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Einmal erschien auch Bruder Abbé an ihrem Krankenlager, begleitet von einem weiteren, dunkelhaarigen Mann, den sie kannte und der die Rüstung eines Tempelritters trug; zweifellos einer der fünf, die sie zusammen mit Abbé unten auf dem Hof gesehen hatte. Abbé wirkte sehr besorgt und bestürmte sie mit Fragen, und sie gab sich auch redliche Mühe, sie zu beantworten - schon weil sie spürte, von welch großer Wichtigkeit sie für Abbé waren. Aber es fiel ihr sonderbar schwer, sich auf die Fragen zu konzentrieren. Müdigkeit stieg in Wogen in ihr empor, und manchmal hätte sie selbst nicht sagen können, ob sie nun zur Antwort schon ein- oder zweimal die Augen geschlossen hatte. Schließlich gab Abbé es auf und ging.

Erst um die Mittagsstunde des nächsten Tages wachte sie wirklich auf. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen, und sie fühlte sich ausgeruht und frisch wie schon lange nicht mehr. Ihr Hals schmerzte, und sie hatte einen üblen Geschmack im Mund; den mittlerweile schon vertrauten Geschmack von Blut und Schleim, aber auch noch von etwas anderem, unbekanntem. Erst jetzt, im nachhinein, erinnerte sie sich, diesen Geschmack die ganze Zeit über gespürt zu haben. Sie nahm an, daß Tobias ihr irgend etwas eingeflößt hatte, was sie müde werden ließ, um ihren Heilschlaf zu fördern, und vielleicht auch ein bißchen, um sie vor Abbés allzu großer Neugier zu schützen.

Sie setzte sich auf - die Bewegung fiel ihr erstaunlich leicht angesichts dessen, was sie in den letzten Tagen gespürt hatte -, fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und reckte sich ausgiebig. Das Gähnen, das in ihr emporstieg, unterdrückte sie im letzten Moment, denn vermutlich hätte es nur die Schmerzen in ihrem Hals weiter angestachelt.

»Ich muß gestehen, daß Bruder Tobias nicht übertrieben hat.«

Robin drehte vorsichtig den Kopf und blinzelte verwirrt. Salim saß neben ihrem Bett und grinste sie geradezu unverschämt an. Seine Anwesenheit war für sie schon so vertraut geworden, daß sie ihn einfach vergessen hatte.

»Du bist wirklich ein hübsches Mädchen.« Salims Grinsen wurde noch breiter, während sein Blick ganz unverhohlen an ihrem Körper hinabglitt. Auch Robin senkte den Kopf und fuhr dann erschrocken zusammen. Als sie sich aufgesetzt hatte, war die Decke von ihren Schultern gerutscht, und darunter trug sie immer noch nichts. Hastig verhüllte sie sich wieder und warf Salim einen gespielt ärgerlichen Blick zu.

Salims Grinsen wurde nun eindeutig unverschämt. Seine Zähne, die von einem so strahlenden Weiß waren, wie Robin es noch nie zuvor gesehen hatte, blitzten regelrecht. Er legte die flachen Hände überkreuz auf die Brust und neigte in einer demütigen Geste das Haupt so tief, daß seine Stirn die Bettkante berührte. »Bitte verzeiht mir, Herrin«, sagte er spöttisch. »Ich bin nur ein dummer, unwissender Heidenjunge, der nichts von den Sitten und Gebräuchen der Christen weiß. Ich bin einfach der Verlockung eines schönen Weibes erlegen. Bitte laßt mich nicht auspeitschen - wenigstens nicht so heftig.«

Ob Robin wollte oder nicht - sie mußte einfach lachen. Es war keine besonders gute Idee - ihr Hals schien zerreißen zu wollen, und aus dem Lachen wurde ein qualvoller Hustenanfall.

Salim lächelte noch immer, aber in seinen Augen stand auch ein deutlicher Ausdruck von Sorge, als sie endlich wieder halbwegs zu Atem gekommen war. »Versuche nicht zu sprechen«, sagte er. »Bruder Tobias hat recht, weißt du? Deine Heilung macht so gute Fortschritte, daß es ihm schon fast unheimlich ist. Aber übertreibe es nicht.«

Er stand auf, kramte einen kurzen Moment in einer Truhe herum und kam mit einem Hemd aus grobem hellgrauem Stoff zurück, das er ihr reichte.

