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C: Nun kommen wir an einen Punkt, Doktor, der ein wenig diffizil ist. Mr. Nathaniel Burrows sagt aus, daß der Verstorbene unmittelbar vor seinem Sturz am Rand des Teiches mit dem Rücken zum Haus stand. Mr. Burrows ist – auch wenn ich ihn zu einer eindeutigen Aussage gedrängt habe – nicht in der Lage, mit Bestimmtheit zu sagen, ob der Verstorbene zu diesem Zeitpunkt allein war. Wenn – und ich sage: wenn – er allein war, könnte er eine Waffe auf eine Entfernung von etwa drei Metern von sich geworfen haben?

D: Das wäre körperlich durchaus möglich.

C: Lassen Sie uns davon ausgehen, daß er eine Waffe in der rechten Hand hatte. Könnte er diese Waffe statt nach rechts auch nach links geschleudert haben?

D: Ich habe nichts, woraus ich schließen könnte, welcher Art die letzten Zuckungen eines Sterbenden waren. Ich kann nur sagen, daß so etwas körperlich nicht unmöglich ist.

Was nach dieser beherzten Aussage noch an Zweifeln bleiben mochte, zerstreute Ernest Wilbertson Knowles. Alle kannten Knowles. Alle wußten, was er mochte, was er nicht mochte, was für ein Mensch er war. Jeder hatte sich in Jahrzehnten überzeugen können, daß dieser Mann durch und durch aufrecht war. Er berichtete, wie er vom Fenster hinuntergeblickt hatte, wie der Mann allein in dem von Hecken umstandenen Rund aus Sand gestanden hatte, wie es unmöglich gewesen war, daß ein Mörder hinzukam.

C: Sie sind sich also in Ihrem Innersten sicher, daß Sie mit angesehen haben, wie der Verstorbene sich selbst das Leben nahm?

K: Ich fürchte, ja, Sir.

C: Wie erklären Sie es sich dann, daß er ein Messer, das er in der rechten Hand hielt, nach links statt nach rechts schleuderte?

K: Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich beschreiben kann, welche Bewegungen der verstorbene Herr machte, Sir. Anfangs glaubte ich, ich könne es, aber ich habe es mir durch den Kopf gehen lassen, und nun bin ich mir doch nicht mehr sicher. Es kam alles so schnell, da hätte die Bewegung in jede Richtung gehen können.

C: Aber Sie haben nicht wirklich gesehen, wie er das Messer schleuderte?

K: Doch, Sir, ich habe den Eindruck, das habe ich.

»DONNERWETTER!« kam eine Stimme aus dem Saal. Es klang ein wenig wie wenn Tony Weller in Dickens’ »Pickwickiern« von der Galerie herab spricht. In Wirklichkeit war es jedoch Dr. Fell, der während der Zeugenaussagen laut schnaufend geschlafen hatte, das Gesicht rot und dampfend von der Hitze.

»Ruhe im Saal!« rief der Coroner.

Burrows unterzog Knowles als Anwalt der Witwe einem Kreuzverhör, und Knowles gestand ein, daß er nicht schwören könne, wirklich gesehen zu haben, wie der Verstorbene das Messer fortschleuderte. Er habe scharfe Augen, doch so scharfe Augen auch wieder nicht. Doch all das erklärte er mit einer solchen Ernsthaftigkeit, daß die Herzen der Geschworenen sichtlich auf seiner Seite blieben. Knowles gab zu, daß er nur über seine Eindrücke sprechen könne, und gestand auch die (entfernte) Möglichkeit eines Irrtums ein, und damit mußte Burrows sich zufriedengeben.

Alles lief auf das unvermeidliche Ende hin. Es folgten die Ermittlungsergebnisse der Polizei, eine Zusammenfassung dessen, was sich über die Schritte des Verstorbenen festhalten ließ, und noch einmal ein Resümee. In der Hitze des Schuppens, wo die Bleistifte huschten wie Spinnenbeine, war es so gut wie beschlossen, daß der Verstorbene ein Betrüger gewesen war. Blicke wurden auf Patrick Gore, den wahren Erben, geworfen. Verstohlene Blicke. Anerkennende Blicke. Mißtrauische Blicke. Auch freundliche Blicke, doch selbst die nahm er ruhig und gelassen auf.

»Meine Damen und Herren Geschworenen«, sagte der Coroner, »eine Zeugenaussage haben wir noch, für die ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten möchte, obwohl ich nicht weiß, welchen Inhalts sie sein wird. Auf Mr. Burrows’ Antrag und auf ihre eigene Bitte hin tritt die Zeugin vor, um eine wichtige Aussage zu machen, und ich vertraue darauf, daß sie Ihnen bei Ihrer schwierigen Aufgabe eine Hilfe sein wird. Ich rufe Miss Madeline Dane.«

Page fuhr zusammen.

