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Vielleicht mit einer etwas zu kraftvollen Bewegung, denn sie wäre um ein Haar auf der anderen Seite gleich wieder heruntergefallen und stürzte nur deshalb nicht, weil sie sich instinktiv mit der linken Hand in die schwarzen Mähne des Hengstes krallte. Zu ihrem Glück ließ das Tier die grobe Behandlung klaglos über sich ergehen.

Und jetzt? Robins Erleichterung, einigermaßen erfolgreich aufgesessen zu sein, bekam einen kräftigen Dämpfer, als ihr klar wurde, daß sie nicht einmal wußte, wie sie dem Tier die Richtung zeigen sollte, in das es gehen sollte. Hilflos griff sie nach den Zügeln und zupfte daran. Das Pferd hob den Kopf und verdrehte den Hals, um ihr einen fast mitleidigen Blick zuzuwerfen.

Dann setzte es sich ganz von selbst in Bewegung.

Robin war im ersten Moment so überrascht, daß sie ganz instinktiv die Zügel mit aller Kraft umklammerte und die Schenkel gegen den Pferdeleib preßte. Diesmal ließ der Hengst ein unwilliges Wiehern hören, wurde aber nur noch schneller und fiel schließlich in einen raschen, gleichmäßigen Trab. Er schlug den Weg zum Ort hin ein, als hätte er Robins Gedanken gelesen. Dann begriff sie, daß die Wahrheit viel simpler war: Der Hengst lief einfach hinter den anderen Tieren her, wie er es gewohnt war.

Der Weg zum Dorf zurück schien kein Ende zu nehmen. Das Pferd folgte getreulich der Spur, die die anderen Tiere im Gras hinterlassen hatten, und wahrscheinlich bewegte es sich langsamer als sie; Robin würde den Ort niemals rechtzeitig erreichen. Sie dachte einen Moment lang daran, das Pferd irgendwie zu einer rascheren Gangart anzutreiben, wagte es schließlich aber doch nicht - sie hatte jetzt schon alle Mühe, sich im Sattel zu halten. Wenn das Pferd schneller lief oder gar in Galopp fiel, würde sie garantiert abgeworfen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu fassen und zu hoffen, daß sie nicht zu spät kam.

Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

Sie kam zu spät.

KAPITEL 8

Robin sah das Feuer schon von weitem. Die Dämmerung hatte eingesetzt, während sie sich dem Dorf näherte, und sie sah am Anfang nur einen winzigen roten Funken, wie ein düsterrotes Auge, das ihr aus der hereinbrechenden Dämmerung entgegenblinzelte. Schon nach wenigen Momenten aber änderte sich sowohl seine Farbe als auch seine Helligkeit, und dann wuchs der einzelne, rote Funke zu einem lodernden, weißgelben Flammenmeer, das rasend schnell um sich griff. Eines der Häuser am Ortsrand brannte.

Den Gedanken, der ihr praktisch sofort durch den Kopf schoß, ließ sie nicht zu. Es durfte einfach nicht ihr Haus sein. So grausam war das Schicksal nicht.

Das Pferd wurde von selbst schneller und änderte sogar die Richtung um eine Winzigkeit, um nun direkt auf das brennende Haus zuzuhalten - als hätte es noch nie davon gehört, daß Tiere eine angeborene Furcht vor Feuer hatten. Es war tatsächlich ein Schlachtroß und offensichtlich so gut trainiert, daß es wie von selbst den Weg ins Zentrum des Kampfes suchte, statt seinen angeborenen Reflexen zu gehorchen und davor zu fliehen. Robin mußte sich mittlerweile mit aller Gewalt in seiner Mähne festkrallen, um nicht runterzufallen.

Nach einigen weiteren Augenblicken wurde ihr klar, daß sie tatsächlich mitten in eine Schlacht hineinritt. Das Feuer hatte mittlerweile auf mindestens ein weiteres Haus übergegriffen, und Robin erkannte voller Entsetzen, daß eines davon tatsächlich das ihrer Mutter war. Sie hörte Schreie, das schrille Wiehern von Pferden und dumpfe, krachende Laute. Menschen rannten kopflos hin und her und wurden vor dem Hintergrund der brennenden Häuser zu schwarzen, sich hektisch bewegenden Scherenschnitten. Und Schreie, immer wieder Schreie; ein Laut, als schlüge Metall auf etwas Weiches, das unter dem Aufprall zerbrach.

Hitze und der Geruch von verkohltem Holz und brennendem Stroh schlugen ihr entgegen, als das Pferd ins Dorf hineinsprengte. Robin nahm nichts von dem schrecklichen Geschehen rings um sich herum wahr. Sie sah nur das brennende Haus am Ortsrand, mittlerweile schon eins von dreien, deren Dächer lichterloh in Flammen standen, und sie konnte an nichts anderes denken als daran, daß es ihr Haus war, ihres und das ihrer Mutter, und daß ihre Mutter nirgendwo zu sehen und vielleicht sogar noch dort drinnen in dieser Flammenhölle war.

