Par stolperte rückwärts und kam dann wieder auf die Füße. Walkers Finger schlössen sich zu einer Faust und zerquetschten etwas in dem Schattenwesen. Felsen-Dall schlug um sich und schrie, und seine schlanke Gestalt bäumte sich auf und erschauerte wild. Schattenwesenfeuer brannte sich in den Boden hinein und bohrte sich in den Fels. Weitere Schattenwesen wollten ihm zu Hilfe eilen, aber Ondit sprang zwischen sie und zerrte und riß an ihnen.
»Gebrauche das Schwert!« zischte Walker Boh Par zu. »Befreie es!«
Par riß die Klinge an sich und rannte auf das Licht zu. Er erreichte es ungehindert innerhalb von Augenblicken, da aller Augen auf den Kampf zwischen dem Druiden und dem Ersten Sucher gerichtet waren. Er erreichte sie, diese pulsierende Masse mit ihren scharlachroten Fesseln, hielt das Schwert von Shannara in beiden Händen und legte es flach an das Licht an.
Dann berief er seine Magie herauf, zwang sie hervor und betete, daß sie kommen würde.
Und sie kam, stieg weich und leicht auf, frei von allen Beschränkungen, die die Magie des Wunschgesangs bewirkt hatte, als seine Ängste und Zweifel und Felsen-Dalls Täuschung ihm eingeflüstert hatten, daß er ein Schattenwesen sei. Sie kam schnell und erhob sich als ein weißes Fanal, das sich in das Licht vor ihm hineinbohrte und dann zurückeilte, um Par ganz zu vereinnahmen. Par sah erneut Wahrheiten über sein Leben, die Wahrheiten seiner Magie, seines Shannara- und Schattenwesenvermächtnisses und seines Elfenerbes. Er atmete sie ein wie die Luft, die ihm Leben verlieh, und wich nicht zurück.
Dann sah er schließlich die Wahrheit des Lichts vor ihm. Er sah, was die Schattenwesen getan hatten, als sie ihre Magie dazu benutzten, die Vier Länder umzuwandeln. Er sah die Bedeutung hinter den Träumen Allanons und den Grund dafür, daß die Kinder von Shannara zum Hadeshorn berufen worden waren. Er sah, was er tun mußte.
Er zog die Magie des Schwertes zurück und ließ die Klinge auf den Höhlenboden fallen. Hinter ihm schlugen Felsen-Dall und Walker Boh in einem scheinbar endlosen Kampf noch immer aufeinander ein. Der Erste Sucher schrie – nicht vor Schmerz über das, was ihm angetan wurde, sondern vor Wut über das, was Par vorhatte. Schattenwesen drängten von allen Seiten heran und versuchten an Morgan Leah vorbeizukommen, der wieder aufgestanden war, und an Ondit, der unzerstörbar schien. Aber es war zu spät für sie. Dieser Augenblick gehörte Par und seinen Freunden und Verbündeten und all jenen, die darum gekämpft hatten, diesen Augenblick zu ermöglichen, all den Lebenden und den Toten, all den Unerschrockenen.
Er berief die Magie des Wunschgesangs ein letztes Mal herauf, brachte sie vollständig hervor und mit ihr alles, was in ihm brannte, was sich aus der dunklen Seite seines Erbes heraus zu dem Monster entwickelt hatte, das ihn fast vereinnahmt hätte. Er berief sie herauf und formte sie noch einmal zu dem Bruchstück blauen Feuers, das zum ersten Mal erschienen war, als er darum gekämpft hatte, der Grube zu entkommen. Das Bruchstück schien auch jetzt ein Stück des azurblauen Blitzes zu sein, der vom Himmel herabkam. Er hob es hoch über sich, ließ es auf die karmesinroten Fesseln der Magie herabsinken, die das Licht banden, und zerbrach sie für immer.
Par erschauerte unter der Wucht des Schlages und unter dem, was die Anstrengung von ihm forderte, die zog, an ihm riß und ihn auslaugte.
Als Antwort auf seine Anstrengung brach das Licht auf, loderte in die dunkelsten Ecken der Höhle hinein und von dort aufwärts in die Südwache. Es jagte die Schatten und die Dunkelheit davon und verwandelte alles Schwarze in Weiß. Es schrie vor Freude, daß es seine Freiheit erhalten hatte, und dann suchte es Wiedergutmachung für das, was ihm angetan worden war.
Zuerst senkte es sich über Felsen-Dall und saugte dem Ersten Sucher das Leben aus, als ziehe es Rauch in seine Lungen. FelsenDall erbebte heftig, brach zu rieselnder Asche zusammen und hörte auf zu existieren. Das Licht folgte den anderen Schattenwesen, die bereits in hoffnungsloser Verzweiflung flohen, und verschluckte sie nacheinander. Schließlich erhob es sich, um die Südwache zu verschlingen, raste die dunklen Mauern hinauf und in das pulsierende Obsidiangestein hinein. Par wurde von Walker hochgezogen, der sich dann wieder herabbeugte, um auch das Schwert von Shannara aufzunehmen. Walker rief Morgan etwas zu, und innerhalb von Sekunden hatten sie auch die anderen versammelt, ihnen aufgeholfen und jene gestützt, die nicht stehen konnten. Ondit führte sie an, als sie auf einen Tunnel am anderen Ende des Raumes zustrebten. Sie mußten sich beeilen, um der Verheerung zu entkommen.
