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»Es wäre hilfreich«, sagte Felsen-Dall leise, »wenn du nicht solche Angst vor dem Wort hättest.«

Schattenwesen.

»Was du bist, wird dadurch, wie man dich nennt, nicht verändert werden. Oder dadurch, wie du dich selbst nennst. Deine Angst, die Wahrheit über dich selbst zu akzeptieren, bedroht dich.«

Schattenwesen.

Par Ohmsford hörte das Flüstern in seinem Geist als unendliche Wiederholung, die ihn jetzt nicht mehr im Wachen, sondern auch im Schlaf jagte. Und Felsen-Dall hatte recht – er konnte seiner Angst davor und der wachsenden Gewißheit, daß er genau solch ein Wesen war, nicht entkommen. Er hatte dagegen von Anfang an gekämpft, denn das war der Feind, den zu vernichten der Schatten Allanons die Kinder von Shannara ausgesandt hatte.

Er erhob sich vom Rand seines Bettes und trat zum Fenster, um in die Nacht hinauszusehen. Der Himmel war bewölkt, und das Land lag neblig und still da wie ein zerrissener, schattenhafter Spielplatz für die Phantome seines Geistes. Er zerfiel, und er wußte das. Er konnte es geschehen spüren. Seine Gedanken waren zerstreut und zusammenhanglos, sein Denken geriet ständig an Hindernisse, und seine Konzentration war bis zur Nutzlosigkeit zerrüttet. Es wurde jeden Tag schlimmer, und die ihn umgebende Dunkelheit erfüllte ihn wie eine Schale, die bald überzulaufen drohte. Er schien dem nicht entkommen zu können. Seine Nächte waren von Träumen durchsetzt, wie er sich selbst als Schattenwesen begegnete, und seine Tage waren zerrissen und ermüdend und aller Hoffnung beraubt. Die Verzweiflung richtete ihn zugrunde, und er glitt stetig in den Wahnsinn ab.

Die ganze Zeit über kam Felsen-Dall immer wieder zu ihm, um mit ihm zu sprechen, um seine Hilfe anzubieten. Er wisse, wie schlimm es sei, versicherte er dem Talbewohner. Er kannte die Forderungen der Magie. Hin und wieder hatte er Par gewarnt, daß er sich dem stellen müsse, wer und was er sei, und die Schritte unternehmen müsse, die notwendig waren, um sich selbst zu schützen. Wenn es ihm nicht gelänge, dies zu tun – und nicht gelänge, es sofort zu tun –, wäre er verloren.

Die Gestalt in dem schwarzen Umhang trat neben ihn, und einen Moment lang hatte Par das Bedürfnis, Trost in der schattenhaften Kraft des anderen zu suchen. Der Drang war so groß, daß er sich auf die Lippen beißen mußte, um es nicht zu tun.

»Hör mir zu, Par«, drängte die flüsternde Stimme leise und beschwörend. »Jene Wesen in der Grube in Tyrsis waren wie du einst. Sie hatten die Magie zur Verfügung – nicht wie deine, denn ihre Magie war von schwächerer Art, aber doch ähnlich wie deine, weil sie ebenfalls real war. Sie verleugneten, wer und was sie waren. Wir versuchten sie zu erreichen, oder zumindest so viele, wie wir finden konnten. Wir drängten sie zu akzeptieren, daß sie Schattenwesen waren, und die Hilfe anzunehmen, die wir ihnen bieten konnten. Sie haben es abgelehnt.«

Eine Hand legte sich leicht auf Pars Schulter, und er schreckte zurück. Die Hand regte sich nicht. »Die Föderation hat sie alle gefunden, hat sie mit nach Tyrsis genommen und in die Grube gebracht und sie eingesperrt wie Tiere. Das hat sie vernichtet. In der Dunkelheit gefangen, aller Hoffnung und Vernunft beraubt, wurden sie schnell zu Opfern. Die Magie vereinnahmte sie und machte sie zu den Monstern, die du vorgefunden hast. Jetzt leben sie ein furchtbares Dasein. Wir, die wir Schattenwesen sind, können zwischen ihnen einhergehen, denn wir können sie verstehen. Aber sie können niemals wieder befreit werden, und die Föderation wird sie dort lassen, bis sie sterben.«

Nein, dachte Par. Nein, ich glaube dir nicht. Ich tue es nicht.

Aber er war sich nicht sicher, genauso, wie er sich im Moment mit vielem nicht sicher war. Zu vieles war geschehen, als daß er hätte sicher sein können. Er wußte, daß er von Magie vereinnahmt wurde, aber er wußte nicht, wessen Magie es war. Er hatte beschlossen, daß er Felsen-Dall hinhalten müßte, bis er es herausfinden konnte, aber er hatte bisher keinerlei Fortschritte gemacht. Er war gefangen wie die Wesen in der Grube, und obwohl Felsen-Dall ihm wiederholt Hilfe angeboten hatte, konnte er nicht akzeptieren, daß die Hilfe des Ersten Suchers das sein sollte, was er brauchte.

