»Unsere Aufgabe ist es, Gaia zu finden, und wie lange das dauern kann, weiß ich nicht.«
»Wir können ja unsere Armbanduhren umstellen«, machte Pelorat den Vorschlag, »lassen aber die Schiffsuhr, wie sie ist.«
»Gute Idee«, sagte Trevize. Er schaute hinab auf den Planeten, dessen Oberfläche sich unter ihnen ausbreitete. »Es hat keinen Zweck, länger zu warten. Ich werde den Computer auf die uns zugeteilte Radiowelle einstellen, und er kann mit dem Gravo-Antrieb konventionellen Flug simulieren… So! Hinunter mit uns, Janov, dann wollen wir sehen, was wir herausfinden können.«
Während das Raumschiff sich durch seine säuberlich adjustierte Gravitationspotentialkurve zu bewegen anfing, starrte Trevize den Planeten nachdenklich an.
Er hatte die Sayshell-Union noch nie besucht, aber ihm war bekannt, daß sie seit Jahrhunderten in gleichbleibend schlechtem Verhältnis zur Foundation stand. Es überraschte ihn nicht nur, sondern beunruhigte ihn geradezu, daß sie die Kontrolle so rasch hatten passieren dürfen.
Es kam ihm ganz einfach unwahrscheinlich vor.
40
Der Name des Kontrollbeamten lautete Jogoroth Sobhaddartha, und er leistete seinen Dienst in der Einflugkontrolle schon ein halbes Leben lang.
Er hatte gegen die Tätigkeit in der Raumstation nichts einzuwenden, denn sie ermöglichte es ihm, von jeweils drei Monaten einen ausschließlich mit seinen Büchern, seiner Musik sowie ohne seine Ehefrau und den heranwachsenden Sohn zu verbringen.
Seit zwei Jahren allerdings war zu seinem Ärger ein Träumer Chef der Raumflugkontrolle. Er konnte sich keine unerfreulichere Person vorstellen als jemanden, der für bestimmte Handlungen keine andere Begründung als den Hinweis zu geben wußte, er sei in einem Traum so angeleitet worden.
Sobhaddartha persönlich hielt nichts von alldem, aber er sah sorgsam davon ab, das auszusprechen, denn die meisten Menschen auf Sayshell mißbilligten antipsychische Zweifel. Als Materialist in Verruf zu geraten, konnte die spätere Pension aufs Spiel setzen.
Er zupfte an den beiden buschigen Bartzipfeln seines Kinns und räusperte sich dann ziemlich lautstark. »War das das Schiff, Chef?« fragte er mit unpassender Lässigkeit.
Sein Chef, der den gleichermaßen typisch sayshellischen Namen Namarath Godhisavatta trug, befaßte sich gerade mit einigen Computerdaten und schaute nicht einmal auf. »Welches Schiff?« fragte er zurück.
»Die Far Star. Das Foundationschiff. Das ich gerade habe passieren lassen. Das aus jedem Winkel holografiert worden ist. War es das Schiff, von dem Sie geträumt haben?«
Nun blickte Godhisavatta auf. Er war ein kleinwüchsiger Mann mit fast schwarzen Augen, umgeben von winzigen Fältchen, die keineswegs durch irgendeine Neigung zu häufigem Lächeln entstanden waren. »Warum fragen Sie?« meinte er.
Sobhaddartha straffte sich und ließ seine dunklen, üppigen Brauen einander näherrutschen. »Sie haben behauptet, Touristen zu sein, aber ich habe noch nie so ein Schiff gesehen, und nach meiner Meinung handelt’s sich um Agenten der Foundation.«
Godhisavatta lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Hören Sie, Mann, wie sehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich einfach nicht erinnern, Sie nach Ihrer Meinung gefragt zu haben.«
»Chef, aber ich halte es für meine patriotische Pflicht, darauf hinzuweisen, daß…«
Godhisavatta verschränkte die Arme auf der Brust und blickte seinen Untergebenen streng an, der daraufhin (obwohl in physischer Statur und in seinem Auftreten viel beeindruckender) die Schultern hängen ließ und unter dem Blick seines Vorgesetzten eine leicht verlegene Haltung einnahm.
»Hören Sie, Mann«, sagte Godhisavatta, »falls Sie wissen, was für Sie gut ist, tun Sie Ihre Arbeit ohne Kommentare, oder ich werde dafür sorgen, daß Sie keine Pension erhalten, wenn Sie sich zur Ruhe setzen, und das dürfte bald der Fall sein, sollte ich von Ihnen noch mehr Redensarten über Angelegenheiten hören, die Sie nichts angehen.«
»Jawohl, Sir«, entgegnete Sobhaddartha mit leiser Stimme. »Liegt es im Rahmen meiner Pflichten, Sir«, fügte er dann mit verdächtiger Unterwürfigkeit hinzu,’ »darüber Meldung zu erstatten, daß ein zweites Schiff in die Reichweite unserer Monitoren gelangt ist?«
»Betrachten Sie’s als gemeldet«, sagte Godhisavatta gereizt und widmete sich wieder seiner Arbeit.
