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Alle sahen, mit welcher Miene Sergeant Burton das sagte. Dr. Fell, der mit eigenen Gedanken beschäftigt schien, blickte auf und reckte auf eine herausfordernde Weise seine dicke Unterlippe vor.

»Hm«, sagte er. »›Wenn jemand es fortgeworfen hätte.‹ Ein Selbstmörder, meinen Sie?«

Die Runzeln auf Burtons Stirn änderten sich ein wenig, aber er blieb stumm.

»Auf alle Fälle ist es mit Sicherheit das Messer, das wir gesucht haben«, sagte Inspektor Elliot. »Zwei von den drei Wunden, die der Bursche hatte, gefielen mir ganz und gar nicht. Es sah aus, als habe jemand es darauf angelegt, ihn übel zuzurichten. Aber wenn man sich das hier ansieht – diese Scharten sind die Erklärung, darauf würde ich Gift nehmen. Wollten Sie etwas sagen?«

»Wegen Miss Dane und dem alten Mr. Knowles, Sir …«

»Stimmt, lassen Sie sie hereinkommen. Gute Arbeit, Sergeant; verdammt gute Arbeit. Als nächstes können Sie nachhören, ob der Doktor schon Neuigkeiten für mich hat.«

Dr. Fell und der Inspektor erörterten diesen neuen Fund, doch Page nahm sich im Flur einen Regenschirm und ging nach draußen, um Madeline ins Haus zu holen.

Weder Regen noch Schlamm konnten Madeline etwas anhaben, und ebensowenig ihrer stillvergnügten Art. Sie hatte eine Nylon-Regenhaut mit Kapuze an und sah aus wie in Zellophan verpackt. Ihr blondes Haar hatte sie an den Seiten zu einer Art Locken eingedreht. Ihr Teint war hell, doch frisch, Nase und Mund waren ein wenig breit, die Augen ein wenig schmal; und doch war die Erscheinung die einer Schönheit, und das um so mehr, je länger man sie ansah. Denn man hatte nie das Gefühl, daß sie es darauf anlegte, bemerkt zu werden; eher schien sie wie jemand, der zum guten Zuhörer geboren war. Aus tiefblauen Augen blickte sie ernsthaft in die Welt. Sie hatte ihre Rundungen – Page schämte sich immer, wie sehr er darauf achtete –, doch trotzdem machte sie einen zerbrechlichen Eindruck. Sie nahm den Arm, den er ihr reichte, und lächelte ihm unsicher zu, als er ihr, in der anderen Hand den Regenschirm, aus dem Wagen half.

»Ich bin wirklich froh, daß es bei dir zu Hause ist«, sagte sie mit ihrer sanften Stimme. »Irgendwie macht das die Sache leichter. Aber ich wußte wirklich nicht, was ich machen sollte, und es schien mir das Beste …«

Sie warf einen Blick zurück auf den wackeren Knowles, der eben aus dem Wagen stieg. Selbst im Regen hatte Knowles seinen Bowlerhut unter dem Arm und stapfte durch den Schlamm wie ein Pinguin.

Page führte Madeline ins Arbeitszimmer und stellte sie stolz den anderen vor. Er war gespannt, was Dr. Fell zu ihr sagen würde. Und die Reaktion des Doktors war so erfreut, wie man sich das nur wünschen konnte. Er verneigte sich dermaßen vor ihr, daß man fürchten mußte, daß gleich mehrere Westenknöpfe absprängen, und es war, als seien hinter den Brillengläsern zwei Lichter angegangen. Mit einem Glucksen richtete er sich auf und nahm höchstpersönlich ihren Regenmantel entgegen, als sie sich setzte.

Inspektor Elliot war dafür um so geschäftsmäßiger und knapper. Er sprach wie ein Verkäufer hinter seinem Tresen.

»Nun, Miss Dane? Was kann ich für Sie tun?«

Madeline betrachtete ihre gefalteten Hände, dann blickte sie mit freundlich gerunzelter Stirn in die Runde, und zuletzt sah sie den Inspektor mit aller Offenheit an.

»Das ist nicht leicht zu erklären«, sagte sie. »Ich weiß, daß ich herkommen mußte. Jemand mußte es tun, nach den schrecklichen Ereignissen von gestern abend. Aber ich möchte nicht, daß Knowles in Schwierigkeiten kommt. Das müssen Sie mir versprechen, Mr. Elliot …«

»Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, Miss Dane, dann sagen Sie es mir einfach«, entgegnete Elliot munter, »und niemand wird einen Nachteil davon haben.«

Sie quittierte es mit einem dankbaren Blick.

»Dann – dann sollten Sie es besser sagen, Knowles. Das, was Sie mir gesagt haben.«

»Hä-hä-hä«, sagte Dr. Fell. »Setzen Sie sich, guter Mann!«

»Nein danke, Sir, ich werde lieber …«

»Setzen Sie sich!« donnerte Dr. Fell.