»Zieh das an«, sagte er. »Bruder Abbé wird gleich kommen, um mit dir zu reden.«

Robin griff zögernd nach dem Hemd. Der Stoff fühlte sich so rauh und grob an, wie er aussah. Es mußte sehr unangenehm sein, es zu tragen. Salirn wiederholte seine Aufforderung jedoch mit einem bekräftigenden Nicken, wandte sich dann um und trat ans Fenster, um auf den Hof hinunterzublicken. Er blieb reglos so stehen, bis Robin aufgestanden war und das graue Büßergewand überstreifte. Kaum hatte sie es getan, da drehte er sich auch schon wieder herum und maß sie mit einem langen, kritischen Blick. Dann grinste er wieder.

»Vorher hast du mir besser gefallen.«

Robin schnitt eine Grimasse, und Salim lachte kurz, aber sehr herzhaft und fuhr dann mit einem Kopfschütteln fort: »Nein, nein, ich meine es nicht so, wie du glaubst. Aber ich verstehe euch Christen einfach nicht. Ihr werft uns vor, ungebildete Wilde zu sein, aber wir kleiden unsere Frauen in feinste Stoffe. Wir schenken ihnen kostbare Kleider und behängen sie mit Schmuck und den wertvollsten Edelsteinen. Wir stecken sie nicht in Säcke!«

Glaubte er etwa, daß sie dieses... Ding gerne trug? Robin blickte stirnrunzelnd an sich herab und konnte Salims harsches Urteil nur bestätigen. Das Gewand war so schwer und kratzig auf der Haut, wie sie befürchtet hatte, und es sah tatsächlich aus wie ein Sack, an den jemand mit wenig Geschick eine Kapuze und viel zu breite Ärmel genäht hatte. Sie nahm sich vor, Tobias nach dem Verbleib ihres eigenen Gewands zu fragen, sobald sie wieder sprechen konnte.

»Es ist zu schade, daß du nicht reden kannst«, sagte Salim. »Ich hätte zu gerne gewußt, was in jener Nacht dort draußen wirklich geschehen ist... und Bruder Abbé übrigens auch. Er ist in großer Sorge, weißt du? Niemand sagt mir etwas, denn schließlich bin ich nur ein Sklave, der sich nicht in die Angelegenheiten seines Herrn zu mischen hat, aber ich müßte schon blind sein, um nicht zu sehen, wie besorgt er seit dem Besuch des Freiherrn ist.« Er schüttelte den Kopf. »Würde ich ihn nicht besser kennen, würde ich sagen, daß er Angst hat.«

»Und damit kämst du der Wahrheit ziemlich nahe, du verlogener, doppelzüngiger Sohn eines Kameltreibers!« Bruder Abbé kam herein und maß Salim mit einem Gesichtsausdruck, der Robin vor Schrecken hätte erstarren lassen, hätte er ihr gegolten - und wäre da nicht ein spöttisches Glitzern in seinen zornig zusammengezogenen Augen gewesen.

»Glaub ihm kein Wort«, fuhr er fort. »Die Muselmanen sind dafür bekannt zu lügen. Dieser nichtsnutzige Abkömmling eines Wüstenskorpions ist kein Sklave. Wir halten keine Sklaven, sondern nehmen allenfalls Gefangene, denen wir die unendliche Gnade zuteil werden lassen, sie mit in unsere Heimat zu nehmen, wo sie die christlichen Tugenden und die Segnungen abendländischer Zivilisation kennenlernen dürfen.«

Robin sah Abbé stirnrunzelnd an. Sie konnte einfach nicht sagen, ob diese Tirade ernst gemeint oder vielleicht nur Teil eines komplizierten Spieles zwischen ihm und dem Tuareg war. Salims Gesichtsausdruck jedenfalls konnte ebensogut tiefsten Schrecken wie ein nur noch mühsam unterdrücktes Lachen bedeuten.

»Nun zu dir, mein Kind.« Abbé machte eine entsprechende Geste. »Bitte nimm Platz. Wir haben einiges miteinander zu besprechen, und ich habe wenig Lust, mir wieder endlose Vorhaltungen unseres übereifrigen Bruder Tobias anhören zu müssen, daß ich dich überanstrengt hätte.«