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»Halten Sie die Maschine fest!« kommandierte der Doktor. »Der Boden hier ist verflucht abschüssig, und wir wollen ja nicht, daß das Ding uns die Treppe hinunterfällt. Und was haben wir hier? Immer wieder verblüffend, was sich im Laufe der Jahre so ansammelt, finden Sie nicht auch?«

In der Schachtel fanden sie einige gläserne Murmeln, ein rostiges Messer mit bemaltem Griff, ein paar Fliegen zum Fischen, eine kleine, schwere Bleikugel, an die vier große Haken montiert waren, daß es aussah wie ein Sträußchen, und (seltsam in solcher Gesellschaft) ein Strumpfband aus längst vergangenen Zeiten. Doch nicht diese Dinge sahen sie an. Aller Augen waren auf das gerichtet, was zuoberst lag: eine doppelte Maske aus Pergament auf Draht, die einen Kopf mit zwei Gesichtern bildete, wie die Darstellungen des Janus. Sie war schwärzlich, verschrumpelt, die Einzelheiten nicht mehr zu erkennen. Dr. Fell rührte ihn nicht an.

»Ein gräßliches Ding«, flüsterte Madeline. »Aber was um Himmels willen ist das?«

»Die Maske des Gottes«, sagte Dr. Fell.

»Die was?«

»Die Maske, die der Zeremonienmeister bei einem Hexensabbat trug. Die meisten, die davon lesen, und sogar manche, die darüber schreiben, haben keine Vorstellung davon, was das Hexenwesen wirklich war. Glauben Sie mir, ich will Ihnen keinen Vortrag halten. Aber was Sie hier sehen, ist ein schönes Beispiel. Der Satanskult war eine perverse Umkehr christlicher Rituale, aber die Wurzeln reichen in ältere, heidnische Zeit zurück. Zu den Göttern, die sie verehrten, zählten der doppelköpfige Janus, Hüter der Fruchtbarkeit und der Wegkreuzungen, und Diana, die Göttin der Fruchtbarkeit und Jungfräulichkeit. Der Hexenmeister (oder die oberste Hexe) trug entweder eine Maske mit dem Bocksgesicht Satans oder eine Maske in der Art, wie wir sie hier vor uns haben. Bah!«

Er schnippte mit dem Finger nach der Maske.

»Solche Andeutungen machen Sie ja jetzt schon eine ganze Weile«, sagte Madeline mit ruhiger Stimme. »Vielleicht bereue ich es, aber könnten Sie mir eine einfache Frage beantworten? Obwohl ich mir lächerlich vorkomme, daß ich sie stelle. Wollen Sie sagen, daß irgendwo hier bei uns Satanisten ihr Unwesen treiben?«

»Das ist ja der Witz«, erklärte Dr. Fell und machte eine Miene, als seien damit alle Rätsel gelöst. »Die Antwort lautet: NEIN.«

Zunächst herrschte Schweigen. Inspektor Elliot wandte sich um. Vor Verblüffung vergaß er ganz, daß er vor Zeugen sprach.

»Also wirklich, Sir! Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Wir haben Beweise …«

»Das ist mein Ernst. Unsere Beweise sind keinen Pfifferling wert.«

»Aber …«

»Himmel, warum bin ich darauf nicht schon früher gekommen!« rief Dr. Fell. »Ein Fall ganz nach meinem Geschmack, und trotzdem hätte ich die Lösung beinahe nicht gesehen. Elliot, mein Junge: Hier hat es keine Hexenversammlungen am Hanging Chart gegeben. Keine Panflöten, keine nächtlichen Orgien. Es ist nicht wahr, daß das hiesige Landvolk sich zu solchen Absonderlichkeiten hat hinreißen lassen. Mir hat es gleich nicht geschmeckt, schon als Sie anfingen, Ihr Beweismaterial zu sammeln, und jetzt dämmert mir die ganze gräßliche Wahrheit. Elliot, ein einziger verderbter Verstand steckt hinter allem, was hier geschehen ist, und nur der eine. Alles, von der seelischen Grausamkeit bis zum Mord, ist das Werk eines einzigen Menschen. Und das ist die ganze Wahrheit.«

Mit knarrenden Schritten traten Murray und Burrows hinzu.

»Sie wirken erregt«, meinte Murray nur.

Der Doktor blickte verlegen.

»Nun, das bin ich auch ein wenig. Noch tappe ich im dunkeln. Aber ich sehe das Licht am Ende des Tunnels, und bald werde ich Ihnen mehr sagen können. Es ist – ähm – eine Frage des Motivs.« Sein Blick war in die Ferne gerichtet, und seine Augen funkelten leise. »Außerdem ist es recht ungewöhnlich. Ein Spaß, von dem ich noch nie gehört hatte. Lassen Sie sich das gesagt sein – selbst der Satanismus ist ein ehrliches und geradliniges Geschäft im Vergleich zu dem Vergnügen, das sich hier jemand für seinen Verstand ersonnen hat. Und jetzt entschuldigen Sie mich, meine Herren – und Damen. Es gibt etwas im Garten, das ich mir näher ansehen möchte. Sie machen hier weiter, Inspektor.«

Er war schon am Treppenabsatz, bis Elliot erwachte. Unbeeindruckt nahm der Inspektor den Faden wieder auf.

