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»Wir sollten es nicht überstürzen«, erwiderte Burrows, nicht minder galant. »Noch ist vieles unklar, und ich darf auch darauf hinweisen, daß ich bisher keinen Beweis gesehen habe. Würden Sie gestatten, daß ich die Dokumente prüfe? Ich danke Ihnen. Als nächstes, Lady Farnleigh, möchte ich gern mit Ihnen unter vier Augen sprechen.«

Molly blickte starr, angespannt und verwirrt drein.

»Ja, das wäre das beste«, stimmte sie zu. »Madeline hat mir einiges erzählt.«

Madeline legte ihr tröstend die Hand auf den Arm, aber sie schüttelte ihn mit einem Ruck ihres kräftigen Körpers ab. Madelines stille blonde Schönheit strahlte im Kontrast zu der Wut, die Molly wie eine Wolke umgab, um so heller, so daß alles in ihrer Umgebung glanzlos schien. Dann verließ Molly, von Madeline und Burrows flankiert, das Zimmer. Sie hörten, wie Burrows’ Schuhe knarrten.

»Gott!« sagte Patrick Gore. »Und wie geht es nun weiter?«

»Nur Geduld, Sir«, antwortete Elliot grimmig. »Nur ein kleinwenig Geduld, dann verrate ich Ihnen, wie es weitergeht.« Gore und Welkyn blickten ihn an, überrascht von dem Tonfall. »Wir haben immer noch einen falschen Farnleigh, der an dem Teich umgebracht wurde. Wie oder warum oder von wem, das wissen wir nicht. Wir haben immer noch jemanden, der ein wertloses Heft stahl« – er hielt das falsche Büchlein in die Höhe – »und es später wieder auftauchen ließ. Wahrscheinlich hat der Betreffende erkannt, daß es wertlos ist. Wir haben ein Hausmädchen, Betty, das seit dem Mittag verschwunden war und um vier Uhr in dem Raum oberhalb dieser Bibliothek aufgefunden wurde, halbtot vor Angst. Wer oder was ihr den Schrecken einjagte, wissen wir nicht, und ebensowenig, wie das Heft mit den Fingerabdrücken in ihre Hände gelangte. Wo ist eigentlich Dr. King jetzt?«

»Immer noch bei der unglücklichen Betty, glaube ich«, sagte Gore. »Und was haben wir noch?«

»Was wir noch haben, ist neues Beweismaterial«, erwiderte Elliot. Er machte eine Pause. »Wie Sie ganz richtig sagen, haben Sie alle geduldig die Geschichten wiederholt, die Sie schon gestern abend zu Protokoll gegeben haben. Nun, Mr. Gore. In dem Bericht, den Sie von Ihren Bewegungen zum Zeitpunkt des Mordes gegeben haben – haben Sie da die Wahrheit gesprochen? Überlegen Sie, bevor Sie antworten. Es gibt jemanden, der Ihrer Aussage widerspricht.«

Page hatte schon darauf gewartet; er hatte sich gefragt, wie lange Elliots Geduld wohl reichen würde, bis er es aufbrachte.

»Meiner Aussage widerspricht?« fragte Gore scharf und nahm die kalte Zigarre aus dem Mund. »Wer widerspricht ihr?«

»Lassen wir den Namen aus dem Spiel. Wo waren Sie, als Sie hörten, wie das Opfer in den Teich stürzte?«

Gore betrachtete sein Gegenüber mit Erheiterung. »Na, da haben Sie ja anscheinend einen Zeugen. Ich habe den alten Herrn hier« – er wies auf Murray – »durchs Fenster beobachtet. Mir geht gerade erst auf, daß ich ja jetzt keinen Grund mehr habe, es zu leugnen. Wer hat mich gesehen?«

»Ist Ihnen klar, Sir, daß das, was Sie da sagen, Ihnen, wenn es wahr ist, ein Alibi verschafft?«

»So daß ich dann leider nicht mehr als Tatverdächtiger in Frage käme.«

»Leider?« fragte Elliot eisig.

»Ein dummer Witz, Inspektor. Ich bitte um Verzeihung.«

»Darf ich fragen, warum Sie mir den Sachverhalt bisher verschwiegen haben?«

»Das dürfen Sie. Und fragen Sie auch gleich, was ich durch das Fenster gesehen habe.«

»Das verstehe ich nicht.«

Elliot achtete stets darauf, daß sein Scharfsinn nicht zu offensichtlich wurde. Auf Gores Gesicht zeigte sich eine Spur Überdruß. »Um es mit einfachen Worten zu sagen, Inspektor: Seit ich gestern abend dieses Haus betreten habe, hatte ich das Gefühl, daß hier nicht ehrlich gespielt wird. Dieser Herr hier trat ins Zimmer.« Er betrachtete Murray und schien nicht zu wissen, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. »Er erkannte mich. Das habe ich gespürt. Aber mit keinem Wort hat er es bestätigt.«

