Выбрать главу

»Und sie hat dir irgend etwas gegeben?« Angella war nicht mehr zu bremsen.

»Gegeben?« Tally überlegte einen Moment angestrengt, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein«, sagte sie.

»Aber es muß so gewesen sein!« beharrte Angella.

»Denk nach, Tally - hast du irgend etwas mitgenommen, aus Schelfheim?«

»Nein!« antwortete Tally, in fast zornigem Ton.

»Nichts außer diesem Schwert da.« Sie deutete auf die Waffe, die neben Angellas Mantel im Sand lag. »Aber die habe ich...«

»Ja?« fragte Angella, als Tally nicht weitersprach, sondern sie nur betroffen anstarrte. »Woher hast du sie?«

»Gekauft«, murmelte Tally. »Von einem Katzer.

Aber...«

»Aber Jandhi war dabei«, führte Angella den Satz zu Ende. »Nicht wahr? Diese Schlampe! Dieses heimtückische Miststück! Ich hätte ihr den Hals durchschneiden sollen!« Wütend bückte sie sich, hob den Waffengurt auf und zog das Schwert aus der ledernen Hülle. Einen Moment lang bewegte sie es unschlüssig in Händen, dann drehte sie es herum und rammte die Klinge fast bis zur Hälfte in den Boden.

»Was tust du da?« erkundigte sich Tally. »Sei vorsichtig. Es ist ein verdammt gutes Schwert!«

»Oh ja!« antwortete Angella. »Du wirst dich gleich wundern, wie gut. Mein Wort, Tally, das Ding hat noch ungeahnte verborgene Qualitäten! Hrhon - hilf mir!«

Der Waga kam mit wiegenden Schritten herbei und sah Angella fragend an. »Halt die Klinge fest!« befahl sie.

»Mit beiden Händen!«

Hrhon zögerte. Erst, als Tally fast unmerklich nickte, kniete er nieder und legte beide Hände um das doppel-seitig geschliffene Heft. Angella ergriff den Schwert-knauf, konzentrierte sich einen Moment und begann mit aller Kraft daran zu drehen.

Ein helles Knacken ertönte, und plötzlich löste sich der Schwertgriff. Unter dem eingefetteten Leder kam ein sorgsam geschnittenes, sehr feines Gewinde zum Vorschein. Angella schnaubte triumphierend, spannte noch einmal die Muskeln an und löste mit einem weiteren Ruck den gesamten Griff von der Klinge. »Ich wußte es!«

sagte sie. »Diese verdammte Hexe! Sieh dir das an, Tally!«

Tally trat gehorsam näher, beugte sich neugierig vor

- und verzog angewidert das Gesicht.

Der Schwertgriff war hohl, aber nicht leer. In dem kleinen Zylinder aus Metall bewegte sich etwas, das Tally verdächtig an eine Ansammlung widerlicher weißer Maden erinnerte, schleimige, nur daumennagelgroße Kreaturen, die einen entsetzlichen Geruch verströmten.

»Was ist das?« fragte sie angewidert.

»Der Grund, aus dem Jandhi immer so genau wußte, wo wir zu finden waren«, antwortete Angella. »Oh verdammt, ich hätte es gleich merken müssen! Spätestens, als sie uns in den Sumpf gefolgt sind!« Sie bewegte den abgeschraubten Schwertgriff wütend in der Hand.

»Weißt du, was das ist, Tally? Nein? Diese niedlichen kleinen Dinger sind Sandmaden! Weibliche Sandmaden!«

»Ach«, sagte Tally.

»Du hast noch nie davon gehört?« Tally schüttelte den Kopf, und Angella fuhr, noch immer mit zornbebender Stimme, fort: »Sie sind völlig harmlos, weißt du, aber es sind sehr nützliche kleine Biester. Ihre Männchen nämlich können fliegen, und obwohl sie praktisch kein Gehirn haben, sind sie sehr treu. Sie führen eine regelrechte Ehe, weißt du? Ein Sandmadenpärchen, das einmal zusammengefunden hat, trennt sich niemals wieder. «

»Verdammt noch mal, was soll das?« fauchte Tally ungeduldig. »Wenn ich einen Vortrag in Biologie brauche, gehe ich zu einem Scholaren!«

»Das hättest du besser getan, bevor du dich mit Jandhi eingelassen hast«, versetzte Angella böse. »Diese widerlichen kleinen Biester hier sind nämlich nicht nur treu, sondern äußerst anhänglich. Ein Männchen wittert sein Weibchen auf zehn Meilen Entfernung.« Sie lachte hart.

