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Sie haben sich an den armen John angeschlichen wie an – na, Sie können es sich ausmalen. Er hatte nicht die geringste Chance. Als sicher war, daß er im Garten war, schlich Mr. Murray sich nach draußen. Er ist ein kräftiger Mann. Er bekam John zu fassen und tötete ihn. Er entschloß sich zu der Tat erst, als ihm nichts anderes mehr übrigblieb. Sie hatten gehofft, daß John nachgeben und erklären würde, daß er sein Gedächtnis verloren habe und nicht sicher sein könne, ob er wirklich der echte Erbe sei. Dann wäre es vielleicht nicht nötig gewesen, ihn umzubringen. Aber er sagte nichts. Und so blieb ihnen keine andere Wahl. Aber Mr. Murray mußte erklären, warum der ›Vergleich der Fingerabdrücke‹ so ungewöhnlich lange gedauert hatte. So erfand er die Geschichte von den zwei Heften, die er habe austauschen müssen, und brachte eines beiseite, das er später wieder zurücksteckte. Und Nat sagt«, brachte sie atemlos ihren Bericht zu Ende und sah dabei Dr. Fell an, »… er sagt, Sie sind genau in die Falle gegangen, die Mr. Murray für Sie aufgestellt hatte.«

Inspektor Elliot drückte nachdenklich seine Zigarette aus.

»Und das wäre die ganze Geschichte, hm? Erklärt Ihr Mr. Burrows denn auch, wie Murray ungesehen einen Mord unter den Augen von Knowles und praktisch auch unter den Augen von Burrows selbst beging?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Das hat er mir nicht verraten. Entweder, weil er es für sich behalten wollte, oder, weil er die Sache noch nicht zu Ende gedacht hatte.«

»Er hatte die Sache noch nicht zu Ende gedacht«, sagte Dr. Fell mit hohler Stimme. »Ein leichtes Nachlassen der zerebralen Aktivitäten. Hausaufgaben nicht rechtzeitig fertiggeworden. Beim Barte meiner Großmutter. Das ist ja eine haarsträubende Geschichte.«

Zum zweitenmal an jenem Tag hatte Madeline so heftig geredet, daß sie davon außer Atem war. Es war, als werde nun auch sie, die Nerven zerrüttet, von dem warmen Wind aus dem Garten geschüttelt, von dem Gefühl der Erwartung, das offenbar das ganze Haus gepackt hatte.

»Was halten Sie davon?« fragte sie.

Dr. Fell überlegte.

»Es sind Denkfehler darin. Schwere Denkfehler.«

»Das spielt keine Rolle«, sagte sie und sah ihm ins Auge. »Ich glaube es ja selbst nicht so ganz. Aber jetzt habe ich Ihnen berichtet, was Sie wissen wollten. Und was wollten Sie uns nun noch an Hinweisen geben, über das, was wirklich geschehen ist?«

Er warf ihr einen seltsamen Blick zu, als traue er ihr nicht.

»Haben Sie uns wirklich alles erzählt, Ma’am?«

»Alles, was ich – erzählen kann oder zu erzählen wage. Fragen Sie mich nicht nach mehr. Bitte nicht.«

»Eine Frage möchte ich Ihnen gern noch stellen«, beharrte Dr. Fell, »selbst wenn es den Anschein haben mag, als wollte ich alles noch mysteriöser machen. Sie kannten den verstorbenen Farnleigh sehr gut. Es ist nicht ganz eindeutig, und es geht auch wieder ins Psychologische – aber wenn wir die Antwort zu der folgenden Frage finden, sind wir der Lösung des Falles schon sehr nahe. Warum hat Farnleigh sich fünfundzwanzig Jahre lang gegrämt? Warum hat die Tatsache, daß er sich nicht erinnerte, ihn dermaßen bedrückt? Natürlich hätte es die meisten für eine Weile unglücklich gemacht, aber eine so entsetzliche Narbe hätte es nicht zurückgelassen. Hat ihn zum Beispiel das Gefühl gequält, er habe ein Verbrechen oder sonst eine Schandtat begangen?«

Sie nickte. »Ja, ich glaube, genau das war es. Er kam mir immer vor wie die alten Puritaner in den Büchern, in unsere heutige Zeit versetzt.«

»Aber er konnte sich nicht erinnern, was es gewesen war?«

»Nein – das einzige war dieses Bild von der krummen Türangel.«

Allein diese beiden Worte hatten schon etwas Beunruhigendes, Unheilvolles, fand Page. Es schien doch, daß Sie etwas bedeuten, auf etwas anderes verweisen sollten. Was war das für eine Türangel? Und warum war sie krumm?

»Vielleicht eine freundliche Formulierung für ›eine Schraube locker‹?« fragte er.

