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Etwas dort unten hatte sich geändert. Abbé und die anderen Tempelritter hatten aufgehört, ihre Waffen miteinander zu kreuzen, und versammelten sich zu einem lockeren Halbkreis, um einen Mann in einer grauen Kutte zu empfangen, der im Laufschritt über den Hof herankam. Robin warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und sah dann zum Tor hin. Jemand kam. Und er brachte keine guten Nachrichten.

»Das ist Helge«, murmelte Salim stirnrunzelnd. »Jeromé hat ihn eingeteilt, draußen Wache zu halten.«

Das Gefühl nahenden Unheils verstärkte sich. Robin sah nur noch einen kurzen Moment zu Helge hinab, der die Ritter mittlerweile erreicht hatte und heftig gestikulierend mit ihnen zu reden begann, dann wanderte ihr Blick wieder nach Westen, zum Torhaus hin und darüber hinaus. Irgend etwas ging dort draußen vor. Etwas, das nicht gut war. Und es kam näher. Sie begann am ganzen Leib zu zittern. Salim drückte ihre Hand fester und warf ihr einen raschen, beruhigenden Blick zu, konzentrierte sich aber dann wieder ganz auf das Geschehen unten auf dem Hof. Abbé hatte sich mittlerweile ein Stück weit von den anderen Rittern entfernt und schrie unter heftigem Deuten und Armwedeln Befehle über den Hof. Robins Herz klopfte immer stärker. Sie spürte, daß dort unten etwas vorging, was mehr als nur Gefahr bedeutete.

»Da stimmt doch etwas nicht«, murmelte Salim. »Ich muß nachsehen, was los ist!«

Er wollte ihre Hand loslassen, aber Robin hielt seine Finger mit solcher Kraft fest, daß er überrascht die Stirn runzelte und sich noch einmal zu ihr herumdrehte. »Keine Angst«, sagte er. »Ich bin gleich zurück. Ich will nur nachsehen, was geschieht.«

Robin hielt seine Hand nur noch stärker fest und schüttelte verzweifelt den Kopf. Wenn sie doch nur sprechen könnte!

»Robin! So beruhige dich doch!« Salim mußte auch die andere Hand zu Hilfe nehmen, um sich mit sanfter Gewalt aus ihrem Griff zu befreien. »Was ist denn nur los mit dir?«

Robin schüttelte immer heftiger der Kopf und klammerte sich mit beiden Händen an ihn. Er durfte nicht gehen. Etwas Schreckliches würde geschehen, wenn er sie verließ!

»Robin! Bitte!« Salim griff nach ihren Handgelenken, um sich loszumachen, und von der Tür her erscholl ein übertriebenes Räuspern.

Bruder Tobias war hereingekommen und sah sie mit eindeutiger Mißbilligung in den Augen an. Er hatte niemals auch nur eine entsprechende Andeutung gemacht, aber Robin wußte, daß er es nicht gerne sah, daß Salim und sie sich nähergekommen waren. »Salim!« sagte er streng. »Was habe ich dir...«

»Helft mir, sie zu beruhigen«, unterbrach ihn Salim. »Ich weiß nicht, was mit ihr los ist!«

Der tadelnde Ausdruck verschwand von Tobias' Gesicht. Er löste sich mit einem Ruck von seinem Platz an der Tür, kam näher und zog sie mit sanfter Gewalt von Salim weg. »Was ist los mit dir, Kind?« fragte er. »Hast du Schmerzen? Hat dich etwas erschreckt?«

Robin schüttelte immer heftiger den Kopf und deutete nach draußen. Tobias reckte den Hals, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen, ließ ihre Schultern dabei aber nicht los.

»Helge ist zurückgekommen«, erklärte Salim. »Er scheint keine guten Neuigkeiten zu bringen. Ich wollte gerade nach unten gehen und nachsehen, aber sie fuhrt sich auf wie von Sinnen!«

»Geh ruhig«, sagte Tobias. »Ich gebe inzwischen auf sie acht.«

Salim verließ im Sturmschritt das Zimmer, und Robin konnte sich selbst nur noch mit Mühe davon abhalten, sich einfach loszureißen und hinter ihm herzulaufen.

