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»Herrje! Dann liegt ja noch eine langweilige Wartezeit vor uns, würde ich sagen.«

»Langweilig?« Trevize lächelte breit. »Alles andere als das. Sie und ich, Janov, wir werden uns ausgiebig über die Erde unterhalten.«

»Wirklich?« vergewisserte sich Pelorat. »Möchten Sie einem alten Knaben wie mir eine Freude machen? Das ist nett von Ihnen. Das ist wirklich nett.«

»Unsinn! Ich will mir selbst einen Gefallen tun. Janov, Sie haben mich bekehrt. Im Ergebnis dessen, was Sie mir erzählt haben, ist mir nunmehr vollkommen klar, die Erde ist die wichtigste und hochinteressanteste Angelegenheit im ganzen Universum.«

22

Anscheinend war von Trevize gerade erst begriffen worden, daß Pelorat kurz zuvor seine Ansichten über die Erde dargelegt hatte.

Nur weil sein Verstand so stark vom Problem der Hypersonde in Anspruch genommen gewesen war, hatte er nicht sofort darauf reagiert. Doch sobald das Problem gelöst war, erfolgte seine Reaktion.

Das am häufigsten wiederholte Zitat Hari Seldons war vermutlich seine Äußerung, die Zweite Foundation befände sich, von Terminus aus gesehen, ›am entgegengesetzten Ende der Galaxis‹. Seldon hatte sogar einen Namen genannt. Sie solle sich auf ›Star’s End‹ befinden.

Das Zitat war in Gaal Dornicks Schilderung der Verhandlung vor dem Gerichtshof des Imperiums enthalten; jenen Tag betrachtete man seither in der Foundation als den Beginn der Foundationsära, den ersten Tag des Jahres 1 F. Ä. ›Am entgegengesetzten Ende der Galaxis‹ — genau diese Formulierung hatte Hari Seldon benutzt.

Von Dornicks Lebzeiten an war ihre Bedeutung immer zweifelhaft geblieben und debattiert worden. Was nämlich sollte es denn sein, was die Galaxis mit ihrem ›entgegengesetzten Ende‹ verband? Eine gerade Linie, eine Spirale, ein Kreis, oder was?

Und nun kam es Trevize plötzlich sonnenklar vor, daß keine Linie oder Kurve es war, die durch die Karte der Galaxis gezogen werden konnte oder sollte. Die Sache verhielt sich viel subtiler.

Außer Zweifel stand, daß es sich beim einen Ende der Galaxis um Terminus handelte. Dessen Position war am Rand der Galaxis, und das verlieh dem Wörtchen ›Ende‹ eine buchstäbliche Bedeutung. Zugleich jedoch war Terminus zur Zeit Hari Seldons die neueste bewohnbare Welt gewesen, ein Planet, dessen Gründerjahre in Kürze erst beginnen sollten, der bis dahin als Siedlerwelt gar nicht existiert hatte.

Was mochte im Licht dieser Betrachtungsweise das ›entgegengesetzte Ende der Galaxis‹ sein? Nun, warum nicht die älteste Welt in der Galaxis? Und den Argumenten zufolge, die Pelorat vorgetragen hatte — ohne zu ahnen, was er damit unterbreitete —, konnte dafür nur die Erde in Frage kommen. Einiges sprach für die Möglichkeit, daß die Zweite Foundation auf der Erde saß.

Seldon hatte gesagt, die Zweite Foundation sei auf ›Star’s End‹ zu finden. Aber wer wollte ausschließen, daß er sinnbildlich gesprochen hatte? Verfolgte man die Geschichte der Menschheit zurück, so wie Pelorat es getan hatte, erstreckte sich eine Linie von jedem Planetensystem, von jeder Sonne, die auf eine bewohnte Welt schien, zu einem anderen Stern, einem anderen Planetensystem, von dem Siedler gekommen waren, von dort wiederum zurück nach einem anderen Sonnensystem, und so fort — bis schließlich alle Linien sich auf dem Planeten vereinten, auf dem die Menschheit ihren Ursprung genommen hatte. Die Sonne, die die Erde beschien, war ›Star’s End‹.

Trevize lächelte. »Erzählen Sie mir mehr über die Erde, Janov«, bat er fast liebevoll.

Pelorat schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen schon alles erzählt, was man darüber weiß, das können Sie mir glauben. Auf Trantor werden wir mehr erfahren.«

»Nein, das werden wir nicht, Janov«, erwiderte Trevize. »Wir werden dort nichts erfahren. Und was meinen Sie, warum nicht? Weil wir nicht nach Trantor fliegen. Ich habe die Kontrolle über dies Raumschiff, und ich versichere Ihnen, wir fliegen nicht nach Trantor.«

Pelorats Unterkiefer sackte herab. Einen Moment lang schnappte er nach Luft. »Aber mein Bester!« stieß er dann betroffen hervor.

