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KAPITEL 19

Sie ging nicht in ihre Kammer im Turm zurück, sondern machte sich auf die Suche nach Salim, und sie fand den Tuareg genau dort, wo sie ihn vermutet hatte: am Tor, wo er die Vorbereitung der Verteidigung überwachte.

Der Tuareg hatte sich verändert. Er trug noch immer seinen blauschwarzen Mantel, hatte aber nun den Schleier vor das Gesicht gelegt, so daß beinahe nur noch seine Augen sichtbar waren. Und er war bewaffnet. Er trug einen mattschwarzen runden Schild am linken Arm, und in seinem Gürtel steckte ein armlanges Schwert, dessen Klinge auf sonderbare Weise gebogen war. Aus dem Sklaven war endgültig ein Krieger geworden.

Salim unterbrach seine Arbeit, als er sie sah, und kam ihr mit weit ausgreifenden Schritten entgegen. »Du bist bereit?« fragte er. »Dein Pferd ist aufgezäumt. Karl wird dich begleiten. Du kannst ihm vertrauen. Er ist ein tapferer Mann.«

Robin schüttelte den Kopf.

»Du traust ihm nicht?«

Robin wiederholte ihr Kopfschütteln, machte eine weit ausholende Geste und sagte leise: »Ich bleibe.«

»Ich hatte befürchtet, daß du das sagst«, seufzte Salim, versuchte aber - fast zu ihrer Überraschung - nicht, ihr diese Idee auszureden; obwohl sie ihm ansah, daß er wenig begeistert davon war. Statt dessen drehte er sich auf dem Absatz herum und gab einem Mann, der draußen vor dem Tor gewartet hatte, einen Wink. Der Mann schwang sich ohne ein weiteres Zögern auf sein Pferd und galoppierte davon. Robin blickte fragend.

»Bruder Abbé würde nicht auf einen Mann verzichten, der ein Schwert zu führen vermag, nur um dich in Sicherheit zu bringen«, sagte Salim. »Karl reitet vor allem los, um Hilfe zu holen. Ohne dich wird er schneller ankommen. Und auch schneller zurück sein.« Er deutete auf den Hof. »Du solltest jetzt besser gehen. Wir haben viel zu tun, und jeder Moment zählt.«

»Helfen«, krächzte Robin.

»Helfen?« Salim lachte. »Du kannst hier nichts helfen, fürchte ich ... aber meinetwegen bleib hier. Ich würde es auch nicht ertragen, tatenlos in meinem Zimmer zu sitzen und darauf zu warten, daß der Kampf beginnt. Aber bitte stör uns nicht. Unsere Zeit ist wirklich knapp.«

Robin gab sich redliche Mühe, aber natürlich stand sie doch ständig im Weg und mußte unablässig beiseite treten, sich entschuldigen, bis es ihr zu bunt wurde und sie einfach mit zupackte. Salim beobachtete sie stirnrunzelnd und mit einiger Mißbilligung, sagte aber nichts mehr.

Robin ihrerseits beobachtete Salim nicht ganz so offen, dafür aber um so aufmerksamer. Was ihr schon mehrmals aufgefallen war, bestätigte sich. Salim eilte hierhin und dorthin, gab Anweisungen und erteilte Befehle, griff aber kein einziges Mal selbst zu. Ein Sklave?

Die Männer schlossen das Tor, was mit erheblicher Mühe und Anstrengungen verbunden war, denn sie stellten sich nicht besonders geschickt dabei an, was darauf schließen ließ, daß die beiden gewaltigen Torflügel nicht sehr oft geschlossen wurden. Anschließend legten die Männer einen gewaltigen Riegel vor, der mehrere Zentner wiegen mußte. Dieses Tor, dessen war sie sich sicher, würde selbst dem Ansturm einer Armee trotzen.

Salim zeigte sich jedoch wenig begeistert, als er zurückkam. »Das ist vergebene Mühe«, unkte er. »Was nutzt ein starkes Tor, wenn die Mauern schwach sind? Wir werden uns nicht halten können. Das hier ist ein Bauernhof, bei Allah, keine Burg! Ich sage Abbé seit Jahren, daß wir die Befestigungen verstärken müssen, aber nun ist es zu spät.«

»Vielleicht können wir... reden«, sagte Robin schleppend.

»Reden? Mit wem?«

»Gunthar«, antwortete Robin. »Ich kenne... die Wahrheit.«

»Er wird dir nicht zuhören«, sagte Salim. Robin teilte diese Auffassung nicht ganz. Sie hatte Gunthar von Elmstatt nur ein einziges Mal gesehen, aber sie hatte trotzdem den Eindruck gewonnen, daß er im Grunde ein sehr vernünftiger und besonnener Mann war, dem Gewalt nicht fremd war, der sie aber nicht liebte.

