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»Robin«, murmelte Hark überrascht.

»Was uns die Frage nach ihrer Identität beantwortet«, sagte Jeromé spöttisch. »Du kennst das Mädchen.«

Hark nickte nur, offensichtlich völlig überrascht von Robins plötzlichem Anblick. Gernot sah einfach nur fassungslos aus, während auf Ottos Gesicht das blanke Entsetzen erschien.

»Was soll das?« fragte Gunthar. Er wirkte eher unwillig als erschrocken. »Was bedeutet das, Abbé? Ein Versteck, um uns zu belauschen? Wer ist dieses Mädchen? Und wer ist dieser Muselmane?«

Er deutete anklagend auf Salim, der wie Robin überrascht in die plötzliche Helligkeit blinzelte, sich aber trotzdem schützend zwischen sie und die anderen geschoben hatte.

»Salims Anwesenheit hat nichts zu bedeuten«, sagte Abbé lahm. Er war vollkommen verunsichert. Jeromés Eingreifen hatte ihn ebenso überrascht wie alle anderen. »Er ist nur zu ihrem Schutz hier. Komm heraus, mein Kind. Du hast nichts zu befürchten.«

Er hatte sich wieder halbwegs gefangen, trat auf Robin zu und streckte auffordernd die Hand aus. Robin gehorchte ganz automatisch. Sie war viel zu schockiert, um irgend etwas anderes zu tun. Sie hatte Angst, und sie verstand einfach nicht, warum Jeromé das getan hatte - so wenig wie ganz offensichtlich auch Abbé. Er wirkte äußerlich gefaßt, aber Robin spürte, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er versuchte verzweifelt, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden.

»Was bedeutet das?!« fragte Gernot scharf. »Ich verlange Aufklärung! Auf der Stelle!«

Robin sah mit klopfendem Herzen zur Tür hin. Weder Gernot von Elmstatt noch Otto hatten sich bisher gerührt. Gernot wirkte nach wie vor einfach zu Tode erschrocken, aber das Entsetzen auf Ottos Gesicht hatte mittlerweile einer grimmigen Entschlossenheit Platz gemacht. Seine rechte Hand lag auf dem Schwert, das er gerade erst wieder eingesteckt hatte.

»Dieses Mädchen weiß, was wirklich geschehen ist«, antwortete Jeromé. »Sie hat die Mörder gesehen.«

»Dann soll sie sie uns nennen!« verlangte Gunthar.

»Ich fürchte, das ist im Moment nicht möglich.« Abbé legte Robin in einer beschützenden Geste die Hände auf die Schultern. »Wie Ihr seht, ist sie verletzt. Man hat versucht, Ihr die Kehle durchzuschneiden. Es ist uns mit Gottes Hilfe gelungen, ihr Leben zu retten, aber sie kann nicht sprechen.«

Otto lachte. »Was für eine famose Zeugin, die nicht sprechen kann!« höhnte er. »Was soll das beweisen?«

»Robin kennt die Gesichter der Mörder, die Euren Sohn getötet haben, Gunthar«, sagte Abbé. »Und ich glaube, sie weiß auch, warum es geschehen ist.«

»Wie schade, daß sie nicht reden kann«, sagte Otto böse.

»Noch nicht«, verbesserte ihn Abbé, blickte dabei aber weiter seinen Herrn Gunthar an. »Bruder Tobias ist sicher, daß ihre Sprache zurückkehren wird. Aber wir müssen ihr Zeit geben.«

»Zeit? Wozu?« fragte Otto. »Damit Ihr ihr ganz genau erklären könnt, was sie zu sagen hat?«

Gunthar machte eine ärgerliche Geste in Richtung seines Waffenmeisters, ließ Robin dabei aber keinen Moment aus den Augen.

»Ist das wahr, Kind?« fragte er. »Die Männer, die dir das angetan haben - waren es dieselben, die dein Dorf überfallen haben?«

Robin nickte. Der Druck von Abbés Händen auf ihren Schultern verstärkte sich ein ganz kleines bißchen. Sie wirkten vollkommen ruhig, aber sie konnte durch seine Haut hindurch spüren, wie sein Puls raste.

»Und du ...« Gunthar atmete hörbar ein. »Du hast auch gesehen, wer meinen Sohn getötet hat?«

Robin nickte erneut. Es kostete sie fast all ihre Kraft, Gunthars Blick standzuhalten, und fast noch mehr, nicht zu Gernot und vor allem Otto hinzusehen. Es zu tun, wäre womöglich ein tödlicher Fehler. Wenn sie Otto und Gernot jetzt entlarvte, ließ sie ihnen keine andere Wahl, als ihre Waffen zu ziehen.

»Also gut«, sagte Gunthar schweren Herzens. »Eine Woche. Nicht mehr.«

»Es mag länger dauern, bis sie ihre Sprache wiederfindet«, sagte Abbé.