»Es weist Charakteristika auf«, ergänzte Sobhaddartha noch untertäniger als vorher, »die sehr denen des Schiffs ähneln, das ich gerade durchgelassen habe.«
Godhisavatta legte seine Hände auf den Tisch und stemmte sich hoch. »Ein zweites derartiges Schiff?«
Innerlich lächelte Sobhaddartha. Dieser grausige Kerl, hervorgegangen aus einer unerlaubten Vereinigung (er meinte seinen Chef), hatte offenbar nicht von zwei Raumschiffen geträumt. »Anscheinend, Sir«, sagte er. »Ich werde nun an meine Dienststelle zurückkehren und auf weitere Anweisungen warten, und ich hoffe, Sir…«
»Ja?«
Trotz der Gefährdung seiner Pension vermochte Sobhaddartha sich die Bemerkung nicht zu verkneifen. »Ich hoffe, Sir, wir haben nicht das falsche Raumschiff passieren lassen.«
41
Die Far Star überquerte zügig die Oberfläche des Planeten Sayshell, und Pelorat beobachtete den Anblick, der sich bot, mit regelrechter Faszination. Die Wolkendecke war dünner und weniger zusammenhängend als auf Terminus, und die Landeflächen waren — genau wie die Karte sie zeigte — kompakter und ausgedehnter; nach der rostbraunen Färbung vieler kontinentaler Flächen zu schließen, befanden sich auf ihnen auch weite Wüstengebiete.
Man sah keine Anzeichen von Leben. Dies schien eine Welt steriler Wüsten, grauer Ebenen und endlosen Gefältels zu sein — letzteres waren wahrscheinlich gebirgige Gegenden —, und natürlich konnte man bereits die Meere erkennen.
»Sieht ja völlig leblos aus«, murmelte Pelorat.
»Aus dieser Höhe schon Anzeichen des Belebtseins sehen zu können, ist nicht zu erwarten«, sagte Trevize. »Wenn wir tiefer sind, werden Sie beobachten können, wie das Land grünfleckig wird. Aber vorher werden sie noch das Funkeln der Landschaft auf der Nachtseite sehen. Menschen besitzen eine eindeutige Vorliebe dafür, ihre Welten zu beleuchten, sobald die Dunkelheit anbricht — ich habe nie von einer Welt gehört, die in dieser Beziehung eine Ausnahme gemacht hätte. Mit anderen Worten, die ersten Zeichen von Leben, die Sie zu sehen bekommen, werden nicht menschlicher, sondern technischer Art sein.«
»Immerhin sind Menschen ja auch Tagesgeschöpfe«, sagte Pelorat nachdenklich. »Ich meine immer, zu den allerersten Aufgaben einer aufkommenden Technik müßte die Verwandlung der Nacht in den Tag zählen. Ich bin der Meinung, wenn eine Welt keine Technik hat und eine zu entwickeln anfängt, müßte man den Fortschritt der technischen Entwicklung an der Zunahme des Lichts auf der Nachtseite messen können. Wie lange würde es nach Ihrer Auffassung dauern, von vollkommener Finsternis zu völliger Helligkeit zu gelangen?«
Trevize lachte. »Sie haben komische Einfälle, aber ich vermute, das kommt daher, daß Sie sich mit Mythologie befassen. Ich glaube nicht, daß es auf irgendeiner Welt jemals zu gleichmäßiger Helligkeit kommen könnte. Nachtbeleuchtung entspricht stets der Verteilung der Bevölkerungsdichte, so daß die Kontinente ballungs- und strichweise schimmern. Selbst Trantor hat in seiner Blütezeit, als er ein einziges Bauwerk war, aus seiner Gesamtstruktur nur an verstreuten Punkten Licht entweichen lassen — und der trantorische Ozean blieb sowieso dunkel.«
Die Landflächen nahmen grüne Farbtöne an, wie von Trevize vorausgesagt, und während der letzten Umkreisung des Planeten zeigte er Pelorat gewisse markante Stellen, von denen er behauptete, es seien Städte. »Das ist keine sehr urbane Welt. Ich war noch nie in der Sayshell-Union, aber den Informationen des Computers zufolge hat man eine Neigung, sich an die Vergangenheit zu klammern. In den Augen der gesamten Galaxis ist Technik unweigerlich mit der Foundation verbunden, und überall, wo die Foundation unbeliebt ist, orientiert man sich stärker am Vergangenen außer natürlich, was Waffen angeht. Sie dürfen mir glauben, daß Sayshell in dieser Hinsicht hochmodern ist.«