Sie standen einander in der Düsterkeit gegenüber, die Feuer ihrer Magien in ihren Fingerspitzen gesammelt und die Augen voller Zorn und Angst.
»Bleibt fort von mir!« zischte Par.
Regungslos blieb Felsen-Dall einen Moment lang riesig und dunkel und unnachgiebig vor ihm stehen. Dann zog er sein Feuer zurück, senkte seine behandschuhte Hand und verließ wortlos den Raum.
Par Ohmsford ließ das Feuer seiner Magie ebenfalls ersterben. Er stand da, starrte in die Schatten, die ihn umgaben, und fragte sich, was er getan hatte.
Rund um ihn herum tanzten die Dämonen in scheinbarer Heiterkeit. »Wie lange wird er so bleiben?« fragte Matty Roh schließlich.
Morgan Leah schüttelte den Kopf. Walker Boh hatte sich seit mehr als einer Stunde nicht mehr bewegt. Er war in eine Art Trance verfallen, in einen Halbschlaf, den er selbst herbeigeführt hatte. Er saß mit geschlossenen Augen in seinen dunklen Umhang eingehüllt da, und sein Atem ging langsam und kaum wahrnehmbar. Er hatte ihnen gesagt, sie sollten Wache halten und auf seine Rückkehr warten. Er hatte ihnen nicht gesagt, wohin er ging. Tatsächlich schien es nicht so, als sei er überhaupt irgendwohin gegangen, aber Morgan wußte es besser.
Sie waren in einem Fichtenhain hoch in den Wäldern, die die Klippen des Runne begrenzten, versammelt – Morgan, Matty, Damson Rhee, Coll Ohmsford und Walker Boh. Und in der nahen Dunkelheit schimmerten wachsam Ondits Augen. Die Nacht war tief und still, den Himmel bedeckte eine Wolkendecke von Horizont zu Horizont, und die Luft war frisch von dem Geruch eines Nordwinds aus den Wäldern. Fünf Tage waren vergangen, seit Walker Morgan gefunden und ihn vor den Schattenwesen, die ihn eingekreist hatten, gerettet hatte. Er hatte die dunklen Wesen überlistet, indem er eines von ihnen mit dem Bild Morgans umkleidete, worauf die anderen es in Stücke gerissen hatten. Das hatte die Schattenwesen davon überzeugt, daß der Eindringling, den sie verfolgt hatten, vernichtet war, und sie waren wieder in die Südwache zurückgeschwebt. Gestern waren der Talbewohner und die beiden Frauen erschienen und hatten den Regenbogensee auf einem kleinen Skiff überquert. Walker und Morgan hatten sie an der Mündung des Mermidon abgefangen und hergebracht.
»Was glaubt Ihr, wo er ist?« fragte Matty mit ängstlicher und unsicherer Stimme.
»Ich weiß es nicht«, gestand Morgan.
Er beugte sich vor, um besser sehen zu können, wich aber schnell wieder zurück, als er Ondit grollen hörte. Er sah Matty an und zuckte die Achseln. Die anderen beiden saßen schweigend und gesichtslos in der Dunkelheit. Sie waren jetzt besser ausgeruht und genährt, als sie in letzter Zeit gewesen waren, aber sie fühlten sich dennoch von dem langen Überlebenskampf ausgelaugt und abgezehrt. Was sie noch aufrechthielt, war ihre gemeinsame Entschlossenheit, Par Ohmsford zu finden, und das Gefühl, das Walker Boh ihnen vermittelte, daß ihre Reise dem Ende zuging.
»Er sucht nach Par«, sagte Damson plötzlich flüsternd in die Stille.
Das tat er natürlich. Er folgte der zweiten Spur des Skree zur Südwache, um zu sehen, ob der Talbewohner dort gefangen war. Coll war sich immer sicher gewesen, daß sich sein Bruder in den Händen der Schattenwesen befand, und die anderen waren sich inzwischen auch sicher. Aber Walker suchte noch nach mehr, wie Morgan spürte. Er wollte noch nicht darüber sprechen und hatte es sorgfältig für sich behalten. Aber er wußte etwas, was er ihnen nicht sagte, aber das war nun einmal die Art der Druiden, und Walker war jetzt einer von ihnen. Ein Druide. Morgan atmete tief und entspannt durch und schaute in die Dunkelheit. Wie seltsam. Walker Boh war genau das Wesen geworden, das er einst verabscheut hatte. Wer hätte das geglaubt? Nun, sie waren schließlich alle aus anderen Welten hierhergekommen, dachte er einsichtig. Sie hatten alle andere Leben gelebt.
Er sah Walker gerade an, als sich dessen Augen wieder öffneten, und das erschreckte ihn so, daß er zur Seite sprang. Das blasse Gesicht hob sich geisterhaft weiß aus der Kapuze des Umhangs, und der hagere Körper zitterte.
