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»Schreiben Sie nur darauf ›Sprecherhaus, Apartment 27‹, und er wird mich erreichen. Aber jetzt muß ich mich verabschieden. Novi.«

Wieder verbeugte er sich, und erneut gab sie sich alle Mühe, sein Verhalten nachzuahmen. Sie entfernten sich in entgegengesetzten Richtungen, und prompt vergaß Gendibal sie im Handumdrehen. Statt dessen dachte er an die Sitzung der Tafel der Sprecher und ganz besonders an Sprecherin Delora Delarmi. Seine Gedanken waren alles andere als freundlich.

Achtes Kapitel

Farmerin

26

Die Sprecher saßen um ihre Tafel; in ihrer mentalen Abschirmung wirkten sie wie von plötzlicher Leblosigkeit befallen. Es war, als hätten sie aufgrund einer Verabredung unvermittelt alle gleichzeitig ihr Bewußtsein abgeschirmt, um zu verhindern, daß sie den Ersten Sprecher, nachdem er seine Erklärung bezüglich Trevizes abgegeben hatte, unverzeihlich beleidigten. Verstohlen schielten sie die Delarmi an, und das besagte schon allerhand. Sie war von allen am meisten für ihre Respektlosigkeit bekannt; selbst Gendibal legte der Konvention mehr Lippenbekenntnisse ab als sie.

Delarmi bemerkte die Blicke und sah ein, daß sie keine Wahl hatte, sie mußte sich dieser unmöglichen Situation stellen. Und da es nun einmal so war, wollte sie die Sache keinesfalls unter die Tafel kehren.

In der ganzen Geschichte der Zweiten Foundation hatte man noch keinen Ersten Sprecher der Fehlanalyse beschuldigt (hinter diesem Begriff, den sie zur Beschönigung ersonnen hatte, stand unausgesprochen Inkompetenz). Nun war so eine Anklage möglich geworden. Sie hatte nicht die Absicht, vor irgend etwas zurückzuschrecken.

»Erster Sprecher«, sagte sie leise, und ihre schmalen, farblosen Lippen zeichneten sich in der allgemeinen Blässe ihres Gesichts durch noch stärkere Fast-Unsichtbarkeit als sonst aus, »Sie sagen selbst, Ihre Meinung steht auf keiner konkreten Grundlage, daß die psychohistorische Mathematik nichts derartiges anzeigt. Fordern Sie uns auf, einen Entschluß von entscheidender Bedeutung anhand eines mystischen Fühlens zu fällen?«

Der Erste Sprecher blickte auf, die Stirn zerfurcht. Er war sich der allgemeinen mentalen Abschirmung an der Tafel bewußt. Er besaß volle Klarheit darüber, was das hieß. »Ich habe den Mangel an Beweisen nicht verschwiegen«, sagte er kühl. »Ich unterbreite hier nichts Zurechtgemachtes. Was ich vorzuweisen habe, ist das starke intuitive Gefühl eines Ersten Sprechers, der sich auf jahrzehntelange Erfahrungen berufen kann, der fast ein Lebensalter mit der gründlichen Analyse des Seldon-Planes verbracht hat.« Er ließ seinen Blick mit Förmlichkeit und Stolz, wie er sie nur selten zeigte, durch die Runde schweifen, und einer um den anderen ließen die Sprecher die Mentalabschirmung abschwächen und schließlich fallen, Delarmi (als er sie anschaute) als letzte.

»Selbstverständlich nehme ich Ihre Stellungnahme bereitwillig zur Kenntnis, Erster Sprecher«, sagte sie mit entwaffnender Aufrichtigkeit, die ihr gesamtes Bewußtsein erfüllte, als hätte es darin nie etwas anderes gegeben. »Nichtsdestoweniger halte ich es keineswegs für unvorstellbar, daß Sie die Angelegenheit vielleicht ein zweites Mal durchdenken möchten. Wenn Sie nun darüber nachdenken, zumal Sie ohnehin Scham über Ihren Rückfall in die Intuition zum Ausdruck gebracht haben, wäre es Ihnen da nicht lieber, Ihre Ausführungen würden aus dem Protokoll gelöscht…? Sicher, falls sie nach Ihrer Ansicht…«

Da unterbrach Gendibals Stimme sie. »Was sind das für Ausführungen, die aus dem Protokoll gelöscht werden sollen?«

Alle Augenpaare wandten sich gleichzeitig ihm zu. Wäre im entsprechenden Moment nicht ihre Mentalabschirmung benutzt gewesen, hätten sie sein Kommen bemerkt, lange ehe er an der Tür stand.

