Выбрать главу

Sie gingen nebeneinander den Gang hinab, und als sie die Treppe erreicht hatten, fragte Robin: »Du beobachtest mich?«

»Du hast eine komische Art, deine Dankbarkeit auszudrücken«, murrte Salim. »Wenn du es genau wissen willst: Abbé hat mir aufgetragen, ein wenig auf dich und Jeromé zu achten. Nicht umsonst, wie sich ja gerade gezeigt hat. Was wollte er von dir?«

Robin blieb stehen. »Warum willst du das wissen?«

Ganz kurz blitzte es wütend in Salims Augen auf. Aber er beherrschte sich und sagte nur: »Weil er gefährlich ist. Für uns alle. Viel gefährlicher als Gernot und Otto zusammen. Wenn wir ihn gewähren lassen, dann könnte es sein, daß er zu Ende bringt, was die beiden angefangen haben. Man beginnt bereits zu reden.«

»Über dich und mich, ich weiß«, sagte Robin, aber Salim schüttelte nur den Kopf.

»Das meine ich nicht. Es spielt keine Rolle. Aber das Gerücht macht die Runde, daß Bruder Abbé ... ein Auge auf dich geworfen hat.«

»Ist das wahr?« entfuhr es Robin.

»Keine Sorge«, antwortete Salim grimmig. »Wenn es so wäre, dann würde ich es ihm ausstechen. Ich lasse nicht zu, daß er dich anrührt.«

Robin schauerte. So, wie er es sagte, klang es überzeugend.

»Niemand würde es wagen, es laut auszusprechen«, fuhr Salim fort. »Nicht einmal Jeromé. Aber er ist geschickt in solchen Dingen. Eine Andeutung hier, ein Hochziehen der Braue da, ein wissendes Lächeln im richtigen Moment... manchmal kann man mehr sagen, wenn man nichts sagt, weißt du? Jeromé ist ein Intrigant.«

»Aber warum denn nur?«

»Er will auf Abbés Stuhl«, antwortete Salim. »Er neidet ihm seine Position, seit er hier ist. Am Ende ist es immer dasselbe. Macht. Es geht immer nur um Macht.«

»Um Macht?« Fast hätte Robin gelacht. Sie sah sich demonstrativ in dem kahlen Raum um. Abgesehen von der Größe (und vielleicht Bruder Abbés Privatgemach) unterschied sich die Komturei kaum von dem Dorf, in dem sie aufgewachsen war; manche Häuser dort waren nicht annähernd so ärmlich gewesen.

»Um was für Macht?«

»Vielleicht um die über die Welt«, sagte Salim.

Und es hörte sich kein bißchen scherzhaft an.

KAPITEL 26

Sie erfuhr nie, was sich hinter der verschlossenen Tür zwischen Jeromé und Abbé abgespielt hatte, doch der rebellische Tempelritter mußte wohl zumindest einen Teilsieg davongetragen haben. Sie hatte sich an diesem Abend nicht mit Salim getroffen, und am darauffolgenden Morgen teilte ihr Abbé mit knappen Worten mit, daß sie sich nicht mehr mit Salim auf dem Dachboden treffen solle; alles weitere würde ihr der Sklave selbst mitteilen. Er benutzte genau diese Worte, und Robin glaubte einen verhaltenen Groll aus ihnen herauszuhören, den sie nicht genau verstand.

Der Sklave kam schon am nächsten Morgen zu ihr, gewiß nicht zufällig zu genau der Zeit, zu der die Tempelherren ihr Mittagsgebet begannen, und forderte sie fast schon grob auf, mit ihm zu kommen. Robin war ein bißchen beunruhigt - ein Zustand, den sie mittlerweile schon als fast normal empfand - folgte ihm aber gehorsam.

Sie verließen die Komturei und gingen an der Pferdekoppel vorbei bis zu einem kleinen, keine hundert Schritte im Geviert messenden Wäldchen, das sich dahinter erhob. Wortlos bahnte er sich einen Weg durch Gestrüpp und Unterholz, bis sie eine kleine Lichtung in der Mitte des Hains erreichten, die natürlichen Ursprungs zu sein schien, offensichtlich aber künstlich vergrößert worden war.

»Unser neuer Übungsplatz«, sagte er, und der Stolz in seiner Stimme machte Robin klar, daß er selbst die notwendigen Arbeiten verrichtet hatte. »Hier wird uns niemand sehen. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Wir werden nicht zu gleichen Zeiten hierherkommen, und wir werden den Hof auch nicht gemeinsam verlassen. Abbé hat Jeromé in seine Schranken verwiesen, aber wir müssen den Gerüchten nicht noch neue Nahrung geben.«

»Das ist albern«, sagte Robin. Es gab keine Möglichkeit, Tratsch zu verhindern, aber der sicherste Weg, ihn noch anzuheizen, war, es zu versuchen.

»Möglich«, sagte Salim schulterzuckend. »Aber es ist Abbés Wunsch. Und ich glaube, daß es besser ist. Die Wände dort drinnen haben Ohren. Laß uns beginnen.«

Robin sah sich unbehaglich um. Erst jetzt, nachdem sie die Komturei verlassen hatte, spürte sie, wieviel Schutz und Geborgenheit ihre Mauern ihr vermittelt hatten, trotz allen Schreckens, den sie darin hatte erleben müssen. Sie kam sich so hilflos und alleingelassen vor, als stünde sie mit zusammengebundenen Händen und Füßen im Zentrum einer zu groß geratenen Zielscheibe. Sie hatte geglaubt, das Leben in der Komturei nicht länger ertragen zu können. Jetzt fragte sie sich, ob sie wohl jemals wieder irgendwo anders leben konnte - oder wollte.

Anscheinend gehörte nicht besonders viel dazu, ihre Gedanken zu erraten. »Wir sind hier sicher«, sagte Salim. »Otto und die Bande von Halsabschneidern, die sich ihm angeschlossen hat, ist weit weg. Es heißt, er wäre zuletzt oben im Norden gesehen worden, drei oder vier Tagesritte entfernt.«

»Welche Bande?« fragte Robin. Das letzte, was sie gehört hatte, war, daß der ehemalige Waffenmeister von Elmstatt einfach verschwunden sei.

»Eine Handvoll von Elmstatts Männern, die sich ihm angeschlossen haben«, antwortete Salim. »Und dazu noch jeder Halsabschneider und Strauchdieb, der ihm unterwegs begegnet ist. Gunthar hat ihn und seine Begleiter für vogelfrei erklärt, aber er hat Gernot befohlen, die Jagd auf ihn einzustellen.«

»Warum?«

»Er leckt sich noch immer die Wunden aus der Schlacht«, sagte Salim. »Abbé hatte recht, weißt du? Er hat den Kampf gewonnen, aber er wird lange brauchen, um sich von diesem Sieg zu erholen... und außerdem glaube ich, daß er Gernot nicht mehr traut. Gunthar ist kein Dummkopf. Und jetzt haben wir genug geredet. Greif mich an!«

Er reichte Robin das Schwert, wich zwei Schritte zurück und nahm gleichzeitig eine geduckte Abwehrhaltung ein. Robin attackierte ihn sofort, aber sie war nicht richtig bei der Sache. Ihre Bewegungen waren fahrig und schlecht koordiniert, so daß es Salim keine Mühe bereitete, sie abzuwehren und ihr schon nach wenigen Augenblicken das Schwert aus der Hand zu schlagen.

Er reagierte verärgert. »Wenn du so in einen wirklichen Kampf gehst, dann bist du tot«, sagte