»Kommen Sie. Janov«, sagte Trevize, »machen Sie nicht so ein Gesicht! Wir wollen doch die Erde finden.«

»Aber wir können nur auf Trantor…«

»Nein, nicht. Trantor ist nicht mehr als irgendein Planet, wo Sie brüchige alte Filme und staubige alte Dokumente studieren können und dabei selber verstauben und morsch werden können.«

»Seit Jahrzehnten träume ich davon…«

»Sie haben davon geträumt, die Erde zu finden.«

»Aber nur auf…«

Trevize stand auf, beugte sich vor und packte Pelorat vorn an der Kleidung. »Wiederholen Sie’s nicht, Professor«, sagte er. »Wiederholen Sie’s nicht noch einmal! Als Sie mir erzählten, daß wir die Erde suchen würden, noch bevor wir an Bord gegangen sind, haben Sie gesagt, Sie seien sicher, wir würden sie finden, weil Sie — um’s in Ihrer Ausdrucksweise zu sagen — ›eine glänzende Möglichkeit‹ wüßten. Und jetzt möchte ich, daß Sie nie wieder den Namen ›Trantor‹ in den Mund nehmen. Ich möchte, daß Sie mir alles über diese ›glänzende Möglichkeit‹ erzählen.«

»Aber meine Annahmen müssen erst einmal bestätigt werden! Bis jetzt handelt’s sich bloß um eine Idee, eine Hoffnung, eine bislang nur vage Möglichkeit!«

»Gut, gut! Erzählen Sie!«

»Sie verstehen das nicht. Sie verstehen das alles ganz einfach nicht. Das ist kein Gebiet, mit dem nur ich mich beschäftigt habe. Es gibt keine historischen Fakten, keine übereinstimmenden Forschungen, nichts von realem Wert. Die Leute reden über die Erde, als sei sie eine Tatsache, aber gleichzeitig wie über einen Mythos. Eine Million widersprüchlicher Geschichten kursieren…«

»Na schön, und woraus haben Ihre Forschungen bestanden?«

»Ich bin gezwungen gewesen, alle diese Geschichten zu sammeln, jedes kleine bißchen angeblicher Historie, jede Legende, jeden nebulösen Mythos. Jede Fiktion. Alles, was den Namen Erde enthält oder den Gedanken einer Welt des Ursprungs. Dreißig Jahre lang habe ich das alles zusammengetragen, alles was ich in dieser Beziehung auftreiben konnte, von jedem Planeten der Galaxis. Wenn ich nun irgendwelche verläßlicheren Unterlagen in der Galaktischen Bibliothek auf… Aber Sie wollen den Namen ja nicht mehr hören.«

»Richtig. Schlucken Sie ihn runter! Erzählen Sie mir statt dessen von den Punkten, die Ihre Aufmerksamkeit erregt haben, sagen Sie mir die Gründe, warum ausgerechnet sie von allem so bedeutsam sein sollen.«

Pelorat schüttelte den Kopf. »Golan, entschuldigen Sie, wenn ich so offen rede, aber Sie sprechen wie ein Soldat oder ein Politiker. So geht Historie nun einmal nicht vor sich.«

Trevize holte tief Luft und nahm alle Geduld zusammen. »Dann verraten Sie mir, wie’s geht, Janov! Wir haben noch zwei Tage Zeit. Klären Sie mich gründlich auf!«

»Man kann sich nicht auf einen Mythos stützen, auch nicht auf mehrere. Ich mußte, wie erwähnt, erst einmal alles sammeln, dann analysieren, nach Gruppen ordnen, Symbole für ihre verschiedenen inhaltlichen Aspekte festsetzen — für Geschichten von unwahrscheinlichem Wetter, astronomische Details von Planetensystemen, die von den tatsächlich existenten Verhältnissen abweichen, für die Herkunft von eindeutig nicht-heimischen Kultgestalten… und buchstäblich Hunderte von weiteren Punkten. Es hat keinen Zweck, hier alle aufzuführen. Dafür würden auch zwei Tage nicht reichen. Ich habe dreißig Jahre gebraucht, wie gesagt. Dann habe ich ein Computerprogramm erarbeitet, das alle diese Mythen nach gemeinsamen Komponenten durchsiebt und eine Transformation vorgenommen hat, durch die alle tatsächlichen Unmöglichkeiten ausgeschlossen worden sind. Nach und nach bin ich mit diesem Verfahren zu einem Modell davon gelangt, wie die Erde gewesen sein muß. Wenn alle Menschen nämlich ihren Ursprung auf einem einzigen Planeten gehabt haben sollen, dann muß dieser eine Planet das eine Faktum umfassen, das allen Geschichten um Kultgestalten, allen Ursprungsmythen gemeinsam ist. Naja, Sie möchten sicher nicht, daß ich in mathematische Einzelheiten gehe.«