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Robin löste sich mit sanfter Gewalt aus seiner Umarmung, trat einen Schritt zurück und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Und wie paßt das zu deiner geborenen Kriegerin?« fragte sie leise. »Gehört das auch zu den Talenten, die man haben muß?«

»Weinen?« Salim lächelte. »Auch ich weine manchmal.«

»Du?« Es fiel ihr schwer, das zu glauben.

»Ich habe berühmte Helden aus der Schlacht kommen sehen, und sie haben wie kleine Kinder geweint«, sagte Salim. Dann hob er die Schultern, und das vertraute jungenhafte Grinsen breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus. »Ein richtiger Krieger achtet nur darauf, daß die anderen es nicht sehen.«

Ob Robin wollte oder nicht, sie mußte lachen - auch, wenn ihr dabei noch immer die Tränen übers Gesicht liefen.

»Besser?« fragte Salim.

Sie blieb ihm die Antwort auf diese Frage schuldig. Sie wußte sie nicht. Der Schmerz in ihrer Brust war noch immer da, aber er war schon jetzt von anderer Art, die leichter zu ertragen war; als hätte ein Messer eine schwärende Wunde aufgeschnitten, so daß Eiter und üble Säfte endlich abfließen könnten und nicht länger ihr Blut vergifteten. Es würde noch lange dauern, bis sie vernarbt war, aber nun konnte die Wunde zu heilen beginnen.

Salim schien ihr Schweigen als Antwort zu genügen, denn er bückte sich, hob das Holzschwert auf und drückte es ihr in die Hand. »Was meinst du - wollen wir es noch einmal versuchen?«

Robin sah das Spielzeugschwert in ihrer Hand noch einen Moment lang nachdenklich an - und rammte es Salim dann mit voller Wucht in den Leib. Der Tuareg ächzte, taumelte zwei Schritte zurück und krümmte sich.

»War das so richtig?« fragte Robin.

Salim sank auf ein Knie herab und rang japsend nach Luft, so daß Robin im ersten Moment schon befürchtete, ihn ernsthaft verletzt zu haben. An der Spitze des Holzschwertes war aber zumindest kein Blut.

»Oh, du verfluchtes Weibsstück!« keuchte Salim. »Warte, dafür wirst du mir bezahlen!«

Er sprang sie an, so schnell, daß ihr kaum genug Zeit blieb, um zu erschrecken, prallte mit ausgebreiteten Armen gegen sie und riß sie von den Füßen. Aneinandergeklammert rollten sie über den staubigen Boden, bis er schließlich über ihr zum Liegen kam und sie mit seinem Körpergewicht auf die Dielen drückte.

»Du nichtsnutziges Weibsstück!« kreischte er in schon fast komisch übertriebenem Zorn. »Weißt du, was man in meiner Heimat mit heimtückischen Schlangen wie dir macht?«

Robin wußte es nicht, und sie hätte die Frage auch gar nicht beantworten können, denn Salim lag so schwer auf ihr, daß sie kaum noch Luft bekam. Sie versuchte ihn von sich herunterzustoßen, aber Salim ignorierte ihre Anstrengungen einfach. Erst, als ihm auffiel, wie mühsam sie um Atem rang, stützte er sein eigenes Gewicht mit Knien und Ellbogen ein wenig ab; weit genug, daß sie nicht mehr zu ersticken drohte, aber nicht mehr.

»Lektion Nummer eins«, sagte er. »Wenn du einen Feind niederstichst, dann verlaß dich nicht darauf, daß er dir nichts mehr tun kann. Lauf weg, oder bringe es zu Ende.«

»Aha«, machte Robin. »Und was... macht man in deinem Land nun mit jemandem wie mir?«

Salim sah sie aus seinen dunklen, unergründlichen Augen an, dann beugte er sich herab und küßte ihr die Tränen von der rechten Wange. »Das«, flüsterte er. »Und das.« Seine Lippen berührten ihre andere Wange und glitten dann sanft hinab zu ihrem Mundwinkel. »Und das.«

Robin erschauerte am ganzen Leib. Sie war wehrlos. Es war der unpassendste aller nur denkbaren Momente, aber sie spürte auch, daß sie tief in sich genau diese Berührung herbeigewünscht hatte, seit dem ersten Augenblick, in dem ihr Salims Gesicht im Traum erschienen war. Ganz gleich, was er jetzt mit ihr tun würde, sie würde sich nicht sträuben.

Doch das einzige, was Salim mit ihr tat, war, sie noch einmal zu küssen und dann mit einer beinahe hastigen Bewegung aufzustehen.