Dämonen wirbelten vor seinen Augen umher, scharfsichtige Monster, die spotteten und lachend davontanzten. Sie folgten ihm überallhin. Sie lebten mit ihm wie Parasiten. Die Magie nährte sie und gab ihnen Leben.

Unten in den Tiefen der Südwache ging das Summen beständig und unerbittlich weiter.

Er wirbelte von dem Fenster und der Berührung des großen Mannes fort. Er wollte sein Gesicht in den Händen verbergen. Er wollte weinen oder schreien. Aber er hatte beschlossen, nichts zu zeigen, und wollte dieses Versprechen halten. So vieles war ihm widerfahren, dachte er. So vieles, von dem er sich wünschte, es wäre ihm nie widerfahren. Einiges davon begann zu verblassen, und seine schwachen Erinnerungen verloren sich im Nebel der Verwirrung. Einiges blieb wie der herbe Geschmack von Metall auf seiner Zunge. Es fühlte sich an, als würde innerlich alles so aufgewühlt wie windgetriebene Wolken, die Gestalt annehmen und wieder andere Gestalt annehmen und sich darin niemals länger als einen Augenblick zeigen.

»Du mußt zulassen, daß ich dir helfe«, flüsterte Felsen-Dall, und es war eine Dringlichkeit aus seiner Stimme herauszuhören, die Par nicht ignorieren konnte. »Laß es nicht geschehen, Par. Gib dir eine Chance. Bitte. Du mußt es tun. Du bist den Weg so lange allein gegangen. Die Magie ist eine zu große Last. Du kannst sie nicht allein weitertragen.«

Die großen Hände legten sich erneut auf seine Schultern, hielten ihn fest und erfüllten ihn mit Kraft.

Und Par spürte all seine Entschlossenheit im Handumdrehen schwinden, zerbröckeln und herabfallen wie Scherben zersprungenen Glases. Er war so müde. Er wollte, daß ihm jemand half. Irgend jemand. Er konnte nicht weitermachen. Die Dämonen flüsterten heimtückisch. Ihre Augen glänzten vor Erwartung. Er wischte erfolglos über sie hinweg, und sie lachten nur. Er biß vor Wut über sie die Zähne zusammen. Er spürte, wie die Magie sich in ihm aufbaute, und er zwang sie nur mühsam zurück.

»Laß mich dir helfen, Par«, bat Felsen-Dall und hielt ihn weiterhin fest. »Es kostet mich nicht einmal einen Moment, es zu tun. Erinnerst du dich? Laß mich nur lange genug in dich hineingelangen, daß ich erkennen kann, wo die Magie droht. Laß mich dir helfen, den Schutz zu finden, den du brauchst.«

Genug von Allanon. Genug von den Druiden und ihren War- nungen. Genug von allem. Wo sind jetzt jene, die sagten, sie wür- den mir helfen? Jetzt, wo ich sie brauche? Alle fort, alle verloren. Sogar Coll. Ich bin so müde.

»Wenn du willst«, flüsterte Felsen-Dall, »kannst du zuerst in mich hineingelangen. Es ist nicht schwer. Du kannst dich ganz leicht aus dir selbst herausbegeben, wenn du es versuchst. Ich kann es dir zeigen, Par. Sieh mich nur an. Dreh dich um und sieh mich an.«

Das Schwert von Shannara verloren. Wren und Walker und Morgan verschwunden. Wo ist Damson? Warum bin ich immer allein?

Tränen traten in seine Augen und machten ihn blind.

»Sieh mich an, Par.«

Er wandte sich langsam um und wollte hochschauen.

Aber in diesem Moment trat ein Schatten zwischen sie, schnell wie das Licht, im Handumdrehen gekommen und gegangen, und auf einmal schlug Par Ohmsford heftig zu.

Nein!

Feuer brach zwischen ihnen aus. Die Berührung hatte es hervorgebracht, und es funkelte und schoß in die Schatten hinaus. Felsen-Dall wirbelte herum, und die Züge seines grobknochigen Gesichts waren vor Wut verzerrt. Seine schwarzen Gewänder bauschten sich auf, und seine behandschuhte Hand hob sich in einem Feuer roten Zorns. Par, der noch immer nicht wußte, was geschehen war, keuchte, wich zurück und gab seine eigene Deckung auf. Er spürte, wie das blaue Feuer der Magie des Wunschgesangs sich erhob, um ihn zu beschützen. Im Handumdrehen war er in Licht gebadet, und jetzt war es an Felsen-Dall, vor ihm zurückzuweichen.