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Über seinen Rücken war eine Sense geschlungen.

Walker Boh fror, als er sie erkannte. In ganz alten Druidengeschichten aus der alten Welt der Menschen wurden diese Vier erwähnt. Er wußte, wer sie waren und von wem sie geschaffen worden waren. Jetzt hatten Schattenwesen ihre Gestalt angenommen und die Identität der dunklen Wesen von früher vereinnahmt.

Seine Brust verkrampfte sich. Vier Reiter. Die Vier Reiter der Legenden, die Mörder sterblicher Menschen. Sie kamen aus einer so lange zurückliegenden Zeit, daß sie fast vergessen waren. Aber er hatte die Erzählungen gelesen, sagte er sich wiederholt, und er wußte, was die Vier bedeuteten.

Hungersnot. Seuche. Krieg. Tod.

Walker nahm seine Hand von Ondits Fell, und die Katze begann tief in ihrer Brust zu grollen. Schattenwesen, dachte Walker in einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst, geschaffen, um etwas zu sein, was niemals war, nur eine Manifestation von Unwirklichem, von den verschiedenen Arten zu töten. Jetzt waren sie gekommen, um ihn zu vernichten.

Er fragte sich erneut, wer und was die Schattenwesen waren, was die Quelle der Macht war, daß sie alles sein konnten, was sie sich erwählten. Seine Umwandlung hatte ihm darein keinen Einblick gewährt. Er wußte jetzt genauso wenig über ihre Ursprünge wie zu Beginn der Entwicklungen. Ja, sie waren so finster, wie der Schatten Allanons warnend vorhergesagt hatte. Ja, sie waren ein Übel, das Magie als Vernichtungswaffe gebrauchte. Aber wer waren sie? Woher waren sie gekommen? Wie konnten sie vernichtet werden?

Wo bloß konnte er Antworten auf seine Fragen finden?

Er beobachtete, wie die Vier Reiter näherkamen, taumelnd und sich auf ihren Reittieren windend, auf Wesen, die vage an Pferde erinnerten, aber als sehr viel mehr gedacht waren. Atem dampfte in der Morgenluft wie giftiger Dunst. Klauen kratzten und knirschten auf dem Fels. Köpfe hoben sich, und Mäuler entblößten sich und gaben gekrümmte, gelbliche Zähne frei. Stetig strebten die Reiter weiter voran.

Als sie die Tore erreicht hatten, hielten sie inne. Sie machten keinerlei Anstalten, hindurchzureiten. Sie zeigten keinerlei Interesse daran, weiter vorzudringen. Sie stellten sich in einer Linie vor dem Tor auf und warteten. Walker wartete mit ihnen. Die Minuten vergingen, und das Licht wurde allmählich heller. Die Düsterkeit nahm Reinheit an, als die Dämmerung näherkam.

Dann überstieg die Sonne schließlich die Berge im Osten. Sie legte ein schwaches Schimmern über die dunklen Felsspitzen, und an den Toren drängte der Reiter Hungersnot plötzlich vorwärts. Als er nahe an das Tor herangekommen war, hob er seine skelettartige Hand und klopfte. Das Geräusch war ein schwach hörbarer, widerhallender, hohler Schlag – das Erschauern, das das Leben verursacht, wenn es den Körper schließlich verläßt. Walker krümmte sich, obwohl er es nicht wollte.

Hungersnot wich dann zurück, und, einer nach dem anderen, wandten sich die Reiter nach rechts und schwärmten in einer schmalen Linie aus, um die Festungsmauern zu umkreisen. Sie ritten darum herum, kamen nacheinander unter Walker vorbei, während er beobachtete, wie sie zurückkehrten und wieder verschwanden, wobei sie sich sorgfältig voneinander entfernt hielten, so daß sich immer einer an jeder Mauer befand, oder immer einer an jeder Ecke des Schlosses.

Es war eine Belagerung, erkannte Walker. Das Anklopfen war eine Drohung gewesen, und wenn er nicht herausging, um darauf zu antworten, würden sie ihn innerhalb der Mauern gefangenhalten. Felsen-Dall und die Schattenwesen hatten entdeckt, daß Paranor zurückgekehrt war und daß Walker die Hülle Allanons angenommen hatte. Als Antwort waren die Reiter gesandt worden.

Walker verschränkte seine Arme in dem Umhang. Wir werden sehen, wer wen gefangenhält, dachte er finster.

Er stand noch eine Weile länger da, sah auf die Gestalten hinab und ging dann davon, um Cogline zu wecken.