»Er lebt«, flüsterte der Dunkle Onkel und kam wieder zu sich, während sie ihn ansahen. »Felsen-Dall und die Schattenwesen haben ihn gefangengenommen.«
Er erhob sich zögernd und schlang die Arme um sich, als friere er. Die anderen standen mit ihm auf und wechselten unsichere Blicke. Ondit kam aus der Dunkelheit heran.
»Was hast du gesehen?« fragte Coll. »Hattest du eine Vision?«
Walker Boh schüttelte den Kopf. Er griff abwesend hinab, um Ondits breiten Kopf zu streicheln, als sich die Katze an ihm rieb. »Nein, Coll. Ich habe einen Druidentrick angewandt und meinen Körper in geistiger Gestalt verlassen, um in den Schattenwesenkeep einzudringen. Sie konnten mich auf diese Weise nicht so leicht erspüren. Ich habe Par im Turm eingesperrt vorgefunden. Felsen-Dall war bei ihm. Der Erste Sucher versuchte Par gerade davon zu überzeugen, daß er ihm die Kontrolle über die Magie des Wunschgesangs übertragen soll. Er sagt, daß Par ein Schattenwesen sei wie er selbst.«
»Das hat er Par schon zuvor gesagt«, berichtete Damson ruhig.
»Es ist eine Lüge«, fauchte Coll erregt.
Aber Walker Boh schüttelte den Kopf. »Vielleicht nicht. Es ist einiges wahr an dem, was er sagt. Ich kann es in den Worten spüren. Aber die Wahrheit ist hier eine schwer faßbare Angelegenheit. Es ist mehr daran, als gesagt wird. Par ist verwirrt und verärgert und ängstlich. Er ist nahe daran zu akzeptieren, was der Erste Sucher ihm erzählt. Er war nahe daran, sich dem anderen zu überantworten.«
»Nein«, flüsterte Damson mit bleichem Gesicht.
Walker atmete die Nachtluft ein und seufzte. »Nein, wahrhaftig. Aber die Zeit wird knapp für ihn. Seine Kraft schwindet. Ich habe eine kleine Einmischung riskiert, um die Akzeptanz zu unterbinden, und daher wird es im Moment nicht geschehen. Aber wir müssen schnell zu ihm gelangen. Das Geheimnis, wie die Schattenwesen vernichtet werden können, liegt in Par. Das war schon immer so. Felsen-Dall ignoriert bei seinen Bemühungen, Par für sich zu gewinnen, alles andere. Er weiß von meiner Rückkehr, von Wrens Rückkehr, von unserer Flucht vor den Schattenwesen. Er weiß, daß wir ihm beständig näher kommen. Die Schattenwesen sind bedroht, aber er konzentriert sich nur auf Par. Par ist der Schlüssel. Wenn wir ihn von seiner Angst vor dem Wunschgesang befreien können, haben wir vielleicht alle Teile des Puzzles beisammen. Allanon hat uns ausgesandt, die Talismane zu finden, und das haben wir getan. Er hat uns ausgesandt, die Elfen und Paranor zurückzubringen, und wir haben auch das getan. Wir haben alles, was wir brauchen, um die Schattenwesen zu bekämpfen. Wir müssen nur noch entdecken, wie wir es einsetzen müssen. Die Antworten liegen dort unten.«
Er schaute durch den Wald zu der Stelle im Tal hinab, an der der dunkle Obelisk der Südwache vor dem Horizont aufragte.
»Das Schwert von Shannara wird Par befreien«, versprach Coll und trat entschlossen vor. »Ich weiß, daß es das tun wird.«
Walker schien ihn nicht gehört zu haben. »Da ist noch etwas. Die Schattenwesen halten in den Kellern des Keep etwas verschlossen, etwas Lebendiges, das von der Magie gefangen ist und gegen seinen Willen festgehalten wird. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich spüre, daß es mächtig ist und daß wir einen Weg finden müssen, es zu befreien, wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen. Was auch immer es ist, die Schattenwesen bewachen es mit ihrem Leben. Seine Wächter sind sehr stark.«
Er schaute sie wieder an. »Die Schattenwesen sind Elfengeborene und gebrauchen Elfenmagie aus der Feenzeit. Ihre Stärken und Schwächen kommen alle daher. Par ist vielleicht fast einer von ihnen, weil er von Elfenblut abstammt. Ich bin nicht sicher. Aber ich denke, die Frage, zu was er werden wird, ist noch nicht geklärt.«
»Er würde sich niemals gegen uns wenden«, flüsterte Damson und schaute fort.
»Was werden wir tun, Walker?« fragte Coll leise. Er hielt das Schwert von Shannara in beiden Händen, und sein breites Gesicht wirkte wie aus Granit gemeißelt.