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Elftes Kapitel

Sayshell

39

Janov Pelorat hatte zum erstenmal in seinem Leben zugesehen — nach einem Vorgang, den Trevize als ›Mikro-Hypersprung‹ bezeichnete —, wie ein heller Stern sich allmählich in eine Kugel verwandelte. Der vierte Planet, Sayshell — die bewohnbare Welt des Systems und ihr Nahziel —, war während eines Zeitraums mehrerer Tage ständig angewachsen und immer deutlicher erkennbar geworden.

Der Computer hatte eine Karte der Planetenoberfläche bereitgestellt und auf eine tragbare Bildfläche projiziert, die gegenwärtig auf Pelorats Schoß lag.

»Freuen Sie sich nicht zu früh, Janov«, sagte Trevize mit dem selbstbewußten Auftreten von jemand, der bereits auf Dutzenden von Planeten gelandet war. »Wir müssen erst noch durch die Einflugkontrolle, und das kann seine Zeit dauern.«

Pelorat blickte auf. »Das sind doch sicher nur Formalitäten?«

»Richtig. Aber es kann sich trotzdem hinziehen.«

»Wir haben aber doch Friedenszeiten.«

»Natürlich. Das heißt, wir dürfen letztendlich auf jeden Fall durch. Aber vorher geht’s noch um das Problem des ökologischen Gleichgewichts. Jeder Planet besitzt sein eigenes ökologisches Gleichgewicht, und nirgends möchte man, daß es gestört wird. Deshalb gehört es zu den unausweichlichen Formalitäten, jedes Raumschiff auf unerwünschte Organismen zu überprüfen, oder Infektionen. Das ist nur eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme.«

»So was haben wir nicht an Bord, würde ich sagen.«

»Nein, haben wir nicht, und genau das wird man auch feststellen. Aber denken Sie daran, daß Sayshell kein Mitglied der Foundationsföderation ist, also wird man sicherlich Wert darauf legen, seine Unabhängigkeit zu demonstrieren.«

Ein kleiner Raumer kam ihnen entgegen, um die Inspektion durchzuführen, und ein sayshellischer Kontrollbeamter kam an Bord. Trevize, der seine Militärdienstzeit nicht vergessen hatte, trat entsprechend zackig auf.

»Far Star von Terminus«, sagte er. »Schiffspapiere. Unbewaffnet. Privatraumfahrzeug. Mein Paß. Ein Passagier. Sein Paß. Wir sind Touristen.«

Der Kontrollbeamte trug eine schaurige Uniform, vornehmlich in Knallrot. Seine Wangen und die Oberlippe waren glattrasiert, aber er besaß einen kurzen Kinnbart, in der Mitte so geteilt, daß Zipfel vom Kinn nach beiden Seiten ragten. »Foundationschiff?« meinte er.

Er sprach es ›Fundaschuhnsschipp‹ aus, aber Trevize enthielt sich wohlüberlegt jeder Berichtigung und auch eines Lächelns. Es gab soviel Dialektabarten, die sich vom Galaktostandard unterschieden, wie bewohnte Planeten existierten, und man sprach eben überall die eigene Mundart. Solange eine gegenseitige Verständigung zustande kam, spielte das keine Rolle.

»Ja, Sir«, bestätigte Trevize. »Foundationschiff. Privatbesitz.«

»Hübsches Stück. Ihre Ladong, wenn ich bitten darf.«

»Meine was?«

»Ihre Ladung. Was Sie befördern.«

»Ach, die Fracht. Hier ist eine aufgeschlüsselte Liste. Ausschließlich persönliches Eigentum. Wir sind nicht zu Handelszwecken hier. Wie erwähnt, wir sind gewöhnliche Touristen.«

Der Kontrollbeamte sah sich neugierig um. »Für Touristen ist dies ein ziemlich flottes Schiff.«

»Nicht nach dem Standard der Foundation«, erwiderte Trevize humorig. »Und ich bin wohlhabend genug, um’s mir leisten zu können.«

»Wollen Sie damit andeuten, ich hätte die Möglichkeit einer Aufreicherung?« Der Beamte sah Trevize kurz an, schaute dann weg.

