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Robin setzte sich gehorsam auf die Bettkante und stellte erst jetzt fest, daß Abbé nicht allein gekommen war. In seiner Begleitung befand sich der zweite, dunkelhaarige Tempelritter, den sie schon am Tag zuvor gesehen hatte. Wie auch Abbé selbst trug er keine Mönchskutte, sondern Kettenhemd, Wappenrock und Mantel. Tobias hatte sich neben der Tür gegen die Wand gelehnt und die Hände vor dem Bauchnabel gefaltet. Er lächelte zwar beruhigend, aber irgendwie spürte Robin, daß sie diesmal keine Unterstützung von ihm zu erwarten hatte. Trotz seines durchaus humorvollen Auftretens strahlte Abbé einen spürbaren Ernst aus.

»Das ist Bruder Jeromé.« Abbé deutete auf den zweiten Tempelritter. »Du kennst ihn ja bereits... erinnerst du dich?«

Robin nickte.

»Das ist gut.« Abbé nickte zufrieden. Er gab sich zwar Mühe, es zu überspielen, aber Robin spürte genau, wie nervös er war. »Dann kommen wir zur Sache. Salim hier hat mir erzählt, daß du uns gestern beobachtet hast, draußen auf dem Hof. Weißt du, wer die Männer waren, die uns gestern... sagen wir, besucht haben?«

Robin nickte erneut. Sie warf Salim einen fast hilfesuchenden Blick zu, aber der Tuareg schien plötzlich geradewegs durch sie hindurch zu sehen.

»Und du weißt auch, was sie hier wollten?«

Diesmal zögerte Robin einen kurzen Moment, aber dann schüttelte sie den Kopf.

»Nun, sie kamen mit einer geradezu ungeheuerlichen Geschichte hierher. Du weißt, wer Freiherr von Elmstatt ist? Euer Lehnsherr, und der zahlreicher anderer Ortschaften und Ländereien hier - und im Grunde ein sehr vernünftiger Mann. Jedenfalls schien er mir das bis gestern zu sein. Aber nun scheint er mir entweder den Verstand verloren zu haben - oder es geht etwas vor, dessen ganzes Ausmaß noch keiner von uns versteht. So oder so: Ich muß jetzt wissen, was in jener Nacht in eurem Dorf wirklich passiert ist. Es geht möglicherweise um unser aller Leben. Vielleicht sogar um noch viel mehr. Ist es wahr, daß dein Dorf überfallen worden ist?«

Robin nickte.

»Und ist es weiter wahr, daß es Männer wie wir waren? Tempelritter?«

Robin nickte erneut und schüttelte praktisch in der gleichen Bewegung den Kopf. Sie überlegte verzweifelt, wie sie Abbé klar machen konnte, was geschehen war - was wirklich geschehen war. Aber wie sollte man etwas erklären, das man selbst kaum verstand, wenn man nicht einmal in der Lage war zu sprechen?

Sie drehte sich zu Salim um und gestikulierte einen Moment hilflos. Dann machte sie wieder die Bewegung, mit der sie die Narbe im Gesicht des angeblichen Tempelritters beschrieb.

»Ich verstehe immer noch nicht, was du mir sagen willst«, sagte Salim bedauernd.

»Einen Moment!« mischte sich Jeromé ein. »Aber ich vielleicht. Hat sie das schon einmal gemacht?«

»Gestern, als der Freiherr hier war.«

Jeromé wandte sich direkt an Robin. »Eine Narbe«, murmelte er. »Du meinst, einer der Männer hatte eine Narbe im Gesicht, habe ich recht? Eine Narbe, die von seiner Stirn bis zum Kinn reicht?«

Robin nickte aufgeregt. Endlich jemand, der sie verstand.

»Ein sehr großer, brutaler Kerl?«

»Das klingt, als ob du den Mann kennst«, sagte Abbé stirnrunzelnd.

Jeromé schnaubte. »Es wundert mich, daß du ihn nicht kennst, Bruder. Otto. Er ist Gunthar von Elmstatts Waffenmeister. Ein brutaler Kerl. Jeder, der ihn kennt, haßt ihn, oder hat Angst vor ihm. Meistens beides.« Er sah wieder Robin an. »Er war also dabei?«

Robin nickte, sah Abbé, Jeromé und Salim nacheinander und sehr ernst an und machte dann mit dem Daumen eine eindeutige Geste ihre Kehle entlang.

