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»Für die Tafel der Sprecher sind Sie die erkannte, akute Gefahr, Sprecher Gendibal… Nein, nein, hören Sie mir zu! Das betreffende Gesetz beruht auf der Annahme, daß nichts wichtiger sein kann als das sofortige Eingreifen im Falle der Möglichkeit, unter den Sprechern könnte sich Korruption oder der Mißbrauch von Macht breitmachen.«

»Aber ich bin weder des einen schuldig noch des anderen, Erster Sprecher, das wissen Sie sehr gut. Hier dreht’s sich um einen persönlichen Racheakt von Sprecherin Delarmi. Wenn Machtmißbrauch vorliegt, dann zweifelsfrei ihrerseits. Mein Verbrechen besteht bloß daraus, daß ich mich nie bemüht habe, mich beliebt zu machen — das gebe ich gerne zu —, und daß ich nie viel Aufmerksamkeit für Narren übrig gehabt habe, die alt genug sind, um senil zu sein, aber noch jung genug, um Macht zu besitzen.«

»So wie ich, Sprecher?«

Gendibal seufzte. »Da sehen Sie’s, wieder habe ich nicht aufgepaßt! Ich beziehe mich keineswegs auf Sie, Erster Sprecher. Na schön, dann wollen wir die Verhandlung wenigstens sofort durchziehen. Schon morgen. Noch besser wär’s heute. Wir sollten diesen Blödsinn hinter uns bringen und uns dann mit dem Fall Trevize befassen. Wir können es nicht wagen, zu warten.«

»Sprecher Gendibal«, sagte der Erste Sprecher, »ich glaube, Sie begreifen die Lage wirklich nicht. Es sind schon früher solche Anklagen beschlossen worden — nicht viele, nur zwei. Keine davon hat tatsächlich zu einer Amtsenthebung geführt. Bei Ihnen jedoch ist eine Absetzung unabwendbar. Danach werden Sie kein Mitglied an der Tafel der Sprecher mehr sein und in der offiziellen Politik nichts mehr zu sagen haben. Sie werden nicht einmal mehr das Stimmrecht in der Allgemeinen Jahresversammlung ausüben dürfen.«

»Und Sie wollen nichts dagegen unternehmen?«

»Ich kann nicht. Man würde mich einmütig überstimmen, und ich wäre zum Rücktritt gezwungen, und das würden so manche Sprecher nur zu gerne sehen.«

»Und die Delarmi würde zum Ersten Sprecher aufsteigen?«

»Das ist recht wahrscheinlich.«

»Aber das darf auf keinen Fall geschehen!«

»Richtig! Eben aus diesem Grund muß ich für Ihre Amtsenthebung stimmen.«

Gendibal holte tief Luft. »Trotzdem verlange ich eine umgehende Verhandlung.«

»Sie brauchen Zeit, um sich auf Ihre Verteidigung vorzubereiten.«

»Was für eine Verteidigung? Man wird ohnehin keiner Verteidigung irgendwelche Beachtung schenken. Ich bestehe auf sofortiger Verhandlung!«

»Die Tafel braucht Zeit, um die Anklage vorzubereiten.«

»So eine Vorbereitung ist unnötig, und es wird keine stattfinden. Insgeheim haben diese Leute mich längst verurteilt, und mehr halten sie nicht für erforderlich. Es ist doch eine Tatsache, daß sie selbst mich lieber morgen als übermorgen abgeurteilt sähen, lieber heute als morgen. Tun Sie Ihnen den Gefallen!«

Der Erste Sprecher stand auf. Über den Tisch hinweg musterten sich die beiden Männer. »Weshalb haben Sie’s so eilig?« wollte der Erste Sprecher erfahren.

»Der Fall Trevize kann nicht warten.«

»Sobald Sie des Amtes enthoben sind und ich mich gegenüber dem ganzen Rest der Tafel in stark geschwächter Position befinde, was sollte dann noch zu erreichen sein?«

»Machen Sie sich keine Sorgen«, erwiderte Gendibal. »Trotz allem wird es nicht gelingen, mich zu verurteilen.«

Neuntes Kapitel

Hyperraum

31

»Sind Sie bereit, Janov?« fragte Trevize.

Pelorat schaute aus dem Buch auf, in dem er las. »Sie meinen, für den Sprung, mein Bester?« vergewisserte er sich.

