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Allein das Bett, auf dem sie lag, war dreimal so breit wie jedes andere, das sie je zu Gesicht bekommen hatte. Es verfügte über einen gewaltigen Baldachin mit schweren, geschnitzten Pfeilern und war so weich, als hätte jemand eine Wolke vom Himmel geholt und in das kostbare Linnen gestopft. Und auch die übrigen Möbel standen diesem Bett in nichts nach. Schwer, alt und mit kostbaren Schnitzereien wie aus dem Thronsaal eines Kaisers - hätte sie sich einen solchen überhaupt vorstellen können. Wertvolle Kerzenleuchter, Teller und Becher aus Gold, Silber und anderen wertvollen Materialien standen überall, und über der Tür hing ein Kreuz, das so lang war wie ihr Arm, und aus purem Gold zu bestehen schien.

Salim hatte ihren neugierigen Blick bemerkt und beantwortete ihn: »Bruder Abbés Privatgemach. Allerdings benutzt er es nur, wenn keine Gäste in der Komturei sind.« Er lachte. »Er ist ein gottesfürchtiger Mann, aber den kleinen Annehmlichkeiten des Lebens trotzdem nicht ganz abgeneigt.«

Er lachte wieder, dann wurde er plötzlich sehr ernst und beugte sich wieder zu ihr herab, bis sein Gesicht ihr ganzes Blickfeld auszufüllen schien. Der Blick seiner dunklen Augen bannte sie. Es war ihr unmöglich, sich davon loszureißen, genauso hilflos war sie, als er sich noch weiter zu ihr herabbeugte und seine Lippen die ihren berührten.

Robin erschauerte. Ein zugleich unangenehmes wie ungemein wohltuendes Prickeln lief durch ihren gesamten Körper, und ein vollkommen neues Gefühl von Wärme begann sich in ihr auszubreiten. Salim zog sie sanft an sich, und sein Kuß wurde stärker, fordernder.

Robin drehte hastig den Kopf zur Seite und schob ihn ein kleines Stück von sich weg. Was er tat, erschreckte sie; vielleicht gerade, weil es so angenehm war. Ihr Herz klopfte schon wieder so schnell und hart, als wollte es zerspringen.

Salim wirkte enttäuscht, aber kein bißchen zornig. Er lächelte ein wenig verunglückt, rutschte hastig ein kleines Stück von ihr fort und nahm den Arm von ihrer Schulter.

»Entschuldige«, murmelte er.

Robin streckte den Arm aus, berührte lächelnd mit Mittel- und Zeigefinger seine Lippen und wies dann mit der anderen Hand auf ihren Hals. Gleichzeitig zog sie eine Grimasse, als hätte sie Schmerzen. Sie hatte keine, aber sie wollte nicht, daß Salim sich von ihr abgewiesen fühlte. Nicht er, nur der Moment war falsch.

Ein Ausdruck von Bestürzung erschien auf Salims Gesicht. »Oh, ich Dummkopf!« sagte er. »Bitte verzeih mir! Ich habe dir weh getan! Das wollte ich nicht.«

»Nicht... schlimm«, brachte Robin mühsam hervor. Das Sprechen tat wirklich weh, und sie erschrak erneut, als sie das heisere Krächzen hörte, in das sich ihre Stimme verwandelt hatte. Aber sie konnte sprechen. Selbst wenn ihre Stimme nie wieder so werden würde wie früher, sie war nicht mehr in einer Welt gefangen, die nur aus Nicken, Kopfschütteln und ein paar armseligen Gesten bestand.

»Es ist schlimm«, beharrte Salim. »Ich bin ein rücksichtsloser Dummkopf. Dabei sollte ich froh sein, daß du noch am Leben bist. Und sprich nicht so viel«, fugte er mit leicht erhobener Stimme hinzu, als sie etwas sagen wollte. »Das ist bestimmt nicht gut für deine Kehle.«

Aber sie wollte sprechen. Sie hatte so lange in einer Welt aus Schweigen ausharren müssen, daß sie jedes Wort genoß, das sie hervorbrachte, ganz gleich, wie schrecklich es sich anhörte und wie weh es tat.

