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Robin fuhr in ihrem Versteck so erschrocken zusammen, daß ihr Fuß gegen ein Holzstück stieß, daß klappernd davon rollte. Vor Schrecken hielt sie für einen Moment den Atem an, fest davon überzeugt, daß sie nun entdeckt werden mußte und es um sie geschehen war. Aber keiner der Männer draußen reagierte auch nur auf das Geräusch. Der blondgelockte Ritter ging ruhig zu seinem Pferd, schwang sich mit einer kraftvollen Bewegung in den Sattel und hatte Mühe, das nervöse Tänzeln des Pferdes wieder unter Kontrolle zu bekommen.

»Alles hängt davon ab, daß sich jeder an den Plan hält«, fuhr er fort. »Begeht auch nur einer von uns einen Fehler, dann ist es um uns alle geschehen. Ihr kennt meinen Vater. Er wird keine Gnade walten lassen, weder euch noch mir gegenüber.«

»Eure Bedenken kommen ein bißchen spät«, sagte der Templer mit der Narbe. Er deutete auf die reglose Gestalt auf dem Pferd. »Ich glaube nicht, daß wir jetzt noch zurück können.«

»Es sind auch keine Bedenken«, antwortete der Blonde ernst. »Und ein Zurück gibt es für keinen von uns - für mich am allerwenigsten. Ich will nur sicher sein, daß ich nicht der einzige bin, dem das klar ist. Unser Plan wird erfolgreich sein, oder wir werden alle sterben, so einfach ist das.« Er gab seinen beiden Begleitern ein Zeichen, woraufhin sich auch diese auf die Rücken ihrer Tiere schwangen. Dann lachte er und schlug sich mit der flachen Hand auf den linken Oberarm. »Und denk daran, Otto - es soll echt aussehen, aber ich möchte den Arm nach einer Weile wieder benutzen können.«

Seine Worte riefen ein allgemeines, rauhes Gelächter hervor, das aber nur wenige Augenblicke anhielt, und die Nervosität der Männer auch nicht ganz verhehlen konnte.

Der Blonde beugte sich vor, löste einen zerschrammten Helm von seinem Sattelgurt und setzte ihn auf. Das Scharnier quietschte hörbar, als er das Visier des Helmes mit einiger Mühe aufklappte. Der Helm war offenbar schon lange Zeit nicht mehr benutzt worden.

»Also dann - denkt an meine Worte«, sagte er. »Wir treffen uns um Mitternacht, auf halbem Wege zur Burg.«

Er riß sein Pferd roh herum und sprengte davon, und seine beiden Begleiter folgten ihm. Die Templer sahen ihm wortlos nach, saßen aber nicht auf, wie Robin insgeheim (wenn auch wider besseres Wissen) gehofft hatte. Einer von ihnen begab sich zur jenseitigen Ecke des Gebäudes, wohl um den Reitern nachzusehen, die drei anderen blieben, wo sie waren.

»Was machen wir mit ihm?« fragte einer der Templer.

»Wir lassen ihn gleich hier«, antwortete der Narbige - Otto - nach kurzem Zögern.

»Hier? Wo schon einmal...«

»Genau hier«, bestimmte Otto. »Diese dummen Bauern werden es als Omen betrachten oder als Fingerzeig Gottes. Hebt ihn vom Pferd und legt ihn genau dort hin.«

Zwei seiner Begleiter gehorchten wortlos. Sie hoben den reglosen Körper aus dem Sattel - Robin sah nun zweifelsfrei, daß der Mann tot war, denn die Brust seines ehedem gelben Gewandes war ein einziger, dunkler Blutfleck - und warfen ihn achtlos zu Boden. Das Geräusch des Aufpralls ließ das Pferd erschrocken wiehern und ein paar Schritte davonlaufen; aber wirklich nur ein paar Schritte.

»Vielleicht sollten wir das Pferd anbinden«, sagte einer der Templer, aber Otto schüttelte heftig den Kopf. »Es wird schon hierbleiben«, sagte er. »Und wenn nicht, dann läuft es höchstens nach Hause. Um so besser.«

»Sie sind am Wald«, drang die Stimme des vierten Ritters zu ihnen.

»Also gut.« Otto nickte grimmig, ging zu seinem Pferd und stieg mit einer umständlichen Bewegung in den Sattel. Robin hatte das Gefühl, daß ihn seine Kleider behinderten. Sie konnte sich nicht vorstellen, wieso, aber es kam ihr beinahe so vor, als wäre es der Tempelritter nicht gewohnt, sich in Kettenhemd und Rüstung zu bewegen.