Jeromé sog überrascht die Luft zwischen den Zähnen ein. »Hat er dir das angetan?« fragte er ungläubig. »Otto? Er hat versucht, dir die Kehle durchzuschneiden?«

Robin nickte, aber Bruder Abbé wiegte zweifelnd den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn«, sagte er. »Warum sollte Otto sie töten wollen? Gernot von Elmstatt hat sein Leben riskiert, um die Menschen aus ihrem Dorf zu schützen. Er wurde schwer verletzt, und sein Bruder Gundolf fand sogar den Tod! Warum sollten sie dieses Mädchen umbringen wollen?«

»Das weiß ich nicht.« Jeromé seufzte tief. »Gütiger Gott, wenn sie doch nur reden könnte!«

Robin versuchte es. Sie wußte, daß sie mit Schmerzen dafür würde bezahlen müssen, dennoch bemühte sie sich mit aller Kraft, wenigstens ein einziges Wort hervorzuwürgen - aber das einzige Ergebnis war auch diesmal wieder ein qualvoller Hustenanfall, unter dem sie sich krümmte. Sie sah aus den Augenwinkeln, daß Bruder Tobias auf sie zueilen wollte, von Jeromé jedoch mit einer raschen Bewegung daran gehindert wurde.

»Du willst uns etwas sagen, nicht wahr? Etwas, das wichtig für dich ist.«

Robin nickte, aber sie war nicht ganz sicher, daß Jeromé die Bewegung wirklich als das erkannte, was sie war, denn sie wurde noch immer von einem heftigen Hustenkrampf geschüttelt. Allmählich bekam sie es mit der Angst zu tun. Der Husten wollte nicht aufhören, und irgend etwas in ihrer Kehle schien wieder aufgerissen zu sein, denn sie schmeckte frisches Blut.

»Ich denke, daß das jetzt genug ist«, mischte sich Tobias ein. »Seht ihr nicht, wie schlecht es ihr geht?«

Jeromé wollte abermals auffahren, aber diesmal kam Robin ihm zuvor. Mühsam stemmte sie sich hoch, kämpfte den Hustenanfall mit aller Kraft nieder und streckte die Hand in Jeromés Richtung aus. Der Tempelritter machte zwar ein fragendes Gesicht, hob aber dann die Schultern und kam gehorsam näher. Robin griff mit der rechten Hand nach seinem Rock, zupfte zweimal daran und deutete gleichzeitig wieder auf ihren Hals. Sie schüttelte heftig den Kopf und riß und zerrte weiter an Jeromés Rock.

»Was... was soll das?« fragte Jeromé verwirrt, aber auch in leicht ärgerlichem Ton. Er griff nach ihrer Hand, um sie zur Seite zu schieben, aber Robin riß sich los und fuhr fort, immer hektischere, pantomimische Gesten zu machen.

»Was ist in dich gefahren?« fragte Jeromé. Er klang nun wirklich zornig. Geduld gehörte offenbar nicht zu seinen großen Stärken. »Hast du den Verstand verloren?«

»Warte, Jeromé.« Abbé hob besänftigend die Hand und trat zugleich mit einem raschen Schritt zwischen sie; wohl, um den direkten Blickkontakt zwischen ihnen zu unterbrechen. »Ich glaube fast, ich ... ich weiß, was sie uns sagen will.« Er schüttelte ein paarmal den Kopf. »Aber es fällt mir schwer, zu glauben.«

»Was?« fragte Jeromé scharf.

Abbé ignorierte ihn. »Dieser Mann mit der Narbe im Gesicht«, sagte er. Seine Stimme wurde leiser, aber zugleich auch eindringlicher. Etwas in seinen Augen ... flackerte. »Es war der, der versucht hat, dich zu töten, nicht wahr?«

Robin nickte.

»Aber du willst uns sagen, daß er nicht... zu Gernots Leuten gehörte.« Das winzige Stocken in seiner Stimme war kein Zufall. Abbé blieb äußerlich ruhig, aber Robin spürte, daß es hinter dieser Maske vollkommen anders aussah. Abbé hatte längst begriffen, was sie ihnen sagen wollte - aber er weigerte sich anscheinend mit aller Macht, es sich selbst einzugestehen.

»Was soll das heißen: Nicht zu Gernots Leuten?« fragte Jeromé. »Er ist der Waffenmeister auf Burg Elmstatt!«

»Aber in dieser Nacht war er es nicht«, antwortete Abbé düster. »In der Nacht, in der Robins Dorf überfallen wurde, trug er die gleiche Kleidung wie wir. Die Kleidung eines Tempelritters. Das ist es doch, was du uns sagen willst, oder?«

Robin nickte.

»Das ... das ist unmöglich«, sagte Jeromé. »Sie muß sich irren. Das - oder sie lügt.«

»Welchen Grund sollte sie haben?« Abbé schüttelte müde den Kopf. »Ich fürchte, sie sagt die Wahrheit.«