»Na, dämmert es dir? Alles, was Jandhi zu tun brauchte, war dir diese Maden unterzuschieben und die dazu passenden Männchen in einen Glaskasten zu setzen, um...«

»Um immer genau die Richtung zu wissen, in der sie suchen mußte«, murmelte Tally. Sie starrte abwechselnd Angella und den hohlen Schwertgriff an. »Das ist...«

»Das ist typisch für Jandhi«, fiel ihr Angella ins Wort.

»Du solltest diese Hexe niemals unterschätzen, Liebling.

Sie muß schon damals geahnt haben, daß mit dir irgend etwas nicht stimmt, Tallyliebling. Aber ich gebe zu, daß nicht einmal ich damit gerechnet habe.« Sie schüttelte wütend den Kopf und setzte dazu an, die Maden aus ihrer Hülle heraus auf den Boden zu schütteln, führte die Bewegung aber nicht zu Ende.

»Worauf wartest du?« fragte Tally. »Bring' sie um!«

Angella grinste. »Ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Gib mir das Schwert.«

Tally reichte ihr gehorsam die Schwertklinge. Angella schraubte die Waffe vorsichtig wieder zusammen, überzeugte sich davon, daß der Griff wieder fest an seinem Platz saß, und wandte sich zu den beiden Hornköpfen um. Einen Moment lang blickte sie die beiden Tiere abschätzend an, dann hob sie das Schwert und stieß die Klinge fast bis ans Heft in den gepanzerten Schädel des kleineren der beiden Insektenwesen. Der Hornkopf bäumte sich mit einem schrillen Pfeifton auf und starb.

»Was hast du vor?« fragte Tally.

Angellas Grinsen wurde noch breiter. »Eine kleine Retourkutsche«, sagte sie. »Hrhon, hilf mir! Halt das Biest fest.«

Sie wartete, bis der Waga herangekommen war und die Zügel des Fluginsektes ergriffen hatte, dann bückte sie sich, durchtrennte mit einem raschen Schnitt die Fesseln, die es mit dem Kadaver des zweiten Hornkopfes verbanden, und richtete sich wieder auf. Sorgsam befestigte sie Tallys Schwert am Sattelzeug des bizarren Flugtieres, trat einen halben Schritt zurück und zog den Dolch aus dem Gürtel. »Kannst du ihn halten, wenn ich ihm die Augen aussteche?« fragte sie.

Tally keuchte, aber sie kam nicht mehr dazu, Angella zurückzuhalten. Hrhon knurrte zustimmend, und Angellas Hand machte eine blitzschnelle Bewegung zum Schädel des Hornkopfes hin. Die beiden Facettenaugen erloschen wie Kerzenflammen im Wind.

Der Hornkopf begann zu toben. Schwarzes Insektenblut besudelte Angella, die sich mit einem fast komisch anmutenden Hüpfen in Sicherheit brachte. Der Panzer des Riesenkäfers klappte auseinander. Eine der beiden Hälften traf Hrhon wie ein Hammer aus Chitin und schleuderte ihn zu Boden; dann entfaltete sich ein Paar gigantischer, halbdurchsichtiger Käferflügel über dem buckeligen Leib.

Tally zog hastig den Kopf ein, als das Insekt taumelnd in die Höhe schoß, halb wahnsinnig vor Schmerz und Angst. Mit ungeheurer Wucht krachte es gegen den Felsen, taumelte ein Stück zurück und herab und fing sich wieder. Sekunden später war es in der Nacht verschwunden.

»Was, zum Teufel, sollte das?« fragte Tally kalt, als sich Angella aufrichtete und damit begann, Sand aus ihrem Haar zu schütteln.

»Ein freundlicher Gruß an Jandhi«, antwortete Angella grinsend. »Diese Hornköpfe sind verdammt zäh, weißt du? Er ist jetzt zwar blind, aber mit ein wenig Glück wird es noch Tage dauern, bis er stirbt.« Sie lachte leise. »Ich gäbe deine rechte Hand dafür, Jandhis Gesicht zu sehen, wenn sie ihn endlich eingeholt hat.«