Die vier Templer ritten davon, in die gleiche Richtung wie die drei Männer gerade, aber deutlich langsamer. Robin wartete lange genug, um sicher sein zu können, daß sie auch wirklich weg waren, dann verließ sie die Kapelle und sah sich vorsichtig um.

Die vier Reiter waren mittlerweile zu daumennagelgroßen Punkten zusammengeschrumpft, die sich rasch dem Wald näherten - und damit auch dem Dorf. Robin hatte nicht einmal eine Vorstellung davon, was diese Männer im Dorf suchten. Während sie in ihrem Versteck gesessen und gelauscht hatte, hatte sie sich vergeblich den Kopf darüber zerbrochen. Zwar ließ das Gespräch, dessen Zeuge sie geworden war, keinen Zweifel daran, daß diese Männer in böser Absicht hier waren, aber sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, es ergab einfach keinen Sinn.

Sie mußte zurück, um ihre Mutter und die anderen zu warnen. Und sie mußte vor den Fremden dort ankommen, ganz gleich, wie. Einen Moment lang dachte sie ernsthaft daran, einfach loszurennen. Sie war eine gute Läuferin, sehr schnell und auch ziemlich ausdauernd, und allein das Wissen, worum es ging, würde sie sicher zu noch größerer Schnelligkeit anspornen. Aber der Weg ins Dorf war weit. Zu weit, als daß sie sich ernsthaft einbilden konnte, ein Wettrennen mit einem Pferd gewinnen zu können, selbst wenn dieses nur gemächlich trabte.

Es gab nur einen einzigen Weg: Sie mußte ebenfalls reiten.

Auch wenn sie es gar nicht konnte.

Sie ging zu dem Toten hin, ließ sich neben ihm auf das linke Knie sinken und unterzog ihn einer flüchtigen Untersuchung. Er schien erst vor kurzer Zeit verstorben zu sein - sein Blut war noch nicht geronnen, und als sie nach seiner Hand griff, stellte sie fest, daß seine Glieder noch nicht steif waren. Ein weiteres Rätseclass="underline" Warum hatten die Männer diesen Mann umgebracht?

Während sie noch immer fassungslos auf den Toten starrte, wurde ihr bewußt, daß ihr auch das Gesicht dieses Mannes vage bekannt vorkam, so wie das des Blonden - sie hatte das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben, war sich aber zugleich ziemlich sicher, daß das gar nicht sein konnte.

Verwirrt stand sie auf, drehte sich herum und suchte nach dem Pferd. Wie der Tempelritter gesagt hatte, war es nur ein paar Schritte weit davongelaufen und stand nun da und zupfte an dem saftigen Gras, das hinter der Kapelle wuchs, äugte zwischendurch aber immer wieder zu ihr herüber.

Robin betete, daß es ihr nicht davonlaufen würde, atmete tief ein und bewegte sich mit kleinen Schritten auf den schwarzen Hengst zu. Als sie sich ihm bis auf drei Schritte genähert hatte, hob er den Kopf, sah sie aus seinen großen, klugen Augen an und begann unruhig die Ohren hin und her zu drehen. Sein rechter Vorderlauf scharrte nervös im Boden.

»Bitte lauf nicht weg«, murmelte Robin. Sie blieb stehen, hob den Arm und versuchte, einen freundlichen Ton in ihre Stimme zu zwingen, hörte aber selbst, daß sie viel zu sehr vor Nervosität zitterte. Sie hatte so verzweifelt wenig Zeit! Mit jedem Augenblick, den sie hier stand und mit diesem Pferd redete, kamen die Reiter dem Dorf näher. Aber wenn sie das Tier erschreckte und es davonlief, dann hatte sie überhaupt keine Chance mehr, ihre Mutter und die anderen zu warnen.

»Bleib bitte stehen«, flehte sie. »Ich brauche dich!«

Als hätte das Pferd ihre Worte verstanden, sprengte es nicht davon, sondern kam im Gegenteil sogar langsam näher. Robin atmete vorsichtig auf, streichelte mit der linken Hand seine Nüstern und griff mit der anderen nach dem Sattel. Sie erschrak, als sie sah, wie riesig das Pferd war - viel, viel größer als Jans Schecke, auf dem sie vor ein paar Tagen geritten war. Und dabei stand ihr das Schwerste noch bevor. Eine Weile im Sattel zu sitzen, während das Pferd von einem anderen am Zügel geführt wurde, bedeutete schließlich nicht, daß sie auch reiten konnte ...

In den Sattel zu steigen, erwies sich als Abenteuer für sich. Sie benötigte drei Anläufe, bevor sie sich dann erinnerte, wie Bruder Abbé aufgestiegen war, setzte den linken Fuß in den ledernen Steigbügel und schwang sich mit einer kraftvollen Bewegung auf den Rücken des Pferdes.