»Tobias«, sagte sie mühsam. »Was ist... Tobias?«

Salims Gesicht verdüsterte sich. »Er lebt«, sagte er. »Aber ich weiß nicht, wie lange noch. Der Dolch hat sein Herz nur knapp verfehlt, und beim Sturz die Treppe hinab muß er sich wohl ein paar Rippen gebrochen haben. Vielleicht noch mehr.« Er ballte wütend die Faust. »Bei Allah, ich wünschte, wir hätten diesen verdammten Kerl erwischt! Ich hätte ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen!«

Die Worte ließen Robin erschaudern - zumal sie sich so, wie Salim sie aussprach, vollkommen ernst anhörten. Trotz allem hatte sie ihn bisher stets vor allem für einen großen, freundlichen Jungen gehalten, der gerne lachte und immer zu einem Schabernack aufgelegt war, und zu einem Teil stimmte das sicher. Aber vielleicht eben nur zu einem Teil.

Zugleich konnte sie seinen Zorn aber auch verstehen. Sie hatte ungefähr eine halbe Stunde in ihrem Versteck im Torgang gelegen, bevor Salim mit zwei Männern zurückgekommen war, um sie zu holen und hierher zu bringen. Das Unwetter war in der Zwischenzeit weitergezogen. Blitz und Donner drangen jetzt nur noch von weit her zu ihnen, und aus dem Wolkenbruch war ein normaler, nun wieder fast warmer Regen geworden. Salim hatte die gesamte Einwohnerschaft der Komturei geweckt, und die Männer waren mit Fackeln und Waffen ausgeschwärmt, um jeden Winkel des Hofes zu durchsuchen.

Den Eindringling hatten sie nicht gefunden, wohl aber einen Toten, und einen Hund, dem man den Schädel eingeschlagen hatte.

Salim stand auf, trat ans Fenster und sah einen Moment stumm in die Dunkelheit und den nun fast lautlos fallenden Regen hinaus. Dann wandte er sich um, ging zum Kamin und ließ sich vor dem prasselnden Feuer darin in die Hocke sinken, um die Hände über den Flammen auszustrecken. Robin fiel erst jetzt auf, daß er am ganzen Leib zitterte. Er fror. Sein Gewand klebte in schweren, nassen Falten an seinem Körper. Das Gewitter hatte nach der ersehnten Abkühlung eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Kälte gebracht, die längst durch die Fenster hereingekrochen war.

Salim rieb die Hände so dicht über den Flammen aneinander, daß Robin sich fragte, wieso er sich eigentlich nicht verbrannte, dann stand er mit einer raschen Bewegung auf und begann seinen Mantel auszuziehen. Darunter trug er nur eine kurze, bis dicht über die Knie reichende schwarze Hose.

Während Salim seinen nassen Mantel vor dem Kamin zum Trocknen ausbreitete, musterte Robin ihn mit unverhohlener Neugier. Er war schlank, zugleich aber sehr viel kräftiger, als sie erwartet hatte. Unter seiner Haut, die fast den Ton von frisch poliertem Kupfer hatte, bewegten sich geschmeidige Muskeln, die ihm die Schnelligkeit und Kraft einer Wildkatze verleihen mußten. Alles an ihm strahlte Kraft aus; nicht die brutale Gewalt, wie sie sie bei Bruder Abbé gesehen hatte, sondern eine Mischung aus Eleganz und Stärke, die sie in ihren Bann schlug und es ihr unmöglich machte, den Blick von ihm zu wenden. Auch wenn ihr das Wort in diesem Zusammenhang ungewöhnlich erschien: Salim war auf eine männliche, schwer in Worte zu fassende Weise schön.

Obwohl er jetzt wieder vor dem Kamin in der Hocke saß und in die Flammen starrte, war Robin sicher, daß er ihren Blick spürte und er ihm alles andere als unangenehm war. Sie war nicht einmal mehr sicher, daß er seinen Mantel nur ausgezogen hatte, um ihn zu trocknen.

Salims nächste Worte bestätigten ihren Verdacht. »Bist du zufrieden mit dem, was du siehst?«

Die Frage machte Robin ein wenig verlegen - allerdings nicht verlegen genug, um den Blick von seinem muskulösen Rücken zu lösen. »Sind... alle Männer deines Volkes... so wie ... du?« fragte sie mühsam.

»Natürlich«, antwortete Salim. »Wir sind Allahs erwähltes Volk. Wir werden stark geboren und wachsen in wenigen Jahren zu unbesiegbaren Kriegern heran.«

Endlich wandte er den prasselnden Flammen des Kaminfeuers den Rücken zu und sah in ihre Richtung. Ohne sein Kopftuch und den Schleier sah er auf sonderbare Weise verändert aus, ernster und... fremdartiger, obwohl doch eigentlich das Gegenteil der Fall hätte sein müssen. Robin war plötzlich nicht mehr sicher, ob er wirklich noch so jung war, wie sie die ganze Zeit angenommen hatte.