vor?«
»Nein, sicherheitshalber warten wir trotzdem noch zwei Tage lang. Wir müssen auf Entfernung von fremder Masse gehen, wissen Sie noch? Unter normalen Umständen würde ich, bedenkt man, daß ich ein neues Raumschiff fliege, mit dem ich mich überhaupt nicht auskenne, wahrscheinlich zwei Tage brauchen, um die Berechnungen für den Hypersprung durchzuführen, vor allem, was die Hyper-Stoßwelle für den ersten Sprung angeht. Aber ich habe den Eindruck, das alles wird vom Computer erledigt.«
»Herrje! Dann liegt ja noch eine langweilige Wartezeit vor uns, würde ich sagen.«
»Langweilig?« Trevize lächelte breit. »Alles andere als das. Sie und ich, Janov, wir werden uns ausgiebig über die Erde unterhalten.«
»Wirklich?« vergewisserte sich Pelorat. »Möchten Sie einem alten Knaben wie mir eine Freude machen? Das ist nett von Ihnen. Das ist wirklich nett.«
»Unsinn! Ich will mir selbst einen Gefallen tun. Janov, Sie haben mich bekehrt. Im Ergebnis dessen, was Sie mir erzählt haben, ist mir nunmehr vollkommen klar, die Erde ist die wichtigste und hochinteressanteste Angelegenheit im ganzen Universum.«