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Doch es war das Ende. Gunthars Männer rissen mit langen Stangen und Seilen, an denen sie eiserne Haken befestigt hatten, die Barrikade auseinander, und hinter ihnen drängten weitere, ausgeruhte Kämpfer heran. Angeführt wurden sie von keinem anderen als Gunthar von Elmstatt selbst.

Jeromé stürzte sich unverzüglich auf ihn, aber Gunthar wich nicht zurück. Sein Gesicht war blutüberströmt und verzerrt vor Haß und Anstrengung, und er schien in einen wahren Blutrausch verfallen zu sein. Jeder hätte damit gerechnet, daß Jeromé ihn niederringen würde, denn er war viel größer, jünger und auch stärker als er, doch es war ganz im Gegenteil Gunthar, der den Tempelritter mit einem Hagel wütender Hiebe vor sich hertrieb. Jeromé taumelte zurück. Es gelang ihm, die wütenden Schläge mit Schild und Schwert zu parieren, nicht jedoch, einen eigenen Angriff zu starten. Schließlich stolperte er und fiel rücklings zu Boden, und Gunthar riß sein Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf, um zu einem letzten vernichtenden Hieb auszuholen, der Jeromés verzweifelt hochgerissenen Schild vermutlich gespalten hätte.

»Gunthar! Haltet ein!«

Der Schrei ertönte irgendwo auf der Treppe über ihnen, und er war so durchdringend und laut, daß er selbst das Getöse der Schlacht übertönte und zu Gunthar durchdrang. Gunthar hob mit einem Ruck den Kopf - und erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Augen wurden groß.

Auch Robin drehte sich herum, wie fast alle anderen auch, und Salim sagte im gleichen Moment noch einmaclass="underline" »Haltet ein, Gunthar, oder ich schwöre im Namen Eures eigenen Gottes, daß Ihr auch noch Euren zweiten Sohn verliert!«

Er stand auf halber Höhe der nächsten Treppe und hatte Gernots rechten Arm so weit auf seinen Rücken gedreht, daß Elmstatt vor Schmerz keuchte. Salims andere Hand hielt einen Dolch, dessen Klinge er an Gernots Kehle drückte. Der scharfe Stahl hatte bereits seine Haut geritzt, und Blut lief an seinem Hals hinab.

Gunthar stand einen Atemzug lang wie erstarrt da, dann ließ er ganz langsam das Schwert sinken und trat einen Schritt zur Seite. Jeromé stand hastig auf und ergriff wieder sein Schwert, aber Gunthar beachtete ihn gar nicht. Überall rings um ihn herum kam der Kampf zum Erliegen, als die Männer ihre Waffen sinken ließen und zu Salim und seinem Gefangenen emporblickten.

»Laß... ihn los!« sagte er, mit einer leisen, zitternden Stimme, in der sich Haß, Zorn und Hilflosigkeit miteinander mischten. »Laß ihn los, du verfluchter Heide, oder...«

»Oder was?« fragte Salim. Er zerrte mit einem Ruck am Arm seines Gefangenen, und Gernot keuchte vor Schmerz. Noch eine Winzigkeit mehr, dachte Robin, und er würde seinen Arm brechen. »Wollt Ihr mich töten? Das könnt Ihr gewiß. Aber ebenso gewiß schneide ich Eurem Sohn vorher die Kehle durch!«

Gunthar preßte die Kiefer aufeinander, daß man seine Zähne knirschen hören konnte. Sein Waffenmeister Otto erschien neben ihm. Er hatte ein blutiges Schwert im Gürtel stecken und trug einen Bogen und einen einzelnen Pfeil in der Rechten.

»Ich kann ihn treffen.«

Gunthar schüttelte abgehackt den Kopf. »Er würde Gernot trotzdem töten«, sagte er düster. »Was willst du, Sarazene?«

Jeromé antwortete an Salims Stelle. »Legt Eure Waffen nieder, Gunthar«, sagte er. »Befehlt Euren Männern den Rückzug, und ich garantiere für Gernots Leben!«

Gunthar lachte böse. »Was ist das Wort eines Templers schon wert?« fragte er verächtlich. »Ihr werdet ihm nichts tun, aber dieser Wilde dort oben...«

»... wird ihm kein Haar krümmen«, fiel ihm Jeromé ins Wort. »Es ist genug Blut geflossen, Gunthar. Die Wahl liegt jetzt bei Euch - wir können alle sterben, oder alle weiterleben.«

»Glaubt ihm nicht«, sagte Otto. »Er ist ein Templer!«

In Gunthars Gesicht arbeitete es, und in seinen Augen erschien ein Ausdruck so grenzenloser Qual, daß er Robin trotz allem einfach nur leid tat.