Trevize zögerte für einen Moment mit seiner Antwort, weil er die Bedeutung des letzten Wortes erst interpretieren mußte, und einen weiteren Moment brauchte er, um sein weiteres Verhalten festzulegen. »Nein, selbstverständlich wollte ich nicht die Möglichkeit eines Bestechungsversuchs andeuten«, sagte er schließlich. »Ich habe keinen Grund, warum ich sowas versuchen sollte, und Sie sehen auch nicht wie jemand aus, der sich bestechen läßt. Sie können das Schiff durchsuchen, wenn Sie wünschen.«

»Nicht nötig«, sagte der Beamte und steckte seinen Taschenrecorder ein. »Sie sind bereits auf spezifische Schmuggelinfektionen untersucht und als einwandfrei befunden worden. Dem Schiff ist eine Radiowelle zugewiesen worden, die als Leitstrahl dient.«

Er verabschiedete sich. Die ganze Prozedur hatte fünfzehn Minuten beansprucht.

»Hätte er uns Ärger machen können?« erkundigte sich Pelorat gedämpft. »Hat er wirklich ein Schmiergeld erwartet?«

Trevize hob die Schultern. »Kontrollbeamte und ähnliche Leute zu bestechen«, sagte er, »ist ein Brauch, so alt wie die Galaxis, und ich hätte es ohne weiteres getan, falls er’s ein zweitesmal darauf angelegt hätte. Aber so wie’s aussieht… — na, ich nehme an, mit einem Foundationschiff mochte er kein Risiko eingehen, zumal mit einem, wo’s sich nicht lohnt. Die alte Fregatte von Bürgermeisterin hatte recht, als sie sagte, der Name der Foundation würde uns schützen, wohin wir auch gelangen, das muß man dieser Schreckschraube lassen. Die Abfertigung hätte viel länger dauern können.«

»Wieso? Er hat doch alles durchgezogen, was er wollte.«

»Ja, aber er war so entgegenkommend, uns durch Radioferntaster überprüfen zu lassen. Wäre es ihm darauf angekommen, er hätte das ganze Schiff mit einem Handapparat absuchen können, und das hätte Stunden gedauert. Er hätte uns sogar beide tagelang in eine Quarantänestation sperren können.«

»Was?! Mein Bester!«

»Regen Sie sich nicht auf! Er hat ja nichts dergleichen getan. Ich habe durchaus mit so was gerechnet, aber er hat darauf verzichtet. Das heißt, wir haben Landeerlaubnis. Es wäre mir lieber, eine Gravo-Landung durchzuführen, dann würden wir nur eine Viertelstunde brauchen, aber ich habe keine Ahnung, wo die offiziellen Landezonen liegen, und ich möchte keine Schwierigkeiten bekommen. Das bedeutet, wir müssen uns an den Leitstrahl halten, und wir werden noch Stunden brauchen, weil wir uns auf spiralförmigem Kurs durch die Atmosphäre hinunterschrauben müssen.«

Pelorat wirkte erfreut. »Aber das ist doch prachtvoll, Golan. Sind wir dann langsam genug, um die Landschaft betrachten zu können?« Er hielt die tragbare Bildfläche empor, die eine Karte in kleinem Maßstab zeigte.

»In gewissem Umfang, ja. Unsere Geschwindigkeit wird auf ein paar Kilometer pro Sekunde sinken, aber ehe wir etwas sehen können, müssen wir erst die Wolkendecke durchstoßen. Wir werden nicht gerade eine Ballonfahrt durch die Lufthülle machen, aber Sie werden die planetographischen Verhältnisse sehen.«

»Prächtig! Prächtig!«

»Ich frage mich bloß«, meinte Trevize versonnen, »ob wir uns lange genug auf Sayshell aufhalten werden, daß es sich lohnt, die Schiffsuhr auf Ortszeit umzustellen.«

»Ich vermute, das hängt davon ab, was wir vorhaben. Was sollen wir nach Ihrer Ansicht tun, Golan?«