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Sie versuchte vergeblich, in eine halbwegs bequeme Lage zu rutschen - alles, was sie erreichte war, sich den Fuß unter Hrhons Panzer einzuklemmen und den Handrük-ken blutig zu schürfen. »Verrate uns lieber, wie lange wir in diesem Grab sitzen sollen.«

»Woher beim Schlund soll ich das wissen«, fauchte Weller. Er bewegte sich, wodurch sein Knie noch ein wenig tiefer in Tallys Magengrube hineingetrieben wurde, als es ohnehin schon war. Sie unterdrückte im letzten Moment ein Stöhnen. »Manchmal dauert es Stunden, bis sie sie zurücktreiben. Manchmal auch Tage.«

Tage? dachte Tally entsetzt. Plötzlich erschienen ihr Wellers Befürchtungen, ersticken oder von Hrhon schlichtweg erdrückt werden zu können, nicht mehr ganz so lächerlich wie vor Augenblicken. Sie würde es weder Tage noch Stunden hier drinnen aushalten. Schon jetzt hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

Und es war nicht nur Einbildung.

»Verdammt, wir müssen hier raus!« sagte sie. In ihrer Stimme war ein Unterton von Panik, der sie selbst erschreckte. Sie hatte niemals an Klaustrophobie gelitten

- aber sie war auch noch nie in einem zwei mal anderthalb Schritte messenden Würfel mit einem Mann und einem vierhundert Pfund schweren Waga eingepfercht gewesen. »Weller - gibt es keinen anderen Weg hier heraus?«

»Nein«, antwortete Weller. »Das heißt...« Er stockte.

Tally spürte, wie er versuchte, sich herumzudrehen. Eine rauhe, nach Schweiß riechende Hand tastete über ihre Brust, grabschte nach ihrem Gesicht und fuhr scharrend über die Wand, an der ihr Kopf lehnte. Weller atmete hörbar ein.

»Wir haben Glück«, sagte er. »Vielleicht. Die Wand hier besteht nur aus Lehmziegeln. Dahinter muß ein Keller liegen. Wenn dein plattgesichtiger Freund sie ein-rammen kann, kommen wir vielleicht raus.«

»Khein Phroblem«, sagte Hrhon. Eine gewaltige Pranke glitt über Tallys Schulter und tastete prüfend über die Steine. »Isss khann nisst risstihg ausssholen, aber esss musss ghehen. Nimm den Khopf nach rhechts, Tally.«

»Rechts für mich oder für dich?« fragte Tally hastig.

Hrhon schwieg einen Moment, dann berührte seine Hand Tallys Gesicht ein zweites Mal und drückte ihren Kopf nach links, so weit, daß sie glaubte, ihr Genick würde brechen. Ihr Herz begann wie wild zu hämmern.

Sie vertraute Hrhon blind, aber der Verschlag war verflucht eng, und wenn er nicht ganz genau zielte...

»Vorsssicht! «

Tally fand kaum noch Zeit, erschrocken den Atem anzuhalten, ehe Hrhons Faust mit ungeheurer Wucht gegen die Mauer prallte.

Die gesamte Wand erzitterte. Tally spürte die Wucht des Hiebes, als hätte er sie selbst getroffen. Ein dumpfes, fast wie das Stöhnen eines Tieres klingendes Knirschen drang aus der Lehmziegelwand, und dann war plötzlich nichts mehr da, wogegen sich Tally stützen konnte.

Erschrocken griff sie um sich, bekam Wellers Haar-schopf zu fassen - und riß ihn mit sich, als sie in den drei Meter tiefer gelegenen Kellerraum hinabpurzelte.

Der Aufprall war weniger hart, als Tally befürchtet hatte. Sie überschlug sich einmal in der Luft, prallte auf etwas Weiches, Nachgiebiges und hörte einen erstickten Schrei, ehe sie begriff, daß es Weller war, der ihren Sturz gedämpft hatte. Hastig rappelte sie sich hoch, nahm den Fuß aus seinem Gesicht und tastete im Dunkeln umher, bis ihre Hände auf Widerstand stießen.

Hinter ihr waren Geräusche: ein schmerzhaftes Keuchen, dann das dumpfe Poltern und Lärmen eines Menschen, der blind umherstolperte. »Bewegt euch nicht«, sagte Weller. »Irgendwo hier muß eine Fackel sein.