»Und?«

»Nun, was tat ich? Ich kam – wie Sie so scharfsinnig herausgefunden haben – um die Hausecke, vielleicht eine Minute bevor der Mord geschah.« Er hielt inne. »Nebenbei, haben Sie eigentlich inzwischen entschieden, ob es Mord war?«

»Darüber können wir gleich sprechen. Erzählen Sie weiter.«

»Ich blickte hier hinein und sah Murray mit dem Rücken zu mir sitzen wie eine Puppe; er regte sich nicht. Unmittelbar darauf hörte ich all die Geräusche, die wir schon so oft beschrieben bekommen haben, zuerst das Würgen, zuletzt das Platschen im Wasser. Ich zog mich vom Fenster zurück, nach links hin, und wandte mich um, weil ich sehen wollte, was im Garten vor sich ging. Aber ich blieb, wo ich war. Zu diesem Zeitpunkt kam Burrows schon aus dem Haus gelaufen, zum Teich hin. Ich zog mich zurück, wieder hin zu den Bibliotheksfenstern. Inzwischen schrillten offensichtlich auch im Haus die Alarmglocken. Und was sah ich nun? Ich sah diesen vornehmen, vertrauenswürdig wirkenden Herrn« – wieder nickte er kurz in Richtung Murray –, »wie er mit zwei Heften hantierte, wobei er eines sorgsam in seiner Tasche verstaute, das andere in aller Eile auf den Tisch legte …«

Murray hatte kritisch, doch interessiert zugehört.

»So, so?« sagte er in beinahe teutonischem Tonfall. »Sie glaubten also, ich arbeitete gegen Sie?« Das schien ihm zu gefallen.

»Natürlich. Sie arbeiteten gegen mich … Und wie üblich stellen Sie es harmloser hin, als es war«, erwiderte Gore. Seine Miene verfinsterte sich. »Deshalb zog ich es vor, nicht zu verraten, wo ich gewesen war. Ich wollte mir dieses Wissen aufheben, damit ich etwas in Reserve hatte, für den Fall, daß jemand mit üblen Tricks kam.«

»Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«

»Nein, Inspektor, ich glaube nicht. Der Rest meiner Aussage war die Wahrheit. Darf ich denn fragen, wer mich gesehen hat?«

»Knowles stand am Fenster des Grünen Zimmers«, sagte Elliot, und Gore stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. Elliot ließ seinen Blick von Gore zu Murray und weiter zu Welkyn wandern. »Hat einer von Ihnen das hier schon einmal gesehen?«

Er zog einen kleineren Bogen Zeitungspapier aus der Tasche, in den er das blutbefleckte Taschenmesser sorgfältig gewickelt hatte. Er schlug das Papier zurück und zeigte ihnen die Waffe.

Auf den Gesichtern von Gore und Welkyn zeigte sich keinerlei Regung. Doch Murray sog die bärtigen Wangen ein, sah das Beweisstück mit zusammengekniffenen Augen an und rückte seinen Stuhl näher heran.

»Wo haben Sie das gefunden?« fragte Murray eifrig.

»In der Nähe des Tatorts. Kennen Sie es?«

»Hm. Haben Sie es auf Fingerabdrücke untersucht? Nein? Ein Jammer«, sagte Murray, und sein Eifer wurde immer größer. »Würden Sie mir gestatten, es näher anzusehen, wenn ich es mit der gebotenen Vorsicht behandle? Sagen Sie es mir, wenn ich mich täusche. Aber haben nicht Sie, junger Johnny« – er sah Gore an –, »früher ein Messer gehabt, das ganz genauso aussah? Haben Sie es nicht sogar von mir geschenkt bekommen? Und jahrelang immer in der Tasche gehabt?«

»Und ob ich das hatte. Ich habe immer ein Messer in der Tasche«, bestätigte Gore, faßte hinein und holte ein altes Messer hervor, das nur um ein weniges kleiner und leichter war als jenes, das sie vor sich liegen hatten. »Aber …«

»Nun muß ich aber doch«, schaltete Welkyn sich ein und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, »nun muß ich aber doch einmal von den Rechten Gebrauch machen, mit denen Sie mich ausgestattet haben, Sir. Solche Fragen sind abwegig und ungehörig, und als Ihr Rechtsbeistand rate ich Ihnen dringend, nicht darauf zu antworten. Solche Messer gibt es wie Sand am Meer. Ich hatte selbst einmal eines.«

»Aber was ist denn Schlimmes an der Frage?« fragte Gore verblüfft. »Ich habe ein solches Messer gehabt. Es ist mit meinen Kleidern und meinem anderen Besitz mit der Titanic untergegangen. Da ist doch die Vorstellung absurd, dieses Exemplar hier könnte …«