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So waren sie losgezogen, jeder von ihnen überzeugt davon, daß Damson es wert war, für sie alles aufzugeben. Jetzt erstreckten sich die Abwasserkanäle in engen, gewundenen Tunneln vor ihnen, und die Dunkelheit schloß sich schnell um das wenige Licht, das noch verblieben war. Bald würden sie gezwungen sein, Fackellicht zu benutzen, um etwas sehen zu können, und das würde besonders gefährlich werden, wenn sie sich den Stadtmauern näherten. Denn dort würden die dunklen Wesen sicherlich sowohl unter der Erde als auch darüber Wache halten, und Fackellicht würden sie schon von weitem sehen können.

Sie eilten weiter, wobei sich die scharfen Augen und Sinne des Maulwurfs unbeirrt ihren Weg suchten, die sicheren Pfade erwählten und jene mieden, die sie vielleicht behindern würden. Während sie vorwärtsgingen, konnten sie die Geräusche der Stadt über ihnen in Bruchstücken eines Lebens herabschweben hören, das so wenig mit dem ihren verbunden war, wie das Leben von Toten. Pars Gedanken glitten davon. Alles fühlte sich so an, als ob sie in dem Gestein der Klippe, auf der Tyr erbaut worden war, verschüttet wären, wie Geister auf der Jagd gerade außerhalb der Sicht der Menschen, die sie einst gewesen waren. Es schien dem Talbewohner nach reiflicher Überlegung, daß er tatsächlich mehr Geist als Mensch war, daß er auf seiner Flucht vor den Schattenwesen und den anderen Gefahren, denen er auf seiner Reise begegnet war, auf eine Weise verwandelt worden war, die er nicht gänzlich verstand, und daß er als Ergebnis seiner Substanz beraubt und vergeistigt zurückgelassen worden war. Er bewegte sich jetzt in einer Schattenexistenz, zunehmend der Freunde und der Familie beraubt, gefangen in einem Gewirr von Magien, die bewirkten, daß er sich aufzulösen begann. Es gab sicher eine Möglichkeit, sich zu retten, das wußte er, aber irgendwie konnte er offenbar nicht erkennen, was es war.

Sie erreichten einen breiten Zusammenfluß von Röhren und verlangsamten auf einen Wink des Maulwurfs hin ihren Schritt. Dicht zusammengedrängt am Grund eines Brunnens, aus dem eine steinerne Treppe hinausführte, berieten sie sich ein letztes Mal.

»Die Treppe führt zu einem Keller in der Innenmauer«, flüsterte der Maulwurf. Seine Nase war feucht und glänzend. »Von dort müssen wir zu einem Gang steigen, ihm bis zum Eingang folgen, der wieder hinausführt, dann durch eine weitere Tür wieder hineingehen und einem zweiten Gang zu einem verborgenen Durchgang folgen, der uns durch den Wachturm hinauf dorthin führen wird, wo Damson wartet.«

Er schaute von Padishar zu Par und gespannt wieder zurück.

Der große Mann nickte. »Föderationswächter?«

Der Maulwurf blinzelte. »Überall.«

»Schattenwesen?«

»Irgendwo im Turm.«

Padishar lächelte Par schief an. »Irgendwo. Sehr aufschlußreich.« Er zuckte mit den Achseln. »In Ordnung. Erinnert euch an das, was ich gesagt habe, ihr beide. Erinnert euch daran, was ihr zu tun habt – und nicht zu tun habt.« Er sah Par an. »Wenn ich sterbe, macht ihr weiter – wenn ihr könnt. Wenn nicht, dann flüchtet zum Firerim Reach und holt dort Hilfe. Versprecht es mir.«

Par nickte und dachte dabei, daß dieses Versprechen eine Lüge war, daß er niemals flüchten würde, bevor Damson nicht in Sicherheit war, egal, was geschähe.

Padishar griff über seine Schulter nach hinten, zog die Riemen fest, die das Breitschwert auf seinem Rücken festhielten, und überprüfte dann die langen Messer und das Kurzschwert an seiner Hüfte. Der Griff eines weiteren langen Messers ragte aus einem Schuh hervor. Sie alle waren sorgfältig in die Scheiden gesteckt und in Tuch eingewickelt worden, damit das Metall nicht rasseln oder das Licht reflektieren konnte. Par trug nur das Schwert von Shannara bei sich. Der Maulwurf besaß gar keine Waffen.

Padishar schaute erneut auf. »In Ordnung. Gehen wir hinein.«

In einer Linie erklommen sie die Treppe, kauerten sich eng an den Stein und bahnten sich ihren Weg auf das schwache Licht zu, das über ihnen schien. Ein Gitter kam in Sicht, Eisenstäbe, die ein Netz aus Schatten die Stufen hinunter und über ihre Körper warfen. Über ihnen war Stille, ein leeres, hohles Nichts.