Wartet.«

Tally gehorchte, und tatsächlich glomm schon nach wenigen Augenblicken in der Dunkelheit hinter ihr ein winziger roter Funke auf, der rasch zum lodernden Licht einer Pechfackel heranwuchs. Im Widerschein der zuk-kenden Flammen erkannte sie, daß sie sich tatsächlich in einem mit allerlei Unrat und Gerümpel vollgestopftem Keller befanden. Die Luft war voller Staub, und es roch durchdringend nach schlecht gewordenem Obst.

Hrhon hockte wenige Schritte neben ihr zwischen den Überresten eines Weinfasses, das er mit seinem Körpergewicht zermalmt hatte. Er wirkte ein bißchen benommen. Tally sah, daß seine rechte Hand blutete.

Weller trat auf sie zu, drückte ihr die Fackel in die Hand und deutete auf das fast mannsgroße Loch, das Hrhon in die Wand gebrochen hatte. »Leuchte mir«, sagte er. »Und kein überflüssiges Wort. Wenn wir entdeckt werden, ist es aus.«

Ehe Tally ihrer Verwirrung Audruck verleihen konnte, kletterte er wieder zu dem kleinen Verschlag hinauf, zwängte sich ächzend durch die Mauerbresche und hob etwas vom Boden auf. Tally hob ihre Fackel etwas höher und stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu erkennen, was er tat. Weller hatte eine daumendicke Eisenstange zur Hand genommen, die er jetzt durch eine entspre-chende Öse in der Metallklappe schob, die ihr Versteck verschloß, und so verkantete, daß es unmöglich war, die Klappe von außen zu öffnen. Trotzdem rüttelte er noch einmal prüfend daran, ehe er sich mit einem zufriedenen Nicken umwandte und wieder zu Tally hinabsprang.

»Aus dieser Richtung folgt uns jedenfalls niemand mehr«, sagte er. »Jetzt bete, daß die Garde hier ist, ehe chem Tempo. Tally verspürte ein leises Ekelgefühl. Die Art, in der sich die Beine des Hornkopfes bewegten, erinnerten sie stark an das Laufen einer Spinne.

Nach wenigen Augenblicken erreichten sie eine brei-tere, von zweigeschossigen steinernen Häusern gesäumte Straße. Tally sah, daß in ihrer Mitte ein doppelter, gut dreifach mannsbreiter Streifen dunklerer Steine in das Straßenpflaster eingelassen war, auf dem sich zahlreiche Trägerinsekten bewegten - und zwar in einer Ordnung, die sie überraschte. Das hektische Hin und Her der Käfer wirkte chaotisch, aber es war das Gegenteiclass="underline" alle Träger, die sich nach Norden bewegten, hielten sich auf dem linken Streifen während die westwärts eilenden - es waren erheblich weniger - die rechte Straßenseite benutzten. Niemals berührten sich die Insekten dabei, auch wenn es so aussah, als müßten sie mit ihren weit auseinandergeklappten Flügeldecken die Straße leerfegen wie mit Sensen.

Ihr eigener Träger wartete reglos, bis er eine Lücke in dem schwarzen Strom der Insekten erspähte, flitzte mit erstaunlicher Behendigkeit los und reihte sich ein. Tally hätte sich gerne mit Weller unterhalten, denn es gab buchstäblich Tausende von Dingen, die sie sah und nicht verstand, aber das Klicken und Knistern und Rascheln der wirbelnden Insektenbeine schwoll zu einem derartigen Lärm an, daß sie hätten schreien müssen, um sich zu verständigen. Die Häuser flogen nur so an ihnen vor-

über. Wenn sie ihre Geschwindigkeit beibehielten, schälzte Tally, dann mußten sie die knapp zwanzig Meilen bis zum Hafen in weniger als zwei Stunden zurückgelegt haben.

Aus den zwei Stunden wurden vier, denn die Straßen, die der Träger nahm, waren nicht immer so breit wie diese, und mehrmals stockte der klickende Fuß der schwarzen Riesenkäfer, wenn sie an Stellen kamen, an denen sich die Straßen kreuzten. Einmal mußten sie eine geschlagene halbe Stunde warten, weil ein Stück vor ihnen einer der Riesenkäfer von der Bahn abgekommen und wie ein lebendes Geschoß in den entgegengesetzten Laufstrom hineingerast war, was ein heilloses Chaos hervorgerufen hatte. Soweit Tally erkennen konnte, hatte es Verletzte, vielleicht sogar Tote unter den Männern und Frauen gegeben, die unsanft von den Rücken ihrer Lasttiere heruntergeschleudert worden waren.