Damson atmete tief ein. »Könnt Ihr es?«
»Folgt mir einfach und bleibt hinter mir. Gebt mir Rückendeckung. Erinnert Euch daran, wie viele es sind. Verliert das nicht aus den Augen. Wenn ich zu Boden gehe, dann verschwindet von dort.« Sie richtete sich auf. »Seid Ihr bereit?«
»Jetzt?«
»Je eher wir beginnen, desto eher werden wir fertig sein.«
Damson nickte schweigend. Sie fühlte sich von dem, was geschah, so weit entfernt, als beobachte sie es von einem anderen und günstigeren Angriffspunkt aus. »Ich habe nur ein Jagdmesser.«
»Gebraucht, was immer Ihr habt. Erinnert Euch einfach an das, was ich gesagt habe.«
Matty legte ihren Umhang ab, zog das schlanke Kampfschwert aus ihrem Gepäck hervor und band es sich auf den Rücken. Sie trug es auf dieselbe Art, wie Morgan Leah das seine trug. Sie befestigte einen Gürtel mit Wurfmessern an ihrer Taille und ließ ein breitklingiges Jagdmesser in ihren Stiefel gleiten. Damson beobachtete sie schweigend. Zwei gegen fünf, dachte sie. Aber es gab noch mehr Ungleichheiten. Diese Männer waren erfahrene Kämpfer, Meuchelmörder, die sie töten würden, ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern. Doch dann schob sie alle Grübeleien beiseite.
Sie verschwanden in der Nacht und glitten über das Grasland wie Geister. Damson führte Matty denselben Weg zurück, den sie zuvor gegangen war. Sie beobachteten, wie das Licht der Öllampen in der Hütte beim Näherkommen heller wurde. Die Stimmen der Männer drangen bis zu ihnen, begrüßten sie rauh und heiser. Damson konnte das Glühen der Pfeife auf der Veranda nicht mehr sehen, aber das bedeutete nicht, daß der Wächter verschwunden war. Sie betraten nördlich der Hütte den Wald, näherten sich ihr von hinten und drückten sich schließlich flach gegen die rauhe Bretterwand. Die Geräusche von innen begleiteten offenbar weiterhin Spiele und Trinken.
Sie spähten um die Südseite der Hütte herum, aber auf der Vorderseite war kein Zeichen von dem Wächter zu sehen. Matty ging jetzt voran und hielt dabei das Schwert gezückt vor sich. Gemeinsam eilten sie zu dem Fenster und warfen einen schnellen Blick hinein. Die Szene war unverändert geblieben. Der Gefangene lag noch immer an der Rückwand der Hütte in seine Decke gewickelt auf dem Boden, und vier Männer saßen noch immer an dem Tisch. Damson und Matty wechselten einen schnellen Blick und tasteten sich dann zur Vorderseite der Hütte vor. Sie erreichten die Ecke und schauten zu der abgesackten Veranda hinüber.
Der Wächter war fort.
Mattys Gesicht umwölkte sich, aber sie trat dennoch ins Licht. Mit dem Schwert in der Hand ging sie auf die geöffnete Tür zu. Damson folgte ihr, schaute nach links und nach rechts und überlegte, wo der Wächter sein konnte. Sie hatten die Tür fast erreicht, als der Mann wieder aus der Dunkelheit auftauchte. Er war vielleicht bei den Tieren gewesen und achtete jetzt bei jedem Schritt, wohin er trat, und brabbelte dazu vor sich hin. Daher bemerkte er die Frauen auch nicht, bis er die Veranda erreichte, grunzte dann überrascht und griff nach seinen Waffen. Aber Matty war schneller. Sie hob das Schwert mit ihrer linken Hand, griff mit ihrer rechten nach unten, zog eines der Wurfmesser heraus und schleuderte es auf den Mann. Die Klinge erwischte ihn in der Brust, und er fiel mit gequältem Stöhnen rückwärts von der Veranda hinab.
Dann waren sie durch die Tür hindurch und standen in der Hütte. Matty als erste und Damson hinter ihr. Der Raum war klein und verraucht und so beengt, daß es schien, als wollten sie sich einfach in den Kreis der Sklavenhändler einreihen. Damson konnte ihre Gesichter deutlich sehen, den Schweiß auf ihrer Haut und die Verärgerung und Überraschung in ihren Augen. Die Männer sprangen vom Tisch auf und rissen ihre Waffen aus Gürteln und Scheiden heraus. Schreie und Flüche erklangen, Gläser und Zinnbecher wurden umgestoßen, und Bier ergoß sich über den Boden. Matty tötete den nächststehenden Mann und wandte sich dann einem anderen zu. Der Tisch kippte um und verstreute alles im ganzen Raum. Einer der Männer wandte sich dem Gefangenen zu, aber Matty war schon zu nah, und so wandte er sich erneut um, um ihr entgegenzutreten. Ein zweiter Mann ging zu Boden, Blut strömte aus seiner Kehle, die er mit den Händen umklammerte, bis er zusammensank. Die beiden letzten Männer stürzten auf Matty Roh zu. Ihre Schwerter und Messer blitzten gefährlich im Lampenlicht, und sie zwangen sie zur Wand zurück. Damson trat fort und suchte nach einer Lücke. Jemand ergriff sie von hinten; der fünfte Mann, aus dessen Wunde das Blut rann, war durch den Eingang hereingesprungen und umklammerte sie mit seinen Fingern. Sie entwand sich ihm, da er wegen seiner Verletzung keinen festen Halt finden konnte, schob ihn dann wieder zur Tür hinaus und die Stufen hinab. Draußen schrien die Maultiere und traten erschreckt gegen die Hüttenwand.