»Hat eben allgemeine Mentalabschirmung geherrscht?« meinte Gendibal sardonisch. »Niemand hat gespürt, daß ich unterwegs bin? Was für eine routinierte Sitzung der Tafel der Sprecher wir hier haben. Hat niemand darauf geachtet, ob ich noch komme? Oder haben alle Anwesenden sich darauf verlassen, daß ich auf jeden Fall ausbleibe?«

Sein Auftreten war ein flagranter Verstoß gegen alle Umgangsformen. Daß Gendibal zu spät kam, war schlimm genug; daß er unangekündigt eintrat, war noch schlimmer. Am allerschlimmsten jedoch war die Tatsache, daß er den Mund aufmachte, bevor der Erste Sprecher ihn ordnungsgemäß zur Teilnahme an der Sitzung aufforderte.

Der Erste Sprecher wandte sich ihm zu. Alles andere rückte nun in den Hintergrund. Die Frage der Disziplin stand an erster Stelle.

»Sprecher Gendibal«, sagte Shandess, »Sie kommen zu spät. Sie platzen formlos herein. Sie reden drauflos. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Sie nicht für dreißig Tage von der Tafel der Sprecher ausgeschlossen werden sollten?«

»Selbstverständlich. Ein Beschluß in bezug auf meine etwaige Suspendierung sollte keineswegs beraten werden, ehe hier darüber gesprochen worden ist, wer es war, der dafür gesorgt hat, daß ich zu spät kommen mußte, und warum.« Gendibal sprach in unterkühltem, gemessenem Tonfall, aber in seinem Bewußtsein verdunkelten Wolken des Zorns seine Gedanken. Doch es war ihm gleichgültig, ob jemand es merkte.

Die Delarmi spürte es ohne Zweifel. »Der Mann ist wahnsinnig«, sagte sie mit Nachdruck.

»Wahnsinnig?« wiederholte Gendibal. »Ich? Wahnsinn von dieser Frau, so etwas zu behaupten. Oder es geschieht aus Schuldbewußtsein. Erster Sprecher, ich wende mich an Sie und berufe mich auf das persönliche Privileg, in eigener Sache sprechen zu dürfen.«

»Worum handelt es sich, Sprecher?«

»Erster Sprecher, ich beschuldige jemanden hier des Mordversuchs.«

Im Sitzungsraum brach ein Entrüstungssturm los, als alle Sprecher und Sprecherinnen aufsprangen und in ein heilloses Durcheinander von mündlicher, mimischer und mentaler Diskussion verfielen.

Der Erste Sprecher hob die Arme. »Der Sprecher muß Gelegenheit erhalten«, rief er, »das persönliche Privileg des Vortrags in eigener Sache wahrnehmen zu können.« Er sah sich dazu gezwungen, auf mentaler Ebene seine Autorität mit einer Deutlichkeit auszuspielen, wie sie in diesem Kreis wenig wünschenswert war — aber er hatte keine andere Wahl.

Der Wirrwarr verebbte.

Gendibal wartete ungerührt, bis sowohl akustisch wie auch mental vollkommene Ruhe eingetreten war, ehe er weitersprach. »Auf dem Rückweg zur Universität«, sagte er, »auf einer hamischen Landstraße, in einer Entfernung und mit einer Geschwindigkeit, die ohne weiteres mein pünktliches Eintreffen gewährleistet hätten, haben mich mehrere Farmer aufgehalten, und nur mit knapper Not bin ich nicht zusammengeschlagen worden, und vielleicht hätte man mich umgebracht. Wie die Dinge sich entwickelt haben, hat sich jedoch lediglich eine Verspätung ergeben, und ich bin soeben eingetroffen. Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß ich seit den Zeiten der Großen Plünderung keinen Fall wüßte, daß ein Zweitfoundationist von den Hamer respektlos behandelt worden ist, geschweige denn sogar mißhandelt.«

»Dergleichen ist auch mir unbekannt«, sagte der Erste Sprecher.

»Normalerweise laufen Zweitfoundationisten nicht allein im Hamer-Territorium herum«, rief die Delarmi. »Mit so etwas provozieren Sie solche Vorfälle ja regelrecht.«

»Es stimmt, es ist meine Gewohnheit«, sagte Gendibal, »allein im Hamer-Territorium herumzulaufen. Viele hundert Mal habe ich mich in jede erdenkliche Richtung bewegt. Aber nie vorher hat mich jemand belästigt. Andere bewegen sich nicht mit der Freizügigkeit, wie ich es halte, aber niemand hier betrachtet sich als von der übrigen Welt ausgeschlossen, keiner sperrt sich in der Universität ein, und niemals ist irgend jemand von uns belästigt worden. Ich kann mich entsinnen, daß Delarmi…« Und da, als erinnere er sich nachträglich des Titels, verwandelte er ihn in eine tödliche Beleidigung. »Ich wollte sagen, ich kann mich entsinnen, daß auch Sprecherin Delarmi gelegentlich das Hamer-Territorium aufgesucht hat, und sie ist auch unbehelligt geblieben.«