»N-nein, das glaube ich nicht. Ich meine, ich hatte nicht den Eindruck, daß es ein sprachliches Bild war. Manchmal erschien vor seinem inneren Auge wirklich eine Türangel, ein Scharnier; eine weiße Tür war es. Und dann bog sie sich vor seinen Augen und zerbrach oder zerbarst irgendwie. Er sagte, es sei ihm im Gedächtnis, wie einem das Muster einer Tapete im Gedächtnis bleibt, die man vom Krankenbett aus sieht.«

»Eine weiße Tür«, sagte Dr. Fell. Er blickte Elliot an. »Damit hätten wir es, mein Junge. Hm?«

»Ja, Sir.«

Der Doktor holte tief und geräuschvoll Luft.

»Nun gut. Lassen Sie uns überlegen, was an diesen Spekulationen wahr sein könnte. Ich will Ihnen ein paar Punkte nennen.

Erstens. Von Anfang an ist viel darüber geredet worden, wer einen Schlag auf den Kopf mit einem ›hölzernen Seemannshammer‹ bekommen hat und wer nicht. Alle haben sich Gedanken um diesen Schlag gemacht, aber keiner um den Hammer. Woher kam denn ein solches Werkzeug? Wieso war es überhaupt zur Hand? Ein Seemann auf einem modernen Dampfer hätte für einen solchen Hammer nicht mehr viel Verwendung. Mir fällt nur ein einziges Objekt ein, auf das dieser Ausdruck passen könnte.

Wenn Sie schon einmal über den Atlantik gefahren sind, haben Sie solche Hämmer wahrscheinlich gesehen. Einer davon hängt neben jedem Schott – jeder der Stahltüren, die man in modernen Schiffen in den Gängen unter Deck in regelmäßigen Abständen findet. Diese Stahltüren sind wasserdicht oder sollen es zumindest sein. Bei einem Unglück lassen sie sich schließen, man macht die Schotten dicht, damit eindringendes Wasser sich nicht ausbreiten kann. Der Hammer an jeder Tür – eine finstere Warnung – dient dem Steward als Waffe, falls es unter den Passagieren zur Panik kommt und sie ihn am Schließen der Tür hindern wollen. Die Titanic, werden Sie sich erinnern, war für ihre wasserdichten Schotten berühmt.«

»Und?« fragte Page, als der Doktor nicht weitersprach. »Was schließen wir daraus?«

»Bringt Sie das nicht auf einen Gedanken?«

»Nein.«

»Der zweite Punkt«, fuhr Dr. Fell fort. »Jener hochinteressante Automat, die Goldhexe. Finden Sie heraus, wie der Automat im siebzehnten Jahrhundert funktioniert hat, und Sie haben das Haupträtsel dieses Falles gelöst.«

»Aber das ist doch Unsinn!« rief Madeline. »Ich meine – das hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was mir durch den Kopf geht. Ich dachte, wir kommen auf dieselbe Lösung, und jetzt …«

Inspektor Elliot warf einen Blick auf seine Uhr. »Sir«, sagte er nüchtern, »wenn wir den Zug bekommen und vorher noch im Herrenhaus vorbeisehen wollen, dann müssen wir los.«

»Gehen Sie nicht«, bat Madeline unvermittelt. »Lassen Sie mich nicht allein. Bitte. Du bleibst doch wenigstens hier, Brian, oder?«

»Auf so etwas habe ich schon gewartet, Ma’am«, entgegnete Dr. Fell mit schönster Ruhe. »Was liegt Ihnen auf der Seele?«

»Ich habe Angst«, gestand Madeline. »Ich glaube, das ist auch die Erklärung, weshalb ich soviel geredet habe.«

Als Brian Page begriff, wie ihr wirklich zumute war und was der Grund dafür war, war es für ihn wie ein Schock.

Dr. Fell legte die Zigarre auf seiner Untertasse ab. Er riß ein Streichholz an, lehnte sich vor und zündete bedächtig die Kerzen auf dem Tisch an. Vier goldene Flammen kräuselten sich zunächst und brannten dann stetig in der warmen, stillen Luft; sie schwebten wie schwerelos über den Kerzen. Das Zwielicht wurde hinausgedrängt in den Garten, und in ihrem gemütlichen Winkel am Rande des Dunkels glänzten Madelines Augen im Kerzenschein; sie blickten ruhig, doch die Pupillen waren groß. Es stand Furcht darin, doch zugleich blickten sie erwartungsvoll.

Der Doktor schien verlegen. »Ich fürchte, wir können nicht bleiben, Miss Dane. Es gibt ein paar Dinge in diesem Fall, denen wir nachgehen müssen, und das können wir nur in London tun. Trotzdem, Page, wenn Sie …«