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»Er... er hat sich mit einer Frau getroffen«, stieß Hark hervor. »Einer Frau aus unserem Dorf.«

Für ein paar Augenblicke wurde es fast absolut still in Abbés Officium. Dann keuchte Jeromé: »Ist dir klar, was du da gerade gesagt hast, Kerl?«

Hark sah nervös auf. Er zitterte. Der Blick, den er Bruder Abbé zuwarf, war fast flehend. »Es ist... wahr, Herr«, stammelte er.

»Und das ist weiß Gott noch nicht alles«, fugte Gernot hinzu. »Wie es aussieht, war der Mann des Frauenzimmers, mit dem sich der Tempelritter traf, nicht besonders begeistert darüber. Vor einer Woche nahm er eine Mistgabel, ging hinaus und erschlug seine Frau und auch den Begleiter des Tempelritters, bevor es diesem gelang, ihn zu töten.«

»Was für eine absurde Geschichte«, sagte Jeromé. »Der Mann ist nicht bei Verstand!«

»Ich war gestern bei dieser Kapelle«, sagte Gunthar leise. »Ich wollte den Leichnam meines Sohnes holen. Es gibt dort drei frisch ausgehobene Gräber. Sie sind keine Woche alt.« Er atmete hörbar ein. »Ich habe sie öffnen lassen. In einem lag der Leichnam Eures Knappen, Abbé. Er ist nicht am Fieber gestorben. Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen.«

»Das ist ungeheuerlich!« Jeromé sprang auf und griff nach seinem Schwert.

»Bruder Jeromé!« Abbé machte eine besänftigende Geste mit beiden Händen. »Bitte beruhigt Euch! Ich bin sicher, daß wir alles aufklären können.«

»Was gibt es da aufzuklären?« fragte Gernot böse. »Selbst ein Blinder wäre fähig, die Wahrheit zu sehen!«

»Welche Wahrheit?« fragte Jeromé schneidend.

»Die einzige«, antwortete Gernot. »Jemand hat einen Tempelritter erschlagen. Ein todeswürdiges Verbrechen, nicht wahr?«

»Nicht schlimm genug, um ein ganzes Dorf auszulöschen«, sagte Abbé. »Das wißt Ihr, Gernot.«

»Aber vielleicht willkommener Anlaß, sich lästiger Zeugen zu entledigen«, gab Gernot zurück. »Zeugen für etwas, das vor allem einem Mann sehr peinlich sein muß, der ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat.«

Jeromé erbleichte. »Das ist genug. Ihr werdet mir für diese ungeheuerliche Unterstellung Genugtuung gewähren, hier und jetzt!« Er zog sein Schwert.

Auch Gernot und Otto sprangen fast im gleichen Moment auf und zogen ihre Schwerter, und für einen Augenblick schien ein Kampf unvermeidlich. Jeromé trat drohend auf die beiden Männer zu, und Otto nahm breitbeinig und mit grimmiger Miene Aufstellung zwischen ihm und seinem Schützling.

»Jeromé! Gernot!« Abbé sprang auf und machte eine herrische Geste. »Ich befehle euch aufzuhören!«

Jeromé senkte zögernd sein Schwert. Er stand noch für einen kurzen Moment in vorgebeugter, aggressiver Haltung da, dann drehte er sich mit einem Ruck herum und nahm neben Abbés Stuhl Aufstellung. Er setzte sich weder noch steckte er seine Waffe ein.

»Sprechen wir offen, Gunthar«, sagte Abbé. Jede Spur von Freundlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden. »Bezichtigt Ihr mich, dieser Tempelritter gewesen zu sein?«

»Wart Ihr es denn?« fragte Gunthar.

»Nein«, antwortete Abbé. »Ich schwöre im Angesicht Gottes, daß ich hier und jetzt das erste Mal von dieser Geschichte höre. Und ich habe auch nicht gewußt, daß Jan gewaltsam ums Leben gekommen ist. Man hat mir erzählt, er wäre am Fieber gestorben.«

»Man?«

»Niemand von uns«, beharrte Abbé. »Das muß Euch genügen.«

»Aber das tut es nicht«, antwortete Gunthar. »Ihr habt es selbst gesagt: Es gibt im Umkreis vieler Tagesreisen nur diese eine Komturei. Ich glaube Eurem Wort, Abbé, wenn Ihr sagt, daß Ihr nichts davon wußtet. Aber ich glaube ebenso, daß der Mörder meines Sohnes in diesen Mauern lebt - und daß Ihr wißt, um wen es sich handelt. Ich verlange seine Auslieferung.«

»Wozu?« fragte Jeromé. »Wir unterstehen nur Gottes Urteil. Eure weltliche Gerechtigkeit gilt in diesen Mauern nicht.«

»Dann werden wir sie wohl niederreißen müssen, diese Mauern«, sagte Gernot.