»Für den Hyperraumsprung, ja.«

Pelorat schluckte. »Ich bin mir nicht sicher, ob mir nicht doch ziemlich mulmig zumute ist. Ich weiß, es ist dumm von mir, beunruhigt zu sein, aber die Vorstellung, in körperlose Tachyonen verwandelt zu werden, die noch nie jemand gesehen oder gemessen hat, ist mir…«

»Hören Sie auf, Janov, es kann gar nichts schiefgehen. Mein Wort drauf! Der Hypersprung ist seit zwanzigtausend Jahren gebräuchlich, und ich habe nie von einem Unfall im Hyperraum gehört. Man kann den Hyperraum in einer gefährlichen Gegend verlassen, ja, richtig, aber dann ereignet sich ein eventuelles Unglück im Normalraum, nicht während wir aus Tachyonen bestehen.«

»Ein schwacher Trost, finde ich.«

»Wir werden keinen Fehlsprung machen. Um ehrlich zu sein, ich habe daran gedacht, den Sprung durchzuführen, ohne Ihnen überhaupt etwas zu sagen, so daß Sie nichts gemerkt hätten. Aber ich hatte das Gefühl, es sei besser, Sie erleben’s bewußt mit, damit Sie sehen, daß dieser Vorgang völlig unproblematisch ist, und in Zukunft gar nicht weiter darauf achten.«

»Naja…«, meinte Pelorat voller Zweifel. »Vermutlich haben Sie recht, aber ehrlich gesagt, ich hab’s nicht eilig.«

»Ich versichere Ihnen…«

»Nein, nein, mein Bester. Ich nehme Ihnen alle Ihre Versicherungen vorbehaltlos ab. Bloß, ich… Haben Sie jemals ›Santerestil Matt‹ gelesen?«

»Natürlich. Ich bin nicht völlig ungebildet.«

»Sicherlich. Sicherlich. Ich hätte nicht fragen sollen. Erinnern Sie sich noch daran?«

»Ich leide auch nicht an Gedächtnisschwäche.«

»Anscheinend habe ich wirklich ein Talent zum Anecken. Alles, was ich sagen wollte, ist eigentlich nur, ich muß immer wieder an die Szenen denken, als Santerestil und sein Freund Ban gerade vom Planeten 17 entkommen sind und sich im Weltraum verirrt haben. Ich meine, ich denke an diese nahezu hypnotisch faszinierenden Szenen zwischen den Sternen, wie sie in tiefem Schweigen träge dahinschweben, inmitten von Unveränderlichkeit, mitten in… Wissen Sie, ich hab’s nie richtig geglaubt. Es hat mir gefallen, ich war davon gerührt, aber geglaubt habe ich’s nicht. Aber jetzt, nachdem ich mich daran gewöhnt habe, im Weltraum zu sein, das alles selbst erlebe und… Sehen Sie, es ist albern von mir, aber… am liebsten hätte ich’s nie wieder anders. Mir ist, als wäre ich Santerestil…«

»Und ich Ban«, sagte Trevize mit andeutungsweiser Ungeduld.

»Gewissermaßen, ja. Die paar verstreuten, schwachen Sterne da draußen bleiben bewegungslos, ausgenommen unsere Sonne, natürlich, die zurückfällt, schrumpft, aber wir können davon nichts sehen. Die Galaxis bewahrt unverändert ihren trüben majestätischen Glanz. Der Weltraum ist still, und ich habe keinerlei Zerstreuung…«

»Außer mir.«

»Außer Ihnen. Aber mit Ihnen über die Erde zu plaudern, Golan, Ihnen ein bißchen prähistorische Geschichte zu vermitteln, das ist mir auch eine Art von Vergnügen, mein Bester. Auch das möchte ich nicht so bald wieder vermissen.«

»Dazu wird’s auch nicht kommen. Jedenfalls nicht bald. Sie nehmen doch wohl nicht an, wir führen den Sprung durch und landen sofort auf der Oberfläche eines Planeten, oder? Der Hypersprung beansprucht zwar keine meßbare Zeitspanne, aber wir werden uns danach noch immer im All befinden. Es kann noch gut eine Woche dauern, bis wir tatsächlich landen, also bleiben Sie ganz locker.«

»Sie meinen doch nicht, auf Gaia landen? Nach dem Hypersprung werden wir kaum irgendwo in der Nähe von Gaia sein.«

»Das weiß ich, Janov, aber wir werden im richtigen Sektor angelangt sein, falls Ihre Informationen stimmen. Falls nicht, tja, dann…«

Mißmutig schüttelte Pelorat den Kopf. »Was soll’s uns helfen, im richtigen Sektor zu sein, solange wir Gaias Koordinaten nicht kennen?«

»Janov, stellen Sie sich mal vor, Sie sind auf Terminus«, sagte Trevize, »und möchten nach Argyropol, wissen aber nicht mehr, als daß diese Ortschaft sich irgendwo an der Landenge befindet. Sobald Sie an der Landenge sind, was würden Sie dann tun?«