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Außer sie befand sich selbst in der Hand…

Halt! Diese Gedankengänge führten zur Paranoia!

Trotzdem… Sein Verstand ging noch immer im Kreise und hatte die engen Grenzen aussichtsloser Wiederholungen noch nicht durchbrochen, als die Wächter kamen.

»Sie werden mit uns kommen müssen, Ratsherr«, sagte der Diensthöhere der beiden Männer mit unemotionaler Würde. Seine Rangabzeichen kennzeichneten ihn als Lieutenant. Seine rechte Wange wies eine kleine Narbe auf, und er sah abgeschlafft aus, als habe er schon zu lange gedient und im Laufe seines Dienstes zu wenig Nützliches getan — ganz wie man es von Soldaten erwarten konnte, deren Volk seit zwei Jahrhunderten in Frieden lebte.

Trevize blieb unbeeindruckt. »Wie ist Ihr Name, Lieutenant?«

»Ich bin Lieutenant Evander Sopellor, Ratsherr.«

»Sie sind sich darüber im klaren, Lieutenant, daß Sie gegen das Gesetz verstoßen? Sie können einen Ratsherrn nicht verhaften!«

»Wir haben unmißverständliche Befehle erhalten, Sir«, antwortete der Lieutenant.

»Das spielt keine Rolle. Man darf Ihnen nicht befehlen, ein Ratsmitglied zu verhaften. Sie sollten berücksichtigen, daß Sie dafür zu gegebener Zeit vor ein Militärgericht gestellt werden können.«

»Sie sind nicht verhaftet, Ratsherr«, entgegnete der Lieutenant.

»Dann brauche ich ja auch nicht mit Ihnen zu gehen, oder?«

»Wir haben Anweisung, Sie nach Hause zu eskortieren.«

»Ich kenne den Weg.«

»Und Sie unterwegs zu schützen.«

»Wovor? Oder vielmehr, vor wem?«

»Vor einer Menschenmenge, die sich womöglich versammeln könnte.«

»Um Mitternacht?«

»Eben aus diesem Grund haben wir bis Mitternacht gewartet, Sir. Und nun müssen wir Sie bitten, zu Ihrem eigenen Schutz mit uns zu kommen. Ich will damit keine Drohung zum Ausdruck bringen, aber ich möchte Ihnen sagen, daß wir die Erlaubnis haben, falls nötig, Gewalt anzuwenden.«

Trevize hatte die Elektropeitschen, welche die zwei Männer bei sich trugen, längst bemerkt. Er erhob sich mit — wie er hoffte — würdevoller Gelassenheit. »Nun gut, also nach Hause. Oder werde ich zu guter Letzt doch feststellen müssen, daß Sie mich in ein Gefängnis transportieren?«

»Uns ist keineswegs befohlen worden, Sie zu belügen, Sir«, sagte der Lieutenant mit gewissem Stolz. Trevize begriff, daß er es mit einem Berufssoldaten zu tun hatte, also jemandem, der eines ausdrücklichen Befehls bedurfte, ehe er log; und wenn er log, würden sein Tonfall und seine Miene ihn verraten.

»Entschuldigen Sie, Lieutenant«, sagte Trevize. »Ich wollte nicht andeuten, daß ich an Ihrem Wort zweifle.«

Draußen wartete ein Wagen. Die Straße lag verlassen, nirgends war ein Mensch zu sehen, ganz zu schweigen von einem Mob. Aber der Lieutenant hatte die Wahrheit gesprochen. Er hatte nicht behauptet, draußen sei ein Mob. Nur von ›einer Menschenmenge, die sich womöglich versammeln könnte‹, hatte er geredet. ›Womöglich könnte‹, hatte er gesagt.

Der Lieutenant hatte Trevize wachsam zwischen sich und dem Wagen gehalten. Trevize hätte nicht losstürzen und davonrennen können. Unmittelbar nach ihm stieg der Lieutenant ein und setzte sich an seine Seite. Der Wagen fuhr ab.

