»Nein, Erster Sprecher. Sie ist eine Eingeborene dieses Planeten.«
Die Delarmi riß die Augen auf. »Eine Hamerin?«
»Jawohl! Genau das.«
»Was haben wir mit so einer denn zu schaffen?!« meinte die Delarmi. »Was diese Leute daherreden, kann für uns doch nicht von Belang sein. Sie existieren einfach nicht.«
Gendibal verzog die Lippen und zeigte die Zähne auf eine Weise, die unmöglich als Lächeln mißverstanden werden konnte. »Physisch existieren alle diese Hamer sehr wohl«, sagte er in scharfem Tonfall. »Sie sind Menschen und spielen im Seldon-Plan ihre Rolle. Durch den indirekten Schutz, den sie der Zweiten Foundation bieten, ist ihre Rolle sogar von entscheidender Bedeutung. Ich distanziere mich ausdrücklich von der Menschenfeindlichkeit Sprecherin Delarmis und hoffe, daß ihre Äußerung sich im Protokoll wiederfindet, so daß sie später als Beweis ihrer etwaigen Untauglichkeit für die Position eines Sprechers dienen kann. Will der Rest der Tafel sich der unerhörten Bemerkung der Sprecherin anschließen und meine Zeugin von der Verhandlung ausschließen?«
»Rufen Sie Ihre Zeugin herein, Sprecher!« sagte der Erste Sprecher.
Gendibals Lippen entkrampften sich, und sein Gesicht nahm die übliche Ausdruckslosigkeit eines Sprechers an, der unter Druck stand. Sein innerstes Bewußtsein war bestens behütet und abgekapselt, aber hinter seiner Schutzbarriere hatte er das Gefühl, die Phase der höchsten Gefahr überwunden und gewonnen zu haben.
34
Sura Novi wirkte gestreßt. Ihre Augen waren geweitet, ihre Unterlippe zitterte ein wenig. Sie schloß und öffnete unaufhörlich langsam die Hände, und ihr Busen wogte.
Ihr Haar war nach hinten gekämmt und zu einem Knoten geschlungen; in ihrem von der Sonne gebräunten Gesicht zuckte es ab und zu. Ihre Hände fummelten am Saum ihres langen Rocks. Hastig glitt ihr Blick von der einen zur anderen der Personen, die an der Tafel saßen.
Sie musterten sie mit unterschiedlichen Graden von Geringschätzung und Unbehagen. Die Delarmi hielt ihren Blick deutlich über Sura Novis Kopf hinweg gerichtet; sie ignorierte ihre Gegenwart ganz einfach.
Sehr behutsam ertastete Gendibal auf mentaler Ebene das äußere Gewebe ihres Geistes, besänftigte und beruhigte ihr Gemüt. Er hätte das gleiche erreichen können, indem er ihre Hand tätschelte oder ihre Wange streichelte, aber unter den gegebenen Umständen war so etwas natürlich nicht möglich.
»Erster Sprecher«, sagte er, »ich übe auf das Bewußtsein dieser Frau einen beruhigenden Einfluß aus, damit ihre Aussage nicht durch Furcht verfälscht wird. Würden Sie bitte beobachten… würden bitte alle Anwesenden meine Maßnahmen mitverfolgen und sich davon überzeugen, daß ich an ihrem Geist keinerlei Modifikationen hervorrufe?«
Sura Novi war beim Klang von Gendibals Stimme erschrocken zurückgefahren, und Gendibal war davon keineswegs überrascht. Ihm war klar, daß sie noch nie gehört hatte, wie Zweitfoundationisten hohen Ranges sich untereinander verständigten. Sie hatte diese sonderbare, rasche Kombination von Lauten, Worten, Mienenspiel und Gedanken noch nie miterlebt. Ihr Entsetzen wich jedoch so schnell, wie es aufgetreten war, als er ihr Bewußtsein begütigte.
Ihr Gesicht nahm einen friedlichen Ausdruck an.
»Hinter Ihnen steht ein Stuhl, Novi«, sagte Gendibal. »Bitte setzen Sie sich.«
Novi verbeugte sich knapp und unbeholfen und nahm Platz, hielt sich verkrampft aufrecht.
Sie legte ihre Aussage ziemlich klar und deutlich ab, aber Gendibal ließ sie diese oder jene Äußerung wiederholen, sobald sich ihr hamischer Akzent zu stark bemerkbar machte. Andererseits mußte er manchmal, weil er aus Rücksicht auf die Versammlung der Tafel der Sprecher die eigene Sprache streng im formellen Rahmen ließ, für Novi die eine oder andere seiner Fragen wiederholen.
Sie erzählte die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen ihm und Rufirant ruhig und anschaulich.
»Haben Sie das alles selbst mitangesehen, Novi?« fragte Gendibal.