»Ich verlange Gerechtigkeit«, sagte Gunthar noch einmal, ohne Jeromé anzusehen und weiter direkt an Abbé gewandt. »Und wenn Ihr wirklich der Mann seid, für den ich Euch halte, Abbé, dann werdet Ihr sie mir gewähren. Und wenn nicht, dann muß ich sie mir selber nehmen.« Er hob die Stimme. »Ihr werdet mir Gundolfs Mörder ausliefern. Oder ich schwöre bei der Seele meines toten Sohnes, daß ich morgen bei Sonnenaufgang mit einem Heer zurückkommen und diese Komturei dem Erdboden gleichmachen werde!«

»Mit was für einem Heer?« fragte Jeromé höhnisch. »Ihr habt keines.«

Gunthar schwieg. Er starrte Abbé an.

»Für diese Drohung allein könnte ich Euch hinrichten lassen«, sagte Abbé leise. Er schüttelte traurig den Kopf. »Ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß weder ich noch einer meiner Brüder etwas mit dem Überfall auf das Dorf zu tun haben - und schon gar nicht mit dem Tod Eures Sohnes!«

»Ihr habt Zeit bis morgen früh«, sagte Gunthar. »Bis dahin verlange ich die Auslieferung des Mörders, oder die Waffen werden sprechen.«

Er wollte sich herumdrehen und gehen, aber zur allgemeinen Überraschung rief ausgerechnet Jeromé ihn noch einmal zurück.

»Auf ein Wort, Freiherr!«

Gunthar blieb stehen und sah den Tempelritter stirnrunzelnd an.

»Wir haben uns Eure Geschichte geduldig angehört«, sagte Jeromé. »Aber sie scheint mir... noch nicht ganz zu Ende erzählt zu sein.«

Gunthars Stirnrunzeln vertiefte sich. Er sagte immer noch nichts.

»Ihr sagtet, die Tempelritter hätten acht Männer und Frauen aus dem Dorf erschlagen?«

»Und viele andere verletzt«, bestätigte Gernot, ehe sein Vater antworten konnte.

»Und das ist alles?« fragte Jeromé. »Ich meine: Es wurde niemand ... verschleppt?«

Robins Herz machte einen erschrockenen Sprung in ihrer Brust, und auf Gernots Gesicht erschien ein Ausdruck, der zwischen Bestürzung und unterdrücktem Schrecken schwankte. »Verschleppt?« wiederholte er zögernd.

Jeromé wandte sich mit einem zugleich fragenden wie herausfordernden Blick an Hark. Nach kurzem Zögern nickte der Bauer.

»Ein Mädchen«, sagte er achselzuckend. »Ihre Mutter wurde bei dem Überfall getötet.«

»Und sie selbst?« hakte Jeromé nach. Robins Herz begann zu klopfen. Was hatte der Tempelritter vor?

»Sie war noch am Leben«, sagte Hark achselzuckend. »Ich habe sie gesehen. Aber am nächsten Morgen war sie verschwunden.«

»Sie wird weggelaufen sein«, sagte Gernot.

»Oder sie haben sie mitgenommen, um ihren Spaß mit ihr zu haben«, fügte Otto hinzu. »Worauf wollt Ihr hinaus?«

»Sie könnte ebensogut noch am Leben sein«, antwortete Jeromé. Robin sträubten sich die Haare. In der Dunkelheit neben ihr sog Salim scharf die Luft ein. Was hatte Jeromé vor?

»Und wenn?« fragte Gernot. Seine Augen wurden schmal. Es gelang ihm nicht ganz, seine plötzliche Nervosität zu überspielen.

»Vielleicht wurde sie ja auch verschleppt, weil sie etwas gesehen oder gehört hat, was sie besser nicht gesehen oder gehört hätte«, antwortete Jeromé. Er lachte. »Ich kann Euch versichern, daß das Mädchen am Leben ist, Gernot. Man hat versucht, es zu töten, aber die Mörder waren nicht gründlich genug.«

»Sie ... lebt?« fragte Gernot zweifelnd.

»Was für ein Unsinn«, sagte Otto. »Selbst wenn sie am Leben wäre, was für einen Unterschied sollte das schon machen?«

»Einen entscheidenden«, antwortete Jeromé. »Ich kann Euch versichern, Otto, daß das Mädchen lebt und sich in unserer Obhut befindet. Und daß es die wahre Identität der Mörder kennt.«

Und dann tat er etwas, das nicht nur Robin für einen Moment vor Entsetzen schier das Blut in den Adern gerinnen ließ: Er drehte sich herum, streckte den Arm aus und öffnete die Tür zu Robins Versteck, noch bevor Abbé ihn daran hindern konnte. Robin hob erschrocken die Hand, um ihre Augen vor der plötzlichen, ungewohnten Helligkeit zu schützen. Salim stieß ein überraschtes Keuchen aus, und auch Abbé sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein.