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Er sagte:

»Aber nein, um Himmels willen; natürlich ist alles in Ordnung. Ich dachte nur einfach, Motten sind lästig. Deswegen habe ich die Fenster zugemacht.«

»Sollen wir ins andere Zimmer gehen?«

Besser das Ding nicht aus den Augen verlieren. Besser, wenn man es nicht einfach gehen ließ, wohin es wollte.

»Ach, laß uns hierbleiben und noch eine Zigarette rauchen.«

»Gern. Noch etwas Kaffee?«

»Mach dir nicht die Umstände.«

»Das sind keine Umstände. Er steht schon fertig auf dem Herd.«

Sie lächelte, das breite Lächeln eines Menschen, dessen Nerven bloßliegen, und ging hinüber in die Küche. Er zwang sich, nicht aus dem Fenster zu sehen, während sie draußen war. Es schien ihm, daß sie lange fortblieb, und er machte sich auf die Suche nach ihr. Sie kam ihm in der Tür entgegen, eine frische Kanne Kaffee in der Hand. Ihre Stimme war ruhig.

»Brian, hier ist etwas nicht in Ordnung. Die Hintertür war offen. Ich weiß, daß ich sie verschlossen hatte, und Maria schließt sie immer ab, wenn sie nach Hause geht.«

»Dann hat Maria es eben diesmal vergessen.«

»Ja. Da hast du wahrscheinlich recht. Es ist schon albern, wie ich mich anstelle. Wirklich. Laß uns sehen, ob wir etwas zum Aufmuntern finden.«

Es schien, als erwache sie aus einem Traum, mit einem entschuldigenden und doch trotzigen Lachen, und ihr Gesicht bekam wieder mehr Farbe. In einer Zimmerecke, so dezent wie Madeline selbst, stand ein Radio. Sie schaltete es ein. Ein paar Sekunden vergingen, bis es sich aufgewärmt hatte; dann schwoll es zu einer solchen Lautstärke an, daß sie beide zusammenfuhren.

Sie stellte es leiser, aber das Auf und Ab eines Tanzorchesters erfüllte den Raum wie die Brandung der See. Die Melodien schienen wie gewohnt, die Ansagen noch lästiger als sonst. Madeline hörte ein paar Augenblicke lang zu. Dann kehrte sie an den Tisch zurück, nahm Platz und goß für sie beide Kaffee ein. Sie setzten sich im rechten Winkel zueinander, so nahe, daß er ihre Hand hätte berühren können. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster. Und immer hatte er das Gefühl, daß da etwas draußen war, etwas, das wartete. Er überlegte, was er tun sollte, wenn ein schrundiges Gesicht sich hinter der Glasscheibe zeigte.

Doch nicht nur seine Nerven konnte er spüren – auch sein Gehirn war nun endlich wieder in Gang gekommen. Es war, als erwache er aus einem Traum. Es war, als fasse er zum erstenmal wieder klare Gedanken, als fielen Fesseln von ihm ab und als sprengte sein Gehirn die eisernen Bänder, die es gefangenhielten.

Was wußte er über diese Puppe? Sie bestand aus leblosem Eisen und Uhrwerken und Wachs. Für sich genommen, war sie nicht gefährlicher als ein Küchenherd. Das konnte er mit Bestimmtheit sagen, denn sie hatten sie untersucht. Sie stand nur zu dem Zweck dort draußen, zu erschrecken; die Absicht eines Menschen steckte dahinter, eine greifbare Hand.

Sie war nicht aus eigenem Antrieb über den Pfad von Farnleigh Close herübergekommen wie eine böswillige Alte im Rollstuhl. Sie war hergebracht worden, um sie zu erschrecken, und auch das wies wiederum auf eine eindeutige Absicht, eine eindeutige Hand. Und es schien ihm, daß dieser Automat sich bestens in ein Muster fügte, das sich bei diesem Fall schon von Anfang abzeichnete und das er eigentlich auch von Anfang an hätte sehen sollen …

»Gut«, riß Madeline ihn aus seinen Gedanken, »laß uns darüber reden. Es wäre wohl wirklich besser.«

»Darüber?«

»Über alles«, sagte Madeline und ballte die Fäuste. »Ich – ich glaube, ich weiß mehr darüber, als du denkst.«

Nun galt seine Aufmerksamkeit von neuem ganz ihr. Wieder hatte sie die Hände flach auf den Tisch gelegt, als wolle sie sich davon abstoßen. Das leise, ängstliche Lächeln hielt sich noch um Augen und Mund. Doch nun war sie still, beinahe kokett, und nie war sie ihm verlockender vorgekommen.

»Ich frage mich, ob du wohl weißt, was ich erraten habe«, sagte er.

»Das wüßte ich auch gern.«

Er behielt den offenen Fensterspalt ständig im Auge. Er hatte den Eindruck, daß er weniger zu Madeline, sondern eher zu etwas dort draußen sprach, etwas, das dort lauerte und dessen Gegenwart das ganze Haus umfaßte.

»Wahrscheinlich geht es mir gleich besser, wenn ich das erst einmal von der Seele habe«, fuhr er fort, den Blick nach wie vor auf das Fenster geheftet. »Laß mich zuerst etwas fragen. Hast du je davon gehört, daß es hier in der Gegend einen – einen Hexenkult gibt?«

Sie zögerte.

»Ja. Gerüchte habe ich gehört. Warum?«

»Es geht um Victoria Daly. Die wichtigsten Fakten habe ich gestern von Dr. Fell und Inspektor Elliot erfahren; ich hatte sogar alles, was ich brauchte, um sie zu deuten – ich war nur nicht gewitzt genug, mir alles zusammenzureimen. Aber jetzt ist es mir aufgegangen. Wußtest du, daß sich nach dem Mord an Victoria herausstellte, daß ihr Körper mit einer Substanz eingerieben war, einer Mischung aus Rübensaft, Eisenhut, Fingerkraut, Tollkirsche und Ruß?«

»Warum erzählst du mir das? Was haben denn diese ganzen gräßlichen Dinge mit unserem Fall zu tun?«

»Eine ganze Menge. Diese Mischung ist ein Rezept, eines von mehreren, für die berühmte Hexensalbe – tu nicht so, als hättest du noch nie davon gehört –, mit der die Hexen sich einrieben, bevor sie auf den Sabbat gingen. * [* Eine pharmakologische Analyse dieser Salben findet sich bei Margaret Alice Murray, The Witch-Cult in Western Europe ( Oxford University Press, 1921), Anhang V, S. 279 f., und J. W. Wickwar, Witchcraft and the Black Art (Herbert Jenkins, 1925), S. 36 – 40. Siehe auch Montague Summers, History of Witchcraft and Demonology (Kegan Paul, 1926).] Eine Zutat fehlt – das Fleisch eines Kindes –, aber ich nehme an, selbst beim sorgfältigsten Mörder hat der Realismus Grenzen.«

»Brian!«

Denn das Bild, das vor seinem inneren Auge aus dem ganzen raffinierten Gewirr von Ereignissen heraus allmählich Gestalt annahm, war weniger das eines Hexenmeisters als eher das Bild eines Mörders.

»Doch, glaube mir. Ich verstehe ein wenig von diesen Dingen, und ich weiß gar nicht, warum ich nicht gleich darauf gekommen bin. Jetzt überlege einmal, was wir daraus folgern können – was auf der Hand liegt und was Dr. Fell und der Inspektor schon vor langem daraus geschlossen haben. Und ich meine nicht die Tatsache, daß Victoria sich mit satanistischen Praktiken abgegeben oder zumindest so getan hat. Das ist offensichtlich.«

»Wieso?«

»Mal es dir doch aus. Sie reibt sich am Lammas Eve mit dieser Salbe ein, am Vorabend einer der großen Hexenversammlungen. Sie wird um Viertel vor zwölf umgebracht, und der Sabbat beginnt um Mitternacht. Da können wir doch davon ausgehen, daß sie die Salbe aufgetragen hatte, ein paar Minuten bevor der Mörder kam. Der Mord geschieht in ihrem Schlafzimmer im Erdgeschoß, und das Fenster steht weit offen: der traditionelle Weg, auf dem die Hexen das Haus zum Sabbat verließen – oder glaubten, daß sie es verließen.«

Er sah sie nicht an, aber er hatte doch das Gefühl, daß Madeline ein wenig die Stirn runzelte.

»Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst, Brian. Du sagst, die Hexen glaubten, daß sie das Haus verließen, weil sie …«

»Darauf komme ich gleich noch. Aber zuerst die Frage: Was sagt uns das über ihren Mörder? Das Wichtigste ist folgendes: Ganz gleich, ob nun der Landstreicher Victoria Daly umbrachte oder nicht, war auf alle Fälle eine dritte Person im Haus, entweder zur Tatzeit oder kurz darauf.«