Trotzdem fuhr Salim fort: »Es gibt eine Zeit zum Reden, und es gibt eine Zeit zum Kämpfen. Ich fürchte, die Zeit des Redens ist vorbei.« Er seufzte. »Du hättest mit Karl gehen sollen. Nun ist es zu spät.«

Er legte die Hand auf das Schwert. »Keine Angst. Niemand wird dir etwas tun. Dafür werde ich sorgen.«

Sie hatte keine Angst - wieso nahm eigentlich jeder an, daß das so war? Nur weil sie eine Frau war? Der Gedanke an die bevorstehende Schlacht erschien ihr so weit weg, daß er sie gar nicht berührte. Es war... abstrakt. Ein Wort, das für sie praktisch keine Bedeutung hatte. Sie war ein einfacher Mensch, geboren und aufgewachsen in einer einfachen Welt, die vom Wechsel der Jahreszeiten und der täglichen Sorge um eine warme Mahlzeit und genügend Feuerholz bestimmt wurde. Kriege, Schlachten und Intrigen, Politik... das waren Worte, die einfach nicht zu ihrem Leben gehörten und sie auch nicht wirklich berühren konnten. Sie kam sich vor wie in einem Traum. Einem bösen Traum, aber trotzdem ein Traum.

Salim nahm sie beim Arm und führte sie aus dem Halbdunkel des Torgewölbes wieder in den hellen Sonnenschein auf dem Hof hinaus.

»Und... nun?« fragte sie.

»Nun?« Salim hob die Schultern. »Nun warten wir.«

Das Heer traf fast auf die Minute pünktlich zu dem Zeitpunkt ein, den Abbé vorausgesagt hatte. Der Ausguck auf dem Turm meldete ihn schon frühzeitig, von dem Heereszug selbst aber war noch lange Zeit nichts zu sehen. Obwohl die Angreifer wissen mußten, daß ihre Ankunft längst kein Geheimnis mehr war, nutzten sie die Wälder als Deckung, um sich der Komturei so weit wie möglich ungesehen zu nähern. Der Tag war so heiß geworden wie die vorhergehenden, aber der ausgiebige Regen der Nacht hatte den Boden aufgeweicht, so daß es keine verräterische Staubwolke gab, und - zumindest für Robins ungeübtes Auge - auch keine anderen, verräterischen Zeichen.

Trotzdem verzog Salim abfällig das Gesicht, als die ersten Reihen aus dem Wald heraustraten, etwas weniger als eine Meile von der Komturei entfernt. Robin, einige weitere Männer und er hatten hinter den schmalen Scharten über dem Tor Aufstellung genommen, nachdem sie sich hartnäckig geweigert hatte, in die Turmkammer zu gehen und dort wie ein verängstigtes Kind darauf zu warten, daß etwas geschah, und sie hatten nicht lange warten müssen. Robin zählte auf Anhieb gut ein Dutzend Reiter, dann ein zweites, und dann gab sie auf. Ihre Zahl schien kein Ende zu nehmen. Hatte Abbé nicht von einem Heer von hundert Mann geredet? Nach ihrem Dafürhalten konnten es genausogut tausend sein. Der Waldrand war schwarz vor Gestalten, und ihre Zahl wuchs noch immer.

Salim zeigte sich weniger beeindruckt als sie. »Was für Dummköpfe!« sagte er verächtlich. »Eine Reiterarmee, um eine Burg zu stürmen!« Er schüttelte ein paarmal den Kopf, dann ging er mit schnellen Schritten zur anderen Seite des großen, das gesamte Tor überspannenden Raumes und beugte sich aus dem Fenster.

»Schickt mehr Männer zum Pferdestall!« rief er hinaus. »Verstärkt die Wände, und seid auf der Hut! Sie werden dort angreifen! Und jemand soll Abbé und die anderen rufen!« Er drehte sich herum, lehnte sich gegen die Wand neben dem Fenster und fügte etwas leiser hinzu: »Ich fürchte, sie werden ihr Mittagsgebet heute ein wenig abkürzen müssen.«

Robin warf noch einen unsicheren Blick zu Gunthars Heer hinaus. Die Männer kamen im Moment nicht näher, sondern schienen sich am Waldrand zu sammeln.

»Woher... weißt du... das?« fragte sie mühsam.

»Daß sie den Pferdestall angreifen werden?« Salim hob die Schultern. »Ich würde es tun. Es ist der schwächste Punkt. Die Wände sind dünn und das Dach so flach, daß ein geschickter Mann ohne Mühe hinüberklettern kann... Falls sie uns nicht kurzerhand den ganzen Hof über dem Kopf anzünden«, fügte er nach kurzem Zögern und leiser hinzu.

Robin sah wieder nach draußen. Nun, nachdem sie ihren ersten Schrecken überwunden hatte, sah sie, daß Abbés Einschätzung von Gunthars Kräften durchaus realistisch gewesen war. Es mußten an die hundert Berittene sein, die sich am Waldrand versammelt hatten - eine Zahl, die leicht auszusprechen, aber furchteinflößend anzusehen war. Die Männer waren noch zu weit entfernt, um ihre Bewaffnung zu erkennen, aber es war eine gewaltige Streitmacht; jedenfalls in Robins Augen.