»Nee, Meister, sonst hätt ich frieher ein End gemacht. Rufirant ist feins Kerlchen, aber nich gewitzt in Kopp.«
»Trotzdem haben Sie alles genau geschildert. Wie ist das möglich, obwohl Sie nicht alles selbst gesehen haben?«
»Rufirant hat mich erzählt, als ich ihm fragte. Er hat sich geschämt.«
»Geschämt? Ist Ihnen bekannt, ob er sich früher schon ähnlich benommen hat?«
»Rufirant? Nee, Meister. Er is groß, aber hat weiches Herze. Er is kein Rüpel und fierchtet sich vor Forschern. Oft sagt er, sie sind mächtig, und daß sie Macht besitzen.«
»Warum hat er anders empfunden, als er mir begegnet ist?«
»Das is komisch. Kann man nich verstehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Er war nich sich selbst. ›Du Holzkopp‹, sag ich zu ihm. ›Wie kommst du dazu, Streit anzufangen mit ein Forscher?‹ Und er sagt: ›Ich weiß nich wie. Das war, als hätte ich dabeigestanden und zugeschaut, wie ein anderer das macht.‹«
Sprecher Cheng meldete sich zu Wort. »Erster Sprecher, welchen Sinn soll es haben, diese Frau aussagen zu lassen, was ein anderer Mann ihr erzählt hat? Kann der betreffende Mann nicht selbst aussagen?«
»Selbstverständlich besteht diese Möglichkeit«, antwortete Gendibal. »Falls die Tafel nach der Aussage dieser Frau weitere Aussagen zu hören wünscht, bin ich bereit, Karoll Rufirant, die Person, mit der kürzlich die bewußte Auseinandersetzung stattgefunden hat, als Zeugen aufzurufen. Falls nicht, kann die Versammlung, sobald ich mit dieser Zeugin fertig bin, unverzüglich zum Urteilsbeschluß übergehen.«
»Nun gut«, sagte der Erste Sprecher. »Machen Sie mit der Zeugin weiter!«
»Und Sie, Novi?« wandte sich Gendibal wieder an Sura Novi. »War’s Ihre Art, auf so eine Weise in einen Kampf zwischen Männern einzugreifen?«
Im ersten Moment gab sie keine Antwort. Zwischen ihren dicken Brauen erschien ein ansatzweises Stirnrunzeln, verschwand wieder. »Ich weiß nich«, sagte sie schließlich. »Ich will kein Schaden für Forscher. Ich mußte einfach, ohne Nachdenken war ich plötzlich mittendrin.« Sie zögerte. »Ich glaub, ich tät’s wieder, wenn nötig.«
»Novi«, sagte Gendibal, »Sie werden nun schlafen. Sie denken an nichts. Sie werden schlafen und nicht einmal träumen.«
Einen Augenblick lang murmelte Sura Novi vor sich hin. Ihre Lider sanken herab, und ihr Kopf sank auf die Rücklehne des Stuhls.
Gendibal wartete noch einen Moment ab. »Erster Sprecher«, sagte er dann, »mit allem Respekt bitte ich Sie, mir in den Geist dieser Frau zu folgen. Sie werden feststellen, daß ihr Verstand bemerkenswert simpel und symmetrisch ist, für unsere Belange ein Glück, denn was Sie sehen werden, wäre andernfalls vielleicht nicht zu erkennen. Hier… Hier! Können Sie’s erkennen? Wenn vielleicht auch die anderen Anwesenden Einblick nehmen würden…? Es erleichtert uns die Sache, wenn wir alle zugleich nachschauen.«
Rings um die Tafel entstand zunehmende Unruhe.
»Hat irgend jemand Zweifel?« erkundigte sich Gendibal.
»Ich habe meine Zweifel«, sagte die Delarmi, »denn…« Sie verstummte, sprach nicht aus, was auszusprechen nicht einmal sie sich leisten konnte.
»Sie glauben«, sagte Gendibal an ihrer Stelle, »ich hätte in ihrem Geist herumgepfuscht, um hier falsche Beweise anführen zu können? Sie meinen also, ich sei dazu in der Lage, eine so feine Veränderung vorzunehmen — eine winzige mentale Faser zu beeinflussen, ohne daß man ihr oder ihrer Umgebung auch nur die geringste Beeinträchtigung anmerkt? Wäre ich zu so etwas imstande, hätte ich’s dann nötig, mich auf diese umständliche Art und Weise mit Ihnen auseinanderzusetzen? Weshalb sollte ich mich der Demütigung einer derartigen Verhandlung unterziehen? Warum müßte ich mir Mühe geben und versuchen, Sie zu überzeugen? Könnte ich das tun, was hier im Geist dieser Frau ersichtlich ist, sämtliche Anwesenden wären — außer bei gründlicher Vorbereitung — mir gegenüber hilflos. Es ist eine unübersehbare Tatsache, daß keiner von Ihnen jemandes Bewußtsein so manipulieren kann, wie es bei dieser Frau manipuliert worden ist. Ebensowenig kann ich’s. Trotzdem ist es getan worden!«