»Eine Woche«, wiederholte Gunthar. »Nicht einen Tag mehr.«

»Vater!« sagte Gernot. »Das ist absurd! Begreifst du nicht, daß es nichts als ein Trick ist, um Zeit zu schinden? In einer Wochen haben sie dieses Mädchen so weit, daß es schwört, die Jungfrau Maria auf einem fliegenden Pferd gesehen zu haben!«

»Schweig!« sagte Gunthar. »Eine Woche, Bruder Abbé. Nicht eine Stunde mehr.«

Damit ging er, dicht gefolgt von Otto und seinem Sohn.

Kaum waren sie allein, da ließ Abbé Robins Schultern los und fuhr wütend zu Jeromé herum. »Habt Ihr den Verstand verloren?« Er schrie fast. »Wer hat Euch erlaubt, das zu tun?«

»Die Vernunft«, antwortete Jeromé, kaum weniger laut als er. »Habt Ihr nicht zugehört? Er wäre mit einem Heer wiedergekommen. Wir sind nicht stark genug, einer Belagerung standzuhalten.«

»Habt Ihr nicht selbst gesagt, er hätte kein Heer?«

»Er hat ein Dutzend Männer unter Waffen«, antwortete Jeromé. »Nicht genug, um uns zu besiegen, aber genug, um ein großes Blutvergießen anzuzetteln. Wollt Ihr das? Habt Ihr nicht schon genug Schaden angerichtet?«

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Abbé lauernd.

Jeromé setzte zu einer Antwort an, aber dann warf er statt dessen nur einen langen Blick in Robins Gesicht und einen etwas kürzeren in Salims. Nicht vor ihnen. Und nicht jetzt.

»Wir haben auf diese Weise wenigstens Zeit gewonnen«, sagte er. »Eine Woche, um die Wahrheit herauszufinden. Und vielleicht Hilfe zu holen.«

»Ja«, murmelte Abbé. »Und zu Gott zu beten, daß er ihr bis dahin die Sprache zurückgibt.«

KAPITEL 15

Während der nächsten Tage sah sie weder Bruder Abbé noch einen der anderen Tempelritter wieder, und sie durfte auch ihr Zimmer im obersten Stock des Turms nicht verlassen - angeblich, um ihre Genesung nicht zu gefährden, in Wahrheit aber wohl eher, weil Bruder Abbé daran gelegen war, sie von den anderen in der Komturei fernzuhalten. Daß sie nicht sprechen konnte, bedeutete schließlich nicht, daß sie nicht in der Lage gewesen wäre, Fragen zu beantworten. Robin war fast selbst überrascht, wieviel man sagen konnte, ohne zu sprechen - schon nach kurzer Zeit hatten Salim und sie eine Zeichensprache aus Nicken, Kopfschütteln und improvisierten Gesten entwickelt, in der sie sich regelrecht unterhalten konnten; auch wenn der Tuareg natürlich einen Großteil dieser Unterhaltung bestritt. Ihre Genesung machte in dieser Zeit weiter so erstaunliche Fortschritte, daß Bruder Tobias sie manchmal beinahe erschrocken ansah, vor allem dann, wenn er ihren Verband wechselte. Er verlor nicht ein einziges entsprechendes Wort, aber manchmal tauschte er einen besorgten Blick mit Salim, und Robin glaubte auch zu spüren, daß ihm die Schnelligkeit, mit der ihre Heilung voranschritt, fast schon ein bißchen unheimlich war. Das Essen war nach wie vor eine Qual, die ihr manchmal die Tränen in die Augen trieb, zumal Tobias darauf bestand, daß sie nicht nur Suppe zu sich nahm, sondern auch kleine Stücke aufgeweichten Brots und Gemüse, die so lange weichgekocht worden waren, bis sie sämtlichen Geschmack verloren hatten. Darüber hinaus hatte sie kaum noch Schmerzen, und die reichlichen - und vor allem regelmäßigen - Mahlzeiten, die Tobias ihr aufnötigte, sorgten dafür, daß ihre Kräfte rasch zurückkehrten. Nur ihre Stimme weigerte sich nach wie vor, ihr zu gehorchen.

Obwohl sie praktisch eine Gefangene in der Turmkammer war, entging ihr die Veränderung nicht, die mit der Komturei vonstatten ging. Sie stand oft am Fenster und sah auf das rege Treiben im Hof hinab, das am wenigsten von den Ereignissen der letzten Tage betroffen zu sein schien. Die zahlreichen Bediensteten und Knechte gingen ihrem normalen Tagewerk nach, das sich im übrigen kaum von der Arbeit auf Harks Hof unterschied, nur daß dieses Gehöft ungleich größer war. Von Salim hatte sie erfahren, daß die Komturei mehr als vierzig Menschen beherbergte, die Tempelherren und ihn nicht einmal mitgerechnet; insgesamt also beinahe mehr, als ihr ganzes Dorf Einwohner gehabt hatte.