Matty stürzte auf die Männer vor ihr zu und schlug auf sie ein. Sie kämpfte darum, nicht von zwei Seiten angegriffen zu werden, und schrie nach Damson. Eine Lampe zerbrach, Öl spritzte umher, und Flammen breiteten sich über den Boden der Hütte aus. Damson sprang dem nächststehenden Mann auf den Rücken und krallte sich in seine Augen. Er heulte vor Schmerz auf und ließ seine Waffen fallen. Dann kämpfte er mit bloßen Händen darum, sie abzuschütteln. Sie ließ los, warf sich beiseite und faßte nach ihrem Messer. Der Mann griff sie wütend an, ohne auf irgend etwas anderes zu achten, stolperte und fiel in die Flammen. Seine Kleidung fing Feuer und begann zu brennen, und er lief schreiend durch die Tür in die Nacht hinaus.
Der letzte Mann hielt noch einen Moment länger stand und rannte dann ebenfalls zur Tür hinaus. Flammen schössen jetzt die Wände hinauf, strebten den Balken zu und verschlangen hungrig das trockene Holz. Damson und Matty eilten zur Rückwand der Hütte, wo sich der Gefangene auf die Knie erhoben hatte und an dem Ring zog, der ihn an die Wand kettete. Matty schob ihn schweigend beiseite, zog das große Jagdmesser aus ihrem Stiefel und hackte und schnitt und stieß auf die Wand ein, bis der Ring herausbrach. Dann eilten sie auf die Hüttentür zu, während die Flammen überall um sie herum hochschlugen und die Hitze ihr Haar und ihre Haut versengte. Sie waren fast hinausgelangt, als sich der Gefangene ihnen entwand und zurücklief. Seine Ketten schleppten über den Boden, als er in den Rauch und das Feuer zurückeilte und den Schutt auf dem Boden absuchte, bis er mit dem Schwert von Shannara wieder herauskam.
Erst als sie alle draußen waren, nach Luft rangen und Rauch und Staub aushusteten, während die Hütte hinter ihnen abbrannte, erkannte Damson, daß es nicht Par Ohmsford war, den sie befreit hatten, sondern sein Bruder Coll. Sie nahmen sich gerade lang genug Zeit, um die Fesseln von Colls Handgelenken und Knöcheln zu lösen, warfen ängstliche Blicke über ihre Schultern in die Nacht und glitten dann schnell davon. Die rauchende Ruine der Hütte, den leeren Wagen und die Körper der Toten ließen sie zurück. Die Maultiere waren schon längst davongelaufen, die beiden übrigen Sklavenhändler waren mit ihnen verschwunden, und das Land war bar allen Lebens. Coll und die Frauen rochen nach Feuer und Asche, ihre Augen tränten von dem Rauch, und sie waren mit dem Blut der Männer beschmiert, die sie getötet hatten. Matty hatte mehrere leichtere Verletzungen erlitten, und Damson hatte Kratzer im Gesicht, aber beide waren ohne ernsthaften Schaden davongekommen. Coll Ohmsford ging wie ein Mann, dessen Beine gebrochen waren.
Im Schutz der Bäume, unter denen sie ihre Ausrüstung zurückgelassen hatten, säuberten sie sich, so gut es ging, aßen etwas, tranken ein wenig Wasser und versuchten herauszufinden, was geschehen war. Sie entdeckten ziemlich schnell, daß Coll die andere Hälfte des Skree trug, die Hälfte, die er Par gestohlen hatte, als er noch unter dem Einfluß des Spiegeltuchs stand, und das erklärte, warum Damson und Matty geglaubt hatten, sie würden Par folgen. Es erklärte aber noch nicht, warum das Skree in zwei Richtungen aufgeleuchtet hatte, als Damson es an der Südwache geprüft hatte, obwohl sie, nachdem sie Colls Geschichte über sich und seinen Bruder gehört hatte, annehmen konnte, daß Pars Magie die Scheibe in irgendeiner Weise beeinflußt hatte. Pars Magie schien fast alles zu beeinflussen, mit dem sie in Berührung kam, bemerkte Coll. Irgend etwas geschah mit seinem Bruder, und wenn sie nicht bald zu ihm gelangten und vernichteten, was auch immer an ihm zerrte, würden sie ihn verlieren. Coll konnte Damson und Matty nicht erklären, warum das so war, aber er war davon überzeugt. Als er die Magie des Schwertes von Shannara ausgelöst hatte, war die Wahrheit über verschiedene Dinge offenbart worden, die zuvor vor ihm verborgen waren, und dies war eine davon.