Ein überraschtes Stimmengewirr erhob sich, und die Herzen der Reporter schlugen schneller, als sie die attraktive Zeugin sahen. Page konnte sich nicht erklären, was sie vorzubringen hatte, und das machte ihn nervös. Leute rückten zur Seite, damit sie nach vorn zum Zeugenstand kommen konnte, der Coroner reichte ihr das Buch, und sie leistete den Eid mit erregter, doch klarer Stimme. Sie kam in einem blauen Kostüm, als trage sie dezente Trauer, und das Dunkelblau des Hutes traf genau die Farbe ihrer Augen. Die angespannte Stimmung löste sich ein wenig, und auch die Geschworenen, die bisher mit hölzerner Miene dagesessen hatten, erwachten zum Leben. Man konnte nicht sagen, daß die Männer sie anlächelten, aber Page hatte doch das Gefühl, daß sie nahe daran waren. Selbst der Coroner mühte sich, es ihr auf dem Stuhl bequem zu machen. Als Liebling der männlichen Bevölkerung der Umgegend war Madeline fast konkurrenzlos, und ein anerkennendes Raunen begleitete ihren Auftritt.

»Noch einmal muß ich zur Ruhe in diesem Raum mahnen!« rief der Coroner. »Würden Sie bitte Ihren Namen nennen?«

»Madeline Elspeth Dane.«

»Ihr Alter?«

»F-fünfunddreißig.«

»Ihre Adresse, Miss Dane?«

»Monplaisir, bei Frettenden.«

»Also, Miss Dane«, sagte der Coroner knapp, aber doch sanft, »Sie haben uns noch etwas über den Verstorbenen mitzuteilen? Welcher Art ist die Aussage, die Sie machen wollen?«

»Es gibt etwas, was ich Ihnen sagen muß. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll.«

»Vielleicht kann ich Miss Dane behilflich sein«, meldete sich Burrows zu Wort, der sich mit feuchter Stirn, doch würdevoll erhoben hatte. »Miss Dane, ging es …«

»Mr. Burrows«, fuhr der Coroner, der nun vollends die Geduld verlor, ihn an, »immer wieder stören Sie diese Verhandlung mit einer Respektlosigkeit, die Ihre eigenen Rechte ebenso mißachtet wie die meinen und die ich nicht dulden kann und nicht dulden werde. Sie haben das Recht, die Zeugin zu befragen, wenn ich mit meiner Vernehmung zu Ende gekommen bin, und nicht vorher. Bis dahin verhalten Sie sich ruhig, oder Sie verlassen den Saal. Hrrrr! Ahemm. Also, Miss Dane?«

»Bitte streiten Sie nicht.«

»Wir streiten uns nicht, Madam. Ich ermahne lediglich zu dem Respekt, der diesem Gericht zu zollen ist, einem Gericht, das zusammengekommen ist, um zu ermitteln, wie der Verstorbene zu Tode kam – ein Respekt, den ich mit allen Mitteln aufrechterhalten werde, auch wenn manche« – hier wanderte sein Blick zu den Reportern – »ihn gern mit Füßen treten. Also, Miss Dane?«

»Es geht um Sir John Farnleigh«, sagte Madeline ernst, »und um die Frage, ob er Sir John Farnleigh war. Ich möchte erklären, warum er den Herausforderer und dessen Anwalt so offen aufgenommen hat; warum er sie nicht einfach aus dem Haus geworfen hat; warum er so bereitwillig seine Fingerabdrücke hat nehmen lassen – ach, all die Sachen, die Ihnen vielleicht helfen können zu entscheiden, wie er gestorben ist.«

»Miss Dane, wenn Sie lediglich Ihre Meinung dazu äußern wollen, ob der Verstorbene Sir John Farnleigh war oder nicht, dann muß ich Ihnen leider sagen …«

»Nein, nein, nein. Ich weiß nicht, ob er der echte war. Aber darum geht es ja gerade. Er wußte es nämlich selber nicht.«

Kapitel 15

Dem Aufruhr in dem dämmrigen Schuppen nach zu urteilen, waren alle Anwesenden überzeugt, daß dies die Sensation des Tages war, auch wenn keiner wußte, was es zu bedeuten hatte. Der Coroner räusperte sich und wackelte mit dem Kopf wie eine frisch aufgezogene Marionette.

»Miss Dane, diese Verhandlung ist keine Gerichtsverhandlung, sondern lediglich eine amtliche Ermittlung der Todesursache; deshalb kann ich Ihnen gestatten, an Aussagen vorzubringen, was Sie vorzubringen haben, solange es Aufschlüsse enthält, die uns nützlich sein könnten. Würden Sie wohl so freundlich sein und uns erklären, was Sie meinen?«