»Nun denn. Sie wollten etwas fragen, Mr. Murray?«

»Ich wollte den Automaten sehen«, erwiderte dieser eifrig. »Es ist mir nicht entgangen, daß Sie mich ein wenig außen vor lassen, seit ich den wahren Erben bestimmt habe und nicht mehr weiter nützlich bin. Das ist also die Hexe. Und die Sachen hier – erlauben Sie, daß ich sie ansehe?«

Er griff nach der Schachtel, schüttelte sie und hielt sie näher unter das vom Staub graue Licht des Fensters. Elliot studierte ihn.

»Haben Sie etwas von diesen Sachen schon einmal gesehen, Sir?«

Murray schüttelte den Kopf. »Von dieser pergamentenen Maske hatte ich gehört. Aber gesehen hatte ich sie nie. Ich frage mich …«

Und das war der Augenblick, in dem der Automat sich bewegte.

Bis heute schwört Page, daß niemand ihn anstieß. Das mag die Wahrheit sein, vielleicht täuscht er sich aber auch. Sieben Leute drängten sich auf einem engen Gang, dessen abschüssiger Fußboden zur Treppe führte. Doch das Licht war trübe, und Murray, der mit dem Rücken zu der Figur stand, zog ihre Aufmerksamkeit mit dem Stück auf sich, das er in seiner Rechten hielt. Wenn eine Hand sich regte, wenn ein Fuß oder eine Schulter nachhalf, dann bemerkte es keiner. Keiner sah, wie die verrottete Puppe auf ihrem eisernen Sofa sich mit der verstohlenen Plötzlichkeit eines Automobils in Bewegung setzte, dessen Bremse sich löst. Was sie sahen, waren drei Zentner scheppernden Eisens, die davonschossen wie ein Geschützwagen, direkt auf die oberste Treppenstufe zu. Was sie hörten, war das Kreischen der Räder, das Pochen von Dr. Fells Stock auf der Treppe und Elliots Schrei:

»Um Himmels willen, sehen Sie sich vor da unten!«

Dann der Schlag, als die Maschine über die Kante ging.

Page bekam sie zu fassen. Er umklammerte die Eisenkiste, und er hätte ebensogut versuchen können, eine Kanonenkugel aufzuhalten; aber es gelang ihm, sie aufrecht zu halten, und damit verhinderte er, daß sie Hals über Kopf die Treppe hinunterging und alles zermalmte, was ihr in den Weg kam. Die mörderische Masse blieb auf ihren Rädern. Sie flogen über die ersten Stufen, und Page sah Dr. Fell, der sich eben umblickte – auf halbem Wege. Er sah das Tageslicht in der offenen Tür am Ende der Treppe. Er sah, wie Dr. Fell, der sich in dieser Enge keinen Zentimeter regen konnte, einen Arm hob, als wolle er einen Schlag abwehren. Er sah, wie in dem infernalischen Poltern die schwarze Gestalt um Haaresbreite vorüberflog.

Doch er sah mehr als das, er sah Dinge, die niemand voraussehen konnte. Er sah, wie der Automat durch die offene Tür donnerte und auf dem Gang davor landete. Von dem Aufschlag flog ein Rad davon, doch der Schwung war zu groß. Mit einem Ruck warf sich die Maschine an die Tür gegenüber, und die Tür sprang auf.

Page stolperte die Treppe hinunter. Er brauchte den Schrei aus dem Raum gegenüber nicht zu hören. Er wußte, wer in diesem Zimmer lag und warum Betty Harbottle dort lag und was da gerade hineingekommen war, um ihr einen Besuch abzustatten. Als der Automat endlich stillstand und der Lärm vorüber war, kamen die leiseren Töne wieder hervor. Einen Augenblick lang war alles still, dann hörte er deutlich die Angeln quietschen, als Dr. King die Schlafzimmertür öffnete, die wieder zugeflogen war. Das Gesicht des Arztes war weiß wie ein Laken.

»Du Teufel da oben, was hast du getan?«

DRITTER TEIL

Freitag, 31. Juli

Ein Hexensabbat

Denn das, sprach er zu sich selbst, ist letztlich der Satanskult; die Frage der äußeren Manifestationen, die seit Beginn der Welt immer wieder aufgeworfen wird, ist zweitrangig, wenn man es recht bedenkt; der Dämon hat es nicht nötig, sich in menschlicher oder tierischer Gestalt zu zeigen, um seine Gegenwart zu beweisen; es genügt, daß er seine Präsenz manifestiert, indem er Seelen zu seinem Wohnsitz wählt, die er verdirbt und zu unsäglichen Verbrechen anstachelt.