»Die Magie hat sie auf unterschiedliche Weise beeinflußt«, antwortete Par und schaute herüber. »Einige kamen besser damit zurecht als andere.«
»Einige haben sich angepaßt«, sagte Walker. »Aber viele konnten das nicht, obwohl sie es versuchten. Und unter denen in der Grube waren Männer, die ihre geringen Magien an die Schattenwesen verloren hatten. Schwache, die von den Starken umgewandelt worden waren. Erinnert ihr euch, wie die Schattenwesen wiederholt versucht haben, in euch hineinzugelangen und ein Teil von euch zu werden? Wie die Waldbewohnerin und das Kind am Toffer Ridge?«
Wie Felsen-Dall, dachte Par bei sich, sprach es aber nicht aus.
»Sie mußten sich nähren, um überleben zu können, und sie wurden genährt, wo und wann es notwendig war. Sie benutzten die Menschen um sich herum genauso wie die Erde, die sie unterhielt. Wenn die Magie stark war, war die Verlockung, sie zu stehlen, noch stärker. Wenn die Schattenwesen jemandem die Magie entzogen hatten, wurden die Wesen, denen sie entzogen worden war, wahnsinnig. Oder in einigen Fällen machte es die Schattenwesen wahnsinnig, wenn sie sich von ihr nährten. Es war eine sehr zerstörerische Umwandlung. Die Schattenwesen haben das niemals verstanden. Die Macht, die sie suchten, war für sie verboten. Die Macht, die der Erde und ihren Wesen Leben gibt, ist zu gefährlich, um damit zu spielen.«
Ondit trottete aus den Schatten heran. Sein Fell war an einem Dutzend Stellen verbrannt, und er blutete, wo ganze Flecken Fell an einem Dutzend weiterer Stellen herausgerissen war. Er schien es nicht zu bemerken. Seine Schnauze war noch naß von einer Quelle, die er irgendwo hinten im Wald gefunden hatte. Seine leuchtenden Augen glitten kurz über die anderen hinweg, dann wanderte er zu Walker hinüber, ließ sich nieder und begann sich sauberzulecken.
Par pflückte eine Wildblume, die neben seinen Füßen wuchs. »Felsen-Dall wollte mir die Magie des Wunschgesangs entziehen, nicht wahr?«
»Er wollte mehr als die Magie, Par.« Walker hatte sich bequemer hingesetzt, und Ondit schaute herüber, um sicherzugehen, daß er nicht fortging. »Er wollte auch dich. Er wollte dich einnehmen. Das ist schwer zu verstehen, aber die Schattenwesen hatten entdeckt, wie sie ihre Körper verlassen und nur als Geister überleben konnten. Die alte Magie ermöglichte es ihnen. Die Erdenmagie gab ihnen die Macht, alles zu sein, was sie sein wollten. Aber auf diese Weise fehlte ihnen eine eigene Gestalt, und sie sehnten sich danach, mehr zu sein als Rauch. Also gebrauchten sie die Körper von Menschen und legten sie wieder ab, wenn sie bereit waren, jemand oder etwas anderes zu sein.«
Er beugte sich ein wenig vor. »Aber Felsen-Dall war Erster Sucher, das stärkste der Schattenwesen, und er hungerte danach, mehr zu sein als die anderen. Er beschloß, deine Gestalt zu gewinnen, Par, weil du ihm Jugend und Macht geben konntest, die anders war als die jedes anderen Menschen. Der Wunschgesang entwickelte sich, und er wußte das. Mehr als das, er erkannte die Richtung, die diese Entwicklung nahm. Dein Elfenblut machte die Magie wieder zu dem, was Brin Ohmsford von ihrem Vater geerbt hatte, zu einer Magie, die aus den Elfensteinen geboren ist. Erinnerst du dich, wie sie gekämpft hat, damit die Magie sie nicht vernichten konnte? Felsen-Dall verstand die Art dieser Magie. Es war Elfenmagie, aber sie hatte auch eine Schattenseite. Wenn er Kontrolle darüber erlangen konnte, konnte er sie für seinen eigenen Gebrauch nutzbar machen. Aber das war etwas, was er nur mit deiner Hilfe erreichen konnte. Die Magie war zu stark, zu beschützend, als daß sie zugelassen hätte, daß du gewaltsam verwandelt wirst. Er mußte dich durch Täuschung dazu bringen, ihm zu helfen. Das war es, was ihn schließlich vernichtet hat, seine Besessenheit, dich zu vereinnahmen. Er hat sich ihr verschrieben und verbrachte seine Zeit damit, einen Weg zu ersinnen, sie zu stillen. Er sagte dir, daß du bereits ein Schattenwesen wärst, machte dich glauben, daß du genau der Feind wärst, den du gesucht hattest, ließ dich denken, du hättest Coll getötet, und hat Coll dann wieder ins Leben zurückgebracht. Er hat dich gejagt und dich zu der Überzeugung getrieben, daß du ohne seine Hilfe wahnsinnig werden würdest.