Das Pferd begann nun doch zu scheuen. Robin zerrte kopflos an den Zügeln, machte dadurch alles aber nur noch schlimmer; das Tier schnaubte erschrocken und begann nervös auf der Stelle zu tänzeln. Robin versuchte nicht, es wieder in ihre Gewalt zu bekommen, sondern ließ sich ebenso hastig wie ungeschickt aus dem Sattel rutschen. Sie fiel prompt hin, rappelte sich aber sofort wieder hoch und stolperte auf das brennende Haus zu.

Obwohl sie noch zehn Schritte entfernt war, nahm ihr die Hitze bereits jetzt den Atem. Das gleißende Licht trieb ihr die Tränen in die Augen, so daß das Haus vor ihr zu verschwimmen schien, fast als betrachte sie nur seine Spiegelung auf einer bewegten Wasseroberfläche. Das niedrige Strohdach stand lichterloh in Flammen, und auch hinter der offenstehenden Tür und dem Fenster zuckte bereits grelles, unheilverkündendes Licht. Dort drinnen konnte niemand mehr leben.

Trotzdem taumelte sie weiter. Glühende Funken senkten sich auf sie herab, brannten kleine, rauchende Löcher in ihr Kleid und ihre Haut und versengten ihr Haar, und die Luft war so heiß, daß sie nicht mehr atmen konnte.

Sie wäre in den sicheren Tod gelaufen, hätten sich nicht plötzlich zwei starke Hände von hinten auf ihre Schultern gelegt und sie zurückgerissen. Robin schrie verzweifelt auf und begann um sich zu schlagen, aber der Mann, der sie gepackt hielt, war viel zu stark für sie. Mühelos zog er sie ein gutes Stück von den brennenden Häusern fort, drehte sie herum und schüttelte sie dann so heftig, daß ihr Kopf hin und her flog.

»Robin! Robin, um Gottes Willen! So beruhige dich doch!«

Robin begriff überhaupt erst jetzt, daß sie die ganze Zeit geschrien hatte. Sie verstummte zwar, wehrte sich aber trotzdem weiter mit aller Kraft gegen Geros Griff, bis der Müller schließlich ausholte und ihr kraftvoll mit dem Handrücken ins Gesicht schlug.

»Laß mich los!« schluchzte sie. »Bitte! Meine Mutter! Ich muß meine Mutter suchen!«

»Deine Mutter ist tot«, sagte Gero hart. »Genau wie viele andere! Und wir werden es auch bald sein, wenn wir nicht verschwinden!«

»Tot?!« Robin starrte Gero aus aufgerissenen Augen an. Sie sah erst jetzt, daß er verletzt war. Er blutete aus einer üblen Schnittwunde im Gesicht, und auch auf seiner Hand war ein häßlicher, roter Fleck, der so schnell größer wurde, daß man dabei zusehen konnte.

»Tot?« murmelte sie noch einmal, ebenso hilf- wie verständnislos. Zum ersten Mal sah sie sich wirklich um, statt nur Augen für ihr brennendes Haus zu haben. Nicht nur das Haus ihrer Mutter und die beiden benachbarten Gebäude standen in Flammen, auch aus einigen anderen Dächern stieg bereits grauer Rauch, und hier und da sah sie bereits erste, noch winzige Flämmchen. Niemand versuchte zu löschen, aber dafür gewahrte sie zuerst eine, dann zwei und schließlich sogar viele reglose Gestalten, die in ihrem Blut auf dem Boden lagen. Und jetzt, schlagartig, fielen ihr auch wieder die Bilder und Geräusche ein, die sie bei ihrer Annäherung an das Dorf so aufgeschreckt hatten.

»Die Templer«, antwortete Gero gepreßt. »Dieser verfluchte Abbé hat gelogen, um uns in Sicherheit zu wiegen. Aber jetzt sind sie zurück, und bei Gott, ich glaube, sie wollen das ganze Dorf auslöschen!« Er warf einen gehetzten Blick über die Schulter zurück. »Wir brauchen ein Versteck!«

Er ließ endlich Robins Arme los und wollte aufstehen, aber seine Kraft reichte nicht mehr. Mit einem schmerzerfüllten Keuchen fiel er auf die Knie zurück und preßte beide Hände gegen den Leib. Robin stellte entsetzt fest, um wie vieles größer der Blutfleck auf seiner Hand in den wenigen Augenblicken geworden war, die sie miteinander geredet hatten.