»Ich garantiere für Euer Leben!« sagte Jeromé. »Wir wollen nur mit Euch reden, Gunthar. Alles, was wir verlangen, ist ein Gespräch mit Euch, Eurem Sohn und...« Er deutete auf Otto. »... ihm.«

Gunthar sah ihn unsicher an. Er traute ihm nicht, fürchtete aber auch um das Leben seines Sohnes.

»Ich schwöre bei Gott, daß wir keinen Verrat planen«, rief Jeromé mit erhobener Stimme. »Jedermann hier soll mein Zeuge sein! Schickt Eure Männer fort. Sie mögen ihre Verwundeten mitnehmen und gehen. Ich garantiere Euch freien Abzug, wenn Ihr Euch bereit erklärt zuzuhören, was wir zu sagen haben!«

»Das ist eine Falle!« sagte Otto. »Hört nicht auf ihn, Herr! Sie werden über uns herfallen, sobald unsere Männer gegangen sind.«

»Schweig!« sagte Gunthar. Otto brach tatsächlich ab, aber er wurde mit jedem Augenblick nervöser. Sein Blick wollte immer wieder in Robins Richtung wandern.

»Also gut«, sagte Gunthar schweren Herzens. »Zieht Euch zurück. Verlaßt den Turm!«

Er mußte seine Aufforderung nicht wiederholen. Diejenigen von seinen Männern, die noch gehen konnten, zogen sich hastig zurück oder kümmerten sich um ihre verwundeten Kameraden. Waffen wurden eingesteckt oder auch einfach zu Boden geworfen, und Jeromé wandte sich mit einer entsprechenden Geste an Salim.

»Laß ihn los.«

Salim zögerte, einen winzigen Moment nur, aber doch lange genug, daß Jeromé sich zu ihm herumdrehte und ihm einen zornigen Blick zuwarf. Erst dann zog er den Dolch von Gernots Hals weg und versetzte ihm einen Stoß, der ihn haltlos die Treppe hinunterstolpern ließ.

Gernot fand im letzten Moment Halt am Treppengeländer, fuhr wütend zu Salim herum und funkelte ihn an. »Dafür wirst du bezahlen, du Hund!« drohte er. »Ich reiße dir das Herz aus dem Leib!«

Salim grinste.

»Nicht jetzt, Gernot«, sagte Jeromé. Er schob sein Schwert in die Scheide zurück und wandte sich wieder zu Gunthar um. »Ihr seid verletzt, Gunthar. Soll sich jemand um Eure Wunden kümmern?«

Gunthar wischte sich mit dem Handrücken das Blut aus dem Gesicht und ließ die Bewegung in eine wegwerfende Geste übergehen. »Das ist nichts«, sagte er barsch. »Sagt, was Ihr mir zu sagen habt!«

»Nicht hier.« Jeromé machte eine einladende Bewegung. »Bitte folgt mir.«

Sie gingen die Treppe wieder hinauf. Otto stürmte dicht hinter Gunthar her, und er hatte sich nun nicht mehr gut genug in der Gewalt, um sich nicht nach Robin umzusehen, die hinter Xavier den Abschluß bildete.

Sie gingen in einen Raum im nächsthöheren Stockwerk, wo Abbé auf sie wartete. Der Tempelritter stand an der zugigen Maueröffnung und blickte hinaus, und er drehte sich auch nicht herum, als er die Tür und das Geräusch ihrer Schritte hörte. Robin konnte sein Gesicht nur von der Seite sehen, aber das, was sie darin erblickte, ließ sie schaudern. Abbé war ein gebrochener, besiegter Mann. Er mußte dem Verlauf des Kampfes vom Guckloch aus gefolgt sein, und natürlich hatte er auch gesehen, daß Gunthars Männer sich zurückzogen, aber sein Blick drückte keine Zufriedenheit aus, nicht einmal Erleichterung. Er wirkte einfach nur... leer. Robin kannte dieses Gefühl. Sie kannte es nur zu gut.

Salim, der als letzter hereingekommen war, schloß die Tür hinter sich und nahm mit verschränkten Armen davor Aufstellung, während Jeromé eine einladende Bewegung zum Tisch machte. »Bitte nehmt Platz.«

Gunthar verzog verächtlich das Gesicht. »Danke. Ich bin nicht hier, um Freundlichkeiten auszutauschen.«