Dieser Drang wurde noch durch seine Entdeckung verstärkt, daß Allanon dich auf die Suche nach dem Schwert von Shannara gesandt hatte. Er wußte von Varfleet her von deiner Magie, aber jetzt sah er einen Weg, dich zu seinem Verbündeten gegen seinen gefährlichsten Feind zu machen. Er mußte dich nah bei sich behalten, um sicherstellen zu können, daß du die Wahrheit nicht entdecken würdest, und deine Magie half ihm. Sie war eine Ausgeburt der abtrünnigen Elfen, und jedesmal, wenn du dich auf sie verlassen hast, hast du ihm mitgeteilt, wo du dich befandest. Es war nicht ausreichend, daß er dich gefangennehmen konnte, aber es hielt ihn in der Nähe.«
»Aber er hat sich bezüglich des Schwertes von Shannara geirrt«, grübelte Par und sah ihn an. »Er dachte, ich wäre der einzige, der es gebrauchen kann, und in Wahrheit war es für Coll bestimmt.«
Walker schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts davon, daß es für einen von euch im besonderen gedacht gewesen wäre. Es scheint, daß es für euch beide bestimmt war. Aber es war notwendig, daß Coll es zuerst gebrauchte, damit du vor Felsen-Dall gerettet wurdest. Du mußtest einen Weg finden, die Tatsache zu akzeptieren, daß deine Ängste vor der Magie, obwohl sie berechtigt waren, für dein Schicksal nicht bestimmt waren. Allanon hat sorgfältig darauf geachtet, daß er nichts über Colls Rolle enthüllte. Er muß gewußt haben, daß es geheimgehalten werden mußte, damit Coll dir helfen konnte.«
»Vielleicht wußte er, daß die Schattenwesen von den Aufgaben erfahren würden«, überlegte Morgan. »Also hat er eine davon zurückgehalten.«
»Was ist mit den Aufgaben?« fragte Par plötzlich. »Was sollten sie vollbringen? Wir wissen jetzt, warum es wichtig war, das Schwert von Shannara zurückzuerlangen, aber was ist mit den anderen Aufgaben?«
Walker atmete tief durch. Sein Wissen und sein Urteilsvermögen erlaubten ihm eher als seinen Gefährten, die Wahrheit hinter all dem, was geschehen war, zu erkennen, und so lag in ihren Blicken die Bitte um eine Erklärung. Voraussicht, Verständnis, Wahrnehmung und Schlußfolgerungen – diese Druidenfähigkeiten waren ihm übergeben worden. Und noch dazu die Macht der Magie und die Verantwortung, sie weise einzusetzen. Er begann bereits zu erkennen, welche Last Allanon all die Jahre getragen hatte.
»Die Aufgaben wurden uns übertragen, um mehr zu erreichen als nur die Vernichtung der Schattenwesen«, sagte er und wählte seine Worte sorgfältig. »Eine Verknüpfung mehrerer Dinge war erforderlich, damit die Vier Länder überleben konnten. Ein Verstehen dessen, was die Schattenwesen waren und was sie vorhatten, war die wichtigste Voraussetzung, und das Streben nach der Erfüllung von Allanons Aufgaben hat dies bewirkt. Direkter gesagt, es gab die Talismane, die bei ihrer Vernichtung geholfen haben – das Schwert von Shannara, die Elfensteine, der Wunschgesang und Morgans Klinge. Aber daneben gab es auch Magien, die uns in die Lage versetzt haben, die Talismane zu erlangen.«
»Aber die Aufgaben wurden uns auch übertragen, um die Vier Länder zu erhalten, wenn die Schattenwesen fort wären, um dabei zu helfen, die Schattenwesen oder Wesen wie sie daran zu hindern, zurückzukehren. Die Elfen wurden zurückgebracht, um ein Gleichgewicht herzustellen, das gefehlt hat. Die Elfen sind die Heiler des Landes und seiner Wesen, die Hüter, die gebraucht werden, um die Magie sicher und fest zu halten. Als die Schattenwesen flohen, hätte es sonst niemanden gegeben, der ihr Diebesgut zurückgefordert hätte, niemanden, der auch nur erkannt hätte, was vor sich ging. Die Elfen werden dafür sorgen, daß so etwas nicht wieder geschieht.«
»Und die Druiden«, sagte er leise, »werden ebenfalls zu diesem Gleichgewicht beitragen. Das war etwas, was ich zuvor nicht verstanden hatte, etwas, was ich gelernt habe, indem ich einer von ihnen wurde. Die Druiden sind das Bewußtsein des Landes. Sie manipulieren und kontrollieren nicht einfach nur. Sie suchen heraus, was dem Land und seinen Bewohnern Schwierigkeiten bereitet, und helfen dabei, es in Ordnung zu bringen. Es mag manchmal scheinen, als dienten sie nur ihren eigenen Zwecken, aber diese falsche Annahme resultiert aus der Angst vor der Macht, die sie besitzen. Die Beurteilung bleibt natürlich jedem Druiden selbst überlassen – auch mir, wie ich weiß –, aber der Grund für ihre Existenz ist das Bedürfnis zu dienen.« Er hielt inne. »Sonst könnte ich keiner von ihnen sein.«