»Es wird Zeit, daß wir mit der ersten Unterrichtsstunde beginnen«, sagte er.

KAPITEL 25

Später war sie Salim sehr dankbar dafür, daß er den Moment nicht ausgenutzt hatte - obwohl sie im Grunde nicht wirklich verstand, wieso. Aber er hatte sich für den Rest der Zeit darauf beschränkt, ihr zu zeigen, wie sie mit dem Schwert umzugehen hatte, und wenn er die Wahrheit gesagt und ihr nicht nur geschmeichelt hatte, dann mußte sie wohl ganz erstaunliche Fortschritte gemacht haben - und weiterhin machen.

Sie gingen nun jeden Tag auf den Dachboden hinauf, und noch vor Ablauf der ersten Woche nahm Salim ihr das Kinderspielzeug weg und gab ihr ein richtiges Schwert: Eine schartige, alte Klinge, die so stumpf war, daß man sich kaum noch daran verletzen konnte, aber auch so schwer, daß sie Mühe hatte, sie überhaupt zu heben. Aus dem Spiel begann ganz allmählich und, fast ohne daß sie es merkte, Ernst zu werden.

In der Mitte der zweiten Woche ließ Jeromé sie zu sich rufen. Robin sah dem Gespräch mit einem unguten Gefühl entgegen. Jeromé hatte in den vergangenen anderthalb Wochen nur sehr wenig mit ihr gesprochen. Es war nicht so, daß er ihr aus dem Weg gegangen wäre, aber er machte auch kein Hehl daraus, daß er ihre Anwesenheit in der Komturei aufs höchste mißbilligte.

»Setz dich, Kind«, begann er. Er hatte Robin in Abbés Officium befohlen, was dem Gespräch einen noch offizielleren - und damit bedrohlicheren - Anstrich verlieh, was wahrscheinlich auch ganz seiner Absicht entsprach. Robin nahm gehorsam an dem langen Tisch Platz und sah den Tempelritter mit einer Mischung aus Furcht und Erwartung an.

»Wie fühlst du dich?« fragte er.

»Gut«, antwortete Robin, was ganz und gar der Wahrheit entsprach. Die Wunde an ihrem Hals schmerzte jetzt kaum noch, und die regelmäßige Bewegung und vor allem das gute und reichliche Essen, das sie bekam, hatten ein Übriges dazu getan, ihre Genesung rasche Fortschritte machen zu lassen. Ihre Stimme war immer noch heiser, und das Reden ermüdete sie schnell, aber ansonsten fühlte sie sich wohl wie schon lange nicht mehr.

»Das freut mich«, sagte Jeromé. »Aber ich muß dir auch sagen, daß mir Dinge zu Ohren gekommen sind, die mich weniger erfreuen.« Er ging um den Tisch herum und nahm am Ende der langen Tafel Aufstellung. Robin fühlte sich winzig und verloren. Sie wünschte sich, Salim wäre hier.

»Ich halte nichts davon, lange um die Dinge herumzureden«, fuhr Jeromé fort. »Du und Salim, ihr trefft euch täglich auf dem Heuboden über dem Tor. Was tut ihr dort?«

»Herr?« fragte Robin erschrocken.

»Lüge nicht auch noch!« donnerte Jeromé. Sein Zorn war nicht gespielt, und plötzlich begriff Robin, daß er sie nicht zu einem Gespräch hierhergerufen hatte, sondern zu einem Verhör. »Was ihr dort tut, will ich wissen!« Offenbar hatte er eine ziemlich klare Vorstellung davon, was sie und Salim bei ihren täglichen Treffen auf dem Dachboden taten, und als sie den Zorn in Jeromés Augen sah, da war sie um ein Haar versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Doch dann dachte sie wieder an Salims Warnung. Jeromé und die anderen Tempelritter durften auf keinen Fall erfahren, was dort wirklich geschah. Sie senkte wortlos den Blick.

»Du schweigst«, sagte Jeromé. »Es ist dir peinlich, wie? Aber das, was ihr dort treibt, das scheint dir nicht besonders unangenehm zu sein. Schämst du dich denn gar nicht? War deine Mutter eine gottesfurchtige Frau?«

Robin nickte.

»Aber anscheinend nicht gottesfürchtig genug«, donnerte Jeromé, »denn sonst hätte sie dir zweifellos beigebracht, daß das, was ihr treibt, eine Todsünde ist. Weißt du, was eine Todsünde ist?«