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»Und warum soll das so beunruhigend sein?« Das Gesicht der Delarmi sah regelrecht engelhaft unschuldig aus, als sie diese Frage stellte. »Ihr Ausbleiben kann doch keinen größeren Nachteil für uns bedeuten. Vielmehr dürfen wir, da sie uns so leichthin außer acht lassen, sehr wohl schlußfolgern, daß Sie sich über die wahre Wichtigkeit Trantors nicht im klaren sind, und das ist nichts als ein weiterer Anlaß, das Werk Preem Palvers zu loben.«

»Wären wir tatsächlich dazu außerstande, weitergehende Überlegungen anzustellen«, antwortete Gendibal, »könnten wir zu so simplen, beruhigenden Lösungen gelangen. Aber ist es nicht möglich, daß die Kursänderung nicht durch Uneinsichtigkeit in die wahre Bedeutung Trantors erklärbar ist? Ist es nicht vielmehr denkbar, daß sie auf die Sorge zurückgeht, auf Trantor könne man durch diese beiden Männer etwas über die Wichtigkeit der Erde erfahren?«

Rund um die Tafel war Bewegung zu bemerken.

»Jeder kann Spekulationen erfinden, die gescheit klingen, und sie in wohlgesetzte Redensarten kleiden«, sagte die Delarmi frostig. »Aber hält so was einer näheren Begutachtung stand? Warum sollte jemand etwas darum geben, was die Zweite Foundation von der Erde denkt?

Ob sie nun wirklich der Planet des Ursprungs ist, oder nur ein Mythos, oder ob sowieso nie eine Welt des Ursprungs existiert hat, das ist doch wohl etwas, wofür sich allenfalls ein paar Historiker, Anthropologen und Folkloreforscher interessieren, jemand wie dieser Pelorat. Weshalb sollte uns das was angehen?«

»Tja, weshalb?« entgegnete Gendibal. »Wie kommt’s dann, daß die Bibliothek keine Angaben über die Erde enthält?«

Zum erstenmal ließ sich an der Tafel etwas anderes als pure Feindseligkeit in der Stimmung der Anwesenden verspüren.

»Enthält sie keine?« fragte die Delarmi zurück.

»Als ich erstmals erfuhr«, sagte Gendibal ziemlich gelassen, »daß Trevize und Pelorat nach Trantor kommen könnten, um hier nach Informationen, die die Erde betreffen, zu suchen, habe ich selbstverständlich sofort vom Bibliothekscomputer eine Liste der Dokumente angefordert, die solche Informationen enthalten. Es hat gewisses Interesse in mir ausgelöst, als dabei überhaupt nichts zum Vorschein kam. Nicht etwa nur wenig. Keineswegs bloß so gut wie nichts. Nein, buchstäblich gar nichts! Dann haben Sie darauf bestanden, daß zwei Tage ungenutzt verstreichen, bevor diese Verhandlung stattfinden konnte, und zur gleichen Zeit ist meine Neugier dadurch verstärkt worden, daß sich ergeben hat, die Erstfoundationisten kommen nun doch nicht nach Trantor. In diesen zwei Tagen mußte ich mir irgendwie die Zeit vertreiben. Als der Rest von Ihnen, wie das Sprichwort sagt, auf der faulen Haut lag und sich offensichtlich außerstande sah, irgendwelche Schlüsse aus der Situation zu ziehen, habe ich einige Geschichtsbücher durchgearbeitet, die sich in meinem Privatbesitz befinden. Dabei bin ich auf mehrere Passagen gestoßen, die sich besonders mit einigen Untersuchungen über das ›Problem des Ursprungs‹ in der Ära des alten Imperiums befassen. Gewisse Dokumente, sowohl Filme wie auch Druckwerke, werden darin genannt, und es wird daraus zitiert. Daraufhin habe ich die Bibliothek persönlich aufgesucht und nach diesen Dokumenten geforscht. Ich versichere Ihnen, es ist nichts zu finden. Absolut nichts! Haben Sie dafür eine Erklärung?«

»Selbst wenn das stimmt«, sagte die Delarmi, »muß das nicht unbedingt überraschend sein. Falls die Erde tatsächlich nichts als ein Mythos ist…«