Über ihnen explodierte die Südwache in einem Geysir aus Feuer und Asche in den Morgenhimmel. Stresa spürte die Erschütterungen als erster und zischte Wren eine Warnung zu. »Elfenkönigin. Phfftt! Spürst du das? Hsst! Hsst! Die Erde bebt!«
Wren stand ein kleines Stück von Triss entfernt und hielt die Elfensteine mit der Hand umklammert, während sie das Herannahen der Föderationsarmee beobachtete und auf den Kampf mit den Kriechern wartete. Sie hatte den Eingang des Tales von Rhenn erreicht, und da die Frontlinien der Elfen und ihrer Verbündeten nur weniger als dreihundert Meter entfernt waren, würde der von ihr gefürchtete Zusammenprall bald stattfinden. Barsimmon Oridio, Padishar Creel, Chandos und Axhind hatten sich zu ihren verschiedenen Kommandos begeben. Tiger Ty war ebenfalls fortgegangen, um bei den Flugreitern zu sein. Die Bürgerwehr umringte die Königin auf allen Seiten, aber sie fühlte sich dennoch entsetzlich allein.
Sie wandte sich bei den Worten des Stachelkaters um und spürte dann die Erschütterungen selbst. »Triss«, flüsterte sie.
Denn die Erde erschauerte mit jeder Erschütterung mehr, als ob mit dem Aufgehen der Sonne, mit dem Herannahen des Lichts eine Bestie erwachte, die den Schlaf abschüttelte. Ihr Grollen erhob sich über die Schläge der Föderationstrommeln und das Marschgeräusch der Soldatenstiefel.
Wren hielt entsetzt den Atem an.
Was ging hier vor?
Dann brachen Feuer und Rauch weit im Osten und Süden hervor, erhoben sich vor dem Sonnenlicht als wilde Feuersbrunst, und das Beben wurde zu verzweifeltem Aufbäumen. Die Männer der feindlichen Armee hielten in ihrem Vorrücken inne und wandten sich um. Ihre Augen suchten den Horizont ab, und die ersten Schreie erklangen. Das Feuer und der Rauch türmten sich zu einer Wolke schwarzer Asche auf, und dann erfolgte plötzlich ein gewaltiger Ausbruch weißen Lichts, das den Himmel mit seiner pulsierenden Helligkeit und Lebendigkeit erfüllte. Es erhob sich als wilder Strom, raste über die Sonne hinweg und wieder zurück und lief mit dem Wind und den Wolken mit.
Als es wieder in die Erde hinabstieg, begannen die Erschütterungen erneut an- und abzuschwellen und erfüllten die Luft mit ihrem Klang.
Dann brach das Licht auch in dem Tal hervor. Speere dieses Lichts durchbohrten die Erdkruste und stiegen zwischen den entsetzten Männern auf. Wren stöhnte unter der Helligkeit auf und spürte, wie sich die Elfensteine in ihre Handfläche gruben, während sie sie fest umklammert hielt.
Das Licht eilte hierhin und dorthin, jedoch nicht ziellos, wie sie zunächst geglaubt hatte, sondern mit tödlicher Absicht. Es erwischte die Kriecher als erste, riß sie in Stücke und ließ ihre zerstörten Überreste rauchend und leblos zurück. Es erwischte die Sucher als nächste, hüllte sie in Leichentücher und entzog ihnen alles Leben. Lediglich Haufen rauchender Asche blieben zurück. Es raste durch die Föderationsarmee hindurch, befreite ihre Reihen von allen Schattenwesen und stahl ihr dabei ihren Zweck und ihren Mut, so daß die übriggebliebenen Soldaten sich umwandten und um ihr Leben rannten. Dabei warfen sie ihre Waffen ab, ließen ihre Befestigungsanlagen und Angriffsgeräte zurück und gaben alle Hoffnung auf außer derjenigen, am Leben zu bleiben. Innerhalb von Augenblicken war alles vorbei, waren Kriecher und die Schattenwesen vernichtet, die Soldaten der Föderationsarmee befanden sich auf der Flucht, und das Grasland war von den Überresten der Schlacht übersät. Es geschah so schnell, daß die Elfen, die Geächteten und die Felsentrolle nicht einmal Zeit hatten zu reagieren. Sie waren zu betäubt, um etwas anderes zu tun, als hinzusehen und dann schnell ihre eigenen Reihen zu überprüfen, um sicherzustellen, daß das Licht sie nicht angerührt hatte.