»Ich nehme an«, sagte Trevize, »daß ich, sobald ich daheim bin, wieder ungehindert meinen Geschäften nachgehen kann — zum Beispiel fortgehen, wenn ich’s möchte.«

»Uns liegt kein Befehl vor, Ratsherr, Sie in irgendeiner Weise zu behindern, außer insofern, daß wir Befehl haben, Sie zu schützen.«

»Insofern? Was hat das in diesem Fall zu bedeuten?«

»Meine Anweisung lautet, Sie darüber aufzuklären, daß Sie Ihren Wohnsitz, sobald Sie erst einmal dort sind, nicht verlassen dürfen. Die Straßen sind für Sie zu unsicher, und ich bin für Ihre Sicherheit verantwortlich.«

»Sie wollen sagen, ich stehe unter Hausarrest.«

»Ich bin kein Anwalt, Ratsherr. Ich weiß nicht, was das heißt.«

Er blickte geradeaus, aber sein Ellbogen berührte Trevizes Seite. Trevize konnte keine noch so geringfügige Bewegung machen, ohne daß der Lieutenant sie bemerkte.

Der Wagen hielt vor Trevizes kleinem Haus im Vorort Flexner. Gegenwärtig lebte er ohne Gefährtin — Flavella war des unregelmäßigen Lebens, das die Ratsmitgliedschaft ihm abverlangte, schließlich überdrüssig geworden —, deshalb ging er davon aus, daß niemand ihn erwartete.

»Darf ich jetzt aussteigen?« fragte Trevize.

»Ich steige als erster aus, Ratsherr. Wir werden Sie hineinbegleiten.«

»Im Interesse meiner Sicherheit?«

»Ja, Sir.«

Drinnen, hinter der Tür, standen zwei Wachen. Die Nachtbeleuchtung brannte, aber war von draußen unsichtbar, weil man die Fenster verdunkelt hatte.

Im ersten Moment empfand er wegen dieses Eindringens Empörung, dann tat er den neuen Zwischenfall mit einem innerlichen Achselzucken ab. Wenn der Verwaltungsrat nicht einmal im eigenen Sitzungssaal seine Sicherheit gewährleistete, wie sollte er da erwarten, daß sein Heim sich als seine Burg bewährte?

»Wieviel sind denn schon hier?« fragte Trevize. »Ein ganzes Regiment?«

»Nein, Ratsherr«, ertönte eine strenge, feste Stimme. »Nur eine weitere Person außer denen, die Sie sehen, und ich habe lange genug auf Sie gewartet.«

Harla Branno, Terminus’ Bürgermeisterin, stand auf der Schwelle zum Wohnzimmer. »Höchste Zeit, daß wir uns einmal in aller Ruhe unterhalten, finden Sie nicht auch?«

Trevize starrte sie an. »All dieser Popanz, nur um…«

»Schweigen Sie, Ratsherr!« unterbrach die Branno ihn mit leiser Stimme, aber in nachdrücklichem Tonfall. »Und Sie treten ab!« wandte sie sich an die vier Wachen. »Hinaus und draußen Posten gestanden! Hier drinnen wird alles seine Ordnung haben.«

Die vier Wachen salutierten und vollzogen auf dem Absatz eine Kehrtwendung. Trevize und die Branno blieben allein zurück.

Zweites Kapitel

Bürgermeisterin

5

Die Branno hatte eine Stunde lang gewartet und müde über alles nachgedacht. Rein formal gesehen hatte sie sich des Einbruchs und Hausfriedensbruchs schuldig gemacht. Darüber hinaus — und das wog schwerer — hatte sie gegen die Verfassung verstoßen und die Rechte eines Ratsmitglieds angetastet. Auf der Grundlage der strengen Gesetze, die seit den Tagen Indburs III. und des Fuchses alle Bürgermeister zur Rechenschaft verpflichteten, konnte sie zur Verantwortung gezogen werden.

Am heutigen Tag jedoch — vierundzwanzig Stunden lang — konnte sie gar nichts falsch machen.

Doch das würde vorübergehen. Sie vollführte nervöse Bewegungen.

Die ersten eineinhalb Jahrhunderte waren das Goldene Zeitalter der Foundation gewesen, die Ära der Heroen — zumindest im Rückblick, wenn womöglich auch keineswegs für die Unglücklichen, die in jenen unsicheren Zeiten gelebt hatten. Salvor Hardin und Hober Mallow waren die beiden größten Heldengestalten gewesen, längst in den Status von Halbgöttern erhoben, sogar in einem Maß, daß sie fast als Rivalen des unvergleichlichen Hari Seldon gelten konnten. Diese drei Männer bildeten ein Dreigestirn, auf dem alle Legenden der Foundation (und selbst die Historie der Foundation) fußten.