»Aber das ist doch naiv! Dann müßte ich etwas unter dem Stichwort Mythologie finden. Wäre sie nur in Geschichten von Großmutter Raumfalte enthalten, müßte ich etwas über sie in den Gesammelten Märchen von Großmutter Raumfalte finden können. Wäre sie bloß eine Idee, die einem kranken Hirn entsprungen ist, hätte ich unter Psychopathologie etwas entdecken müssen. Tatsache ist doch, daß irgend etwas über die Erde existieren muß, andernfalls wüßten wir ja nichts von ihr, und niemand hier hätte, als ich sie erwähnt habe, sofort erkannt, daß die Rede von der mutmaßlichen Ursprungswelt der Menschheit ist. Wie kommt es also, daß sich nirgends in der Bibliothek etwas über die Erde finden läßt?«

Die Delarmi schwieg erstmals, und da meldete sich ein anderer Sprecher zu Wort. Es war Leonis Cheng, ein ziemlich kleinwüchsiger Mann mit enzyklopädischem Wissen um den Seldon-Plan — bis in die geringfügigsten Details —, aber reichlich kurzsichtiger Haltung in bezug auf die Realitäten in der Galaxis. Er neigte dazu, beim Reden hektisch zu zwinkern.

»Es ist wohlbekannt«, sagte er, »daß das Imperium in seiner Endzeit versucht hat, eine imperiale Mystik in die Welt zu setzen, indem man sich bemühte, jedes Interesse an vorimperialen Zeiten zu dämpfen.«

Gendibal nickte. ›»Dämpfen‹ ist genau das richtige Wort, Sprecher Cheng. Das ist keineswegs das gleiche wie eine Vernichtung von Dokumenten. Wie Sie besser als jeder andere wissen dürften, zählte zu den Eigentümlichkeiten, die beim Niedergang des Imperiums auftraten, ein plötzliches Interesse an vergangenen, angeblich schöneren Zeiten. Ich habe vorhin vom Interesse am ›Problem des Ursprungs‹ zu Lebzeiten Hari Seldons gesprochen.«

Cheng unterbrach ihn mit einem hörbaren Räuspern. »Das weiß ich sehr wohl, junger Mann, und ich kenne mich mit den sozialen Phänomenen während der Zerrüttungsphase des Imperiums viel genauer aus, als Sie meinen. Der Prozeß der ›Imperialisierung‹ hat allen diesen dilettantischen Spekulationen bezüglich der Erde ein Ende bereitet. Unter Cleon II. als das Imperium seine letzte Blüte hatte, zwei Jahrhunderte nach Seldon, erreicht diese ›Imperiumstümelei‹ ihren Höhepunkt, und die Frage der Erde war glattweg verpönt. Zu Cleons Zeit kam dazu sogar eine Direktive heraus, die dem Interesse an solchen Dingen galt und in der — und ich glaube, ich kann korrekt zitieren — es heißt, derartige ›abgeschmackte und sinnlose Spekulationen begünstigen tendenziell eine Unterminierung der Liebe zum Thron des Imperiums‹.«

Gendibal lächelte. »Dann würden Sie die Vernichtung aller die Erde betreffenden Dokumente in die Epoche Cleons II. datieren, Sprecher Cheng?«

»Ich ziehe keine Schlußfolgerungen. Ich habe nur ausgesprochen, was es zu diesem Thema festzuhalten gilt.«

»Es ist klug von Ihnen, keine Schlußfolgerungen zu ziehen. Mag sein, daß das Imperium sich zur Zeit Cleons II. in einer letzten Blüteperiode befand, aber die Universität Trantors und die Galaktische Universität waren bereits in unserer Hand, oder jedenfalls der unserer Vorgänger. Es wäre schon damals unmöglich gewesen, ohne Kenntnis des Ersten Sprechers der Zweiten Foundation irgendwelches Material aus der Bibliothek zu entfernen. In der Tat wäre es die Aufgabe des Ersten Sprechers persönlich gewesen, so etwas zu veranlassen, obwohl man davon im heruntergekommenen Imperium natürlich nichts wissen konnte.«

Gendibal legte eine Pause ein, aber Cheng blickte über ihn hinweg und schwieg.

»Daraus ergibt sich«, erläuterte Gendibal weiter, »daß man das Material über die Erde nicht zu Lebzeiten Hari Seldons aus der Bibliothek entfernt haben kann, denn damals hat man sich mit dem ›Problem des Ursprungs‹ eifrig beschäftigt, aber es kann auch nicht später weggekommen sein, weil da bereits die Zweite Foundation die Bibliothek unter ihrer Obhut hatte. Trotzdem ist heute nichts davon mehr in der Bibliothek auffindbar. Wie ist das möglich?«

»Sie können endlich damit aufhören, Gendibal, auf dem Dilemma herumzuhacken«, sagte die Delarmi. »Wir sehen, was Sie meinen. Was schlagen Sie als Lösung vor? Daß Sie selbst die Dokumente entfernt haben?«