Als sie das Gitter erreicht hatten, blieb der Maulwurf stehen, um zu lauschen, wobei er den Kopf neigte wie ein Tier auf der Jagd – oder in Gefahr –, griff dann aufwärts und schob das Gitter mit überraschender Kraft fast lautlos in die Höhe. Er verließ die Treppe, hielt das Gitter, während die beiden anderen schnell ins Freie stiegen, und legte es dann vorsichtig wieder auf seinen Platz.

Sie standen in einem Keller, der mit mehreren anderen Räumen verbunden war, die alle in beide Richtungen so weit verliefen, wie man sehen konnte. Überall waren Vorräte aufgestapelt, Kisten mit Waffen, Werkzeugen, Kleidung und verschiedenen anderen Gütern, alle sorgfältig beschriftet und an den dicken Steinmauern auf Holzbrettern aufgestapelt. In einem angrenzenden Raum waren Fässer untergebracht, und die verrosteten Rahmen alter Betten bildeten in der Düsterkeit ein kaum wahrnehmbares Labyrinth aus Metallknochen. Hoch oben an den Wänden, direkt unter der Kellerdecke und unmittelbar über dem Erdboden ließ eine Reihe schmaler, vergitterter Fenster dünne Streifen des schwindenden Lichts herein.

Der Maulwurf führte sie durch das Labyrinth von Kellerräumen voran, an den Stapeln von Vorräten vorbei und um das Durcheinander von Kisten herum zu einer Stelle, an der eine zweite Treppe zu einer schweren Holztür hinaufführte. Sie stiegen die Treppe vorsichtig hinauf, und Par spürte, wie sich die Haare auf seinem Rücken und in seinem Nacken bei dem Gedanken an die Möglichkeit, daß unsichtbare Augen vielleicht jede ihrer Bewegungen verfolgten, kribbelnd aufrichteten. Er spähte nach links und nach rechts, über sich und rund um sich herum, aber er sah nichts.

An der Tür blieben sie erneut stehen, während der Maulwurf ein kleines Metallwerkzeug dazu benutzte, das Schloß aufspringen zu lassen. Innerhalb von Sekunden waren sie durch die Tür hindurch und bewegten sich schnell den dahinterliegenden Gang entlang. Sie befanden sich jetzt in der Innenmauer der Zitadelle, der zweiten Verteidigungslinie der Stadt, die gleichzeitig Standort der Baracken war, die die meisten Föderationsgarnisonen beherbergten. Der Gang war gerade und schmal und von Türen und Fenstern unterbrochen, die sie jedermann verraten konnten. Aber niemand erschien während der Augenblicke, die sie brauchten, um den Eingang zu erreichen, den der Maulwurf suchte, und sie waren bereits durch eine weitere Tür gelangt, bevor Par auch nur Zeit hatte, beruhigt aufzuatmen.

Jetzt standen sie in einem schattigen Windfang, der auf einen Hof hinausführte, der zwischen den inneren und den äußeren Mauern der Stadt lag. Föderationssoldaten standen an den Toren und auf den Festungsmauern Wache. Sie waren nur noch als verschwommene Umrisse in der zunehmenden Dunkelheit erkennbar. Lichter flackerten durch die Fenster der Schlafquartiere und Wachhäuser und auch von den Festungsmauern und den Toren herüber. Beschuhte Füße schabten in der Stille. Stimmen erhoben sich zu leisem Murmeln. Irgendwo schärfte ein Schleifstein Metall. Par spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Die Geräusche geschäftigen Tuns erklangen überall um sie herum.

Sie schmiegten sich noch viele weitere Minuten lang in die Schatten des Windfangs, lauschten und beobachteten, warteten, bevor sie weiterzugehen versuchten. Par konnte Padishars Atem hören, als sich der alte Mann neben ihn an die Wand kauerte. Sein eigener Atem verriet den schnellen Schlag seines Herzens. Bewegungen der Magie des Wunschgesangs waren tief in seiner Brust zu spüren, ganz tief innen, wo die Gefühle ihren Ursprung hatten, und er kämpfte darum, sie unter Kontrolle zu halten. Er stellte fest, daß er erneut darüber nachdachte, was geschehen würde, wenn er die Magie einzusetzen versuchte. Sie war da, und er würde sie gebrauchen – dessen war er sich sicher. Aber ob sie ihm gehorchen würde, war eine vollkommen andere Sache, und es schien ihm plötzlich, daß, wenn sie ihn tatsächlich überwältigen würde und zu dem werden ließ, was er nach Felsen-Dalls Warnung werden mußte, nichts ihn daran hindern konnte, seine Freunde anzugreifen.