»Nun beruhige dich doch, mein Kind.« Tobias ließ sich vor ihr halb in die Hocke sinken, um ihr direkt ins Gesicht zu blicken. »Was ist denn nur mit dir los? Dort draußen ist absolut nichts, wovor du dich zu fürchten brauchtest! Komm, ich zeige es dir.«

Er richtete sich wieder auf und schob sie vor sich her zum Fenster. »Siehst du?« fragte er. »Dort unten ist nichts, was dich bedrohen könnte!«

Die Sonne war weiter gesunken, und die Dämmerung legte sich wie ein graues Leichentuch über die Komturei und begann alle Farben auszulöschen. Abbé und die anderen Ritter waren zu bleichen Schemen geworden, die einen seltsam lautlosen Tanz in der Dämmerung aufzuführen schienen. Im allerersten Moment erschrak sie, als sie Salim nicht sah, dann wurde ihr bewußt, daß er noch gar nicht unten angekommen sein konnte.

Trotzdem hatte sich die Szene in den wenigen Augenblicken vollkommen verändert. Auf Abbés Befehl hin hatten die Knechte die Pferde herbeigebracht und waren jetzt dabei, sie in aller Hast aufzuzäumen, während andere hin und her hetzten, um die Waffen der Tempelherren zu bringen - wie sie von Salim wußte, übten die Ritter nicht mit den gleichen Schwertern, Schilden und Morgensternen, die sie für einen wirklichen Kampf bevorzugten. Man mußte nicht besonders scharfsinnig sein, um zu erkennen, daß sich Abbé und die anderen auf einen solchen vorbereiteten.

»Was bei allen Heiligen geht dort vor?« murmelte Tobias. »Gunthar wird doch nicht so verrückt sein, und...« Er brach mitten im Wort ab und schüttelte den Kopf. »Nein. Mach dir keine Sorgen, Robin. Wenn ein Angriff bevorstünde, würde Abbé die Komturei nicht verlassen.«

Das klang, als sagte er diese Worte nur aus dem einzigen Grund, um sie zu beruhigen. Aber Robin wußte es besser. Es stand kein Angriff bevor. Die schreckliche Gefahr, die sie spürte, lag irgendwo dort draußen. Abbé und die anderen durften den Hof auf gar keinen Fall verlassen!

Aber sie hatte keine Möglichkeit, sie zu warnen. Selbst wenn sie hätte sprechen können - die Ritter hätten bestimmt nicht auf sie gehört.

Ein erster, noch weit entfernter Blitz zerriß die hereinbrechende Nacht, und eine geraume Weile danach rollte ein gedämpftes Donnern heran.

»Ein Gewitter«, murmelte Tobias. »Endlich. Das Land braucht Regen. Und wir auch.« Dann blinzelte er. »Ist es das? Fürchtest du dich vor dem Gewitter?« Er lächelte. »Das mußt du nicht. Ein Gewitter ist nichts Böses, weißt du? Es kann dir nichts tun - wenn du ein paar einfache Vorsichtsmaßnahmen beherzigst.«

Ein zweiter Blitz und ein schon etwas rascher nachfolgender und lauterer Donnerschlag schienen seine Worte auf der Stelle ad absurdum fuhren zu wollen. Tobias fuhr ganz leicht zusammen, sah fast erschrocken zum Horizont hin und schenkte ihr dann ein zweites, noch aufmunternderes Lächeln.

»Das ist wirklich nichts, wovor du Angst zu haben brauchst«, sagte er noch einmal. »Und jetzt solltest du dich wieder beruhigen ... möchtest du einen heißen Kräutertee?«

Nein, den wollte sie ganz bestimmt nicht. Tobias' Tee hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, den ihre Mutter ihr ein paarmal gegeben hatte, wirkte nur viel stärker. Wenn sie einen einzigen Becher davon trank, würde sie vermutlich bis morgen früh durchschlafen.

Tobias schien das für eine ausgezeichnete Idee zu halten, denn er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern nickte heftig und sagte: »Das ist genau das Richtige. Warte, ich gehe nur rasch und hole heißes Wasser.«

Er entfernte sich, und Robin wußte, daß er so bald nicht wiederkommen würde. Es gab in diesem Turm keinen Kamin und somit auch keine Feuerstelle. Der einzige Herd befand sich in der Küche, in der für beinahe fünfzig Personen gekocht wurde und die fast das gesamte Erdgeschoß des großen Wirtschaftsgebäudes auf der anderen Seite des Hofes einnahm. Er würde eine Viertelstunde brauchen, um zurückzukommen.

Unten auf dem Hof schwangen sich Abbé und die anderen in die Sättel, und Robin beugte sich weiter vor, um mehr sehen zu können. Wieder rollte dumpfer Donner über das Land, und ein erster, beinahe warmer Wassertropfen berührte ihr Gesicht. Wind kam auf. Das Gewitter näherte sich sehr schnell, und Robin war sich jetzt sicher, daß es ein wirklich schweres Unwetter werden würde.