5

Die Abwasserkanäle unter Tyrsis waren feucht und kalt und lagen in einer zwielichtigen Dunkelheit, die an Rinnen entlang und Gitter hinabsickerte wie verschüttete Tinte. Das Tageslicht war im Westen versunken, und die Nacht kauerte in den Schatten, die sich von Gebäuden und Mauern erstreckten wie ein lebendig gewordener Geist. Schritte und Stimmen entschwanden heimwärts, und die Müdigkeit des Tagesendes war wie ein Seufzen, das von dem heißen Sommerwind aufgenommen wurde, während er sich in den Höhlungen stiller, erstickender Hitze in den Rinnen der Straßen und Wege der Stadt niederließ, eine windstille Decke, die über die darunterliegenden Katakomben ausgebreitet worden war.

Padishar Creel, Par Ohmsford und der Maulwurf ertasteten sich langsam ihren Weg durch diese Katakomben, drei der Schatten, die aus der herannahenden Nacht erwuchsen. Sie waren so leise wie der Staub, der von den Schuhen auf der Straße aufgewirbelt wurde. Sie atmeten durch den Mund, denn die Gerüche der Abwasserkanäle waren beklemmend und schwer in den gewundenen Röhren. Die Abwässer der Stadt waren ein träger Fluß, der ihre Füße umspülte. Manchmal erklommen sie Eisenleitern und Steinstufen, manchmal krochen sie durch enge Tunnel, als sie sich stetig ihren Weg vom Zentrum der Stadt auf die Mauern und die Vorderseite der Klippe zu bahnten, auf den Wachturm zu, in dem Damson Rhee gefangengehalten wurde, und auf die Auseinandersetzung zu, die sie erwartete.

»Wir werden nicht ohne sie zurückkehren«, hatte Padishar erklärt. »Was auch immer notwendig sein wird, um sie zu befreien, wir werden es tun. Und wenn wir sie erst einmal befreit haben, werden wir sie nicht wieder aufgeben.«

»Maulwurf«, hatte er geflüstert und sich vor den seltsamen, kleinen Burschen hingekniet. »Du wirst uns hineinführen und, wenn möglich, auch wieder hinaus. Aber du wirst nicht kämpfen, verstanden? Halte dich heraus und in Sicherheit. Denn nur du, Maulwurf, wirst wissen, wenn wir Damson befreit haben« – es war kein Hinweis darauf erkennbar, daß sie keinen Erfolg haben könnten –, »wie wir sie wieder in Sicherheit bringen können. Einverstanden?« Und der Maulwurf hatte ernst genickt.

»Par, deine Aufgabe wird noch schwieriger sein«, hatte der Anführer der Geächteten weiter erklärt und sich als nächstes an den Talbewohner gewandt. »Wenn wir den Schattenwesen begegnen, mußt du deine Magie gebrauchen, um sie von uns fernzuhalten. Der Hochländer hat das mit seinem Schwert erreicht, als wir in der Grube gefangen waren. Dieses Mal bleibt es dir überlassen. Mir fehlen die Mittel, uns gegen diese Monster zu verteidigen. Wenn wir ihnen begegnen, Junge, dann zögere nicht.«

Par war bereits zu dem Schluß gekommen, daß der Gebrauch des Wunschgesangs bei ihren Bemühungen unvermeidlich sein würde, so daß er Padishar dies schnell versprach. Was er nicht versprechen konnte – was er dem anderen aber nicht sagte – war, daß er sich nicht mehr sicher war, daß er die Magie würde kontrollieren können. Sie hatte sich bereits als unzuverlässig erwiesen, hatte bereits gezeigt, daß sie ein Eigenleben entwickeln und Macht freisetzen konnte, die ihn vielleicht ohne weiteres verschlingen würde. Aber solche Ängste verblaßten gegenüber seinen Gefühlen für Damson Rhee. Verschüttet durch ihren gemeinsamen Kampf, der Stadt und ihren Jägern zu entkommen, und durch die Tatsache, daß er geglaubt hatte, sie sei bei ihm sicher, waren seine Gefühle bei der Nachricht über ihre Gefangennahme sofort wieder an die Oberfläche gedrungen, und jetzt tobten sie in ihm wie ein unkontrolliertes Feuer. Er liebte sie. Vielleicht hatte er sie von Anfang an geliebt, aber sicher wußte er es, seit sie nach Colls Tod zu ihm gehalten hatte. Sie war so sehr ein Teil von ihm, wie es nur irgend etwas Abgetrenntes sein konnte, und er konnte den Gedanken, sie zu verlieren, nicht ertragen. Er würde alles darum geben, sie in Sicherheit zu wissen. Er würde alles geben. Wenn das bedeutete, den Zorn einer Magie heraufzubeschwören, die ihn unwiderruflich verändern konnte, die ihn vielleicht sogar vernichten würde, dann sollte es so sein. Wenn Felsen-Dall recht hatte mit seiner Behauptung, wer und was er war, dann konnte er ohnehin nichts tun, um sich zu retten. Er würde nicht vor den Gefahren der Magie zurückschrecken, wenn Damsons Sicherheit auf dem Spiel stand. Er würde tun, was er tun mußte.