Bevor er sich, womit der Doktor zu drohen schien, mit Gewalt auf einen Stuhl drücken ließ, gehorchte Knowles lieber. Knowles war ein aufrechter Mann: manchmal geradezu gefährlich aufrecht. Er hatte eins jener Gesichter, die in Augenblicken innerer Belastung rot und beinahe durchsichtig werden, als könne man ins Innere hineinsehen. Er setzte sich auf die Kante eines Stuhls und drehte den Hut in seinen Händen. Dr. Fell wollte ihn zu einer Zigarre überreden, aber diesmal lehnte er wirklich ab.

»Ob ich wohl offen sprechen darf, Sir?«

»Ich würde es dringend empfehlen«, erwiderte Elliot trocken. »Also?«

»Natürlich hätte ich gleich zu Lady Farnleigh gehen sollen, Sir. Aber das konnte ich nicht. Ich meine es wörtlich – ich brachte es einfach nicht über mich. Denn sehen Sie, Lady Farnleigh habe ich es zu verdanken, daß ich nach Colonel Mardales Tod nach Farnleigh Close kam. Ich glaube, ich kann ohne Übertreibung sagen, daß sie mir mehr bedeutet als jeder andere Mensch auf der Welt. Das schwöre ich bei Gott«, fügte Knowles mit einem plötzlichen Ausflug ins Pathetische hinzu, bei dem er sich leicht von seinem Stuhl erhob. Dann kehrte er zu seiner üblichen Manier zurück. »Ich kannte sie schon, als sie noch Miss Molly war, die Tochter des Doktors aus Sutton Chart. Ich wußte …«

Elliot nahm sich zusammen.

»Das können wir uns vorstellen. Aber weswegen sind Sie jetzt hierhergekommen?«

»Es geht um den verstorbenen Sir John Farnleigh, Sir«, sagte Knowles. »Es war Selbstmord. Ich habe es gesehen.«

In dem langen Schweigen war nur der nachlassende Regen zu hören. Page hörte seinen Ärmel rascheln, als er sich umblickte, um sich zu vergewissern, daß sie das blutbefleckte Taschenmesser verborgen hatten; er wollte nicht, daß Madeline es sah. Aber die Zeitung verdeckte es nun wieder. Inspektor Elliot, der schroffer wirkte denn je, blickte den Butler unverwandt an. Aus Dr. Fells Richtung kam der Anflug von Lauten, ein Summen oder Pfeifen mit geschlossenem Mund; er hatte eine Art, manchmal die Melodie von »Auprès de ma blonde« vor sich hinzubrummen – auch wenn es den Anschein hatte, als schlafe er halb.

»Sie haben gesehen, wie er sich umbrachte?«

»Ja, Sir. Ich hätte es Ihnen heute morgen sagen können, aber Sie haben mich ja nicht vernommen; und, um ehrlich zu sein, ich weiß bis jetzt nicht, ob es richtig gewesen wäre, wenn ich es Ihnen gesagt hätte. Es war so. Ich stand gestern abend am Fenster des Grünen Zimmers – das ist der Raum unmittelbar über der Bibliothek – und blickte hinaus in den Garten, als es geschah. Ich habe alles mit angesehen.«

(Das, fiel Page wieder ein, war die Wahrheit. Als er mit Burrows zu dem Toten hinübergegangen war, hatte er Knowles an einem Fenster oberhalb der Bibliothek stehen sehen.)

»Jeder wird Ihnen bestätigen, daß ich gute Augen habe«, erklärte Knowles stolz. Selbst seine Schuhe knarrten dabei vor Vehemenz. »Ich bin vierundsiebzig Jahre alt, und ich kann das Nummernschild an einem Automobil noch auf zwanzig Schritt Entfernung lesen. Gehen Sie ruhig einmal hinaus in den Garten und nehmen Sie einen Karton oder ein Schild oder sonst etwas mit kleinen Buchstaben …« Er nahm sich zusammen und lehnte sich wieder zurück.

»Sie haben gesehen, wie Sir John Farnleigh sich die Kehle durchschnitt?«

»Jawohl, Sir. So gut wie gesehen.«

»›So gut wie‹? Wie meinen Sie das?«

»Es war so, Sir. Ich konnte nicht wirklich sehen, wie er das – wie er es ansetzte –, denn er stand mit dem Rücken zu mir. Aber ich sah, wie er die Hände hob. Und es war keine Menschenseele in der Nähe. Denn bedenken Sie, ich sah ihn direkt von oben und konnte weit in den Garten blicken. Ich sah die freie Fläche rund um den Teich, gut anderthalb Meter Sandfläche zwischen dem Wasser und der nächsten Hecke. Niemand hätte in seine Nähe kommen können, ohne daß ich es bemerkt hätte. Er stand allein in dieser Fläche, das können Sie mir glauben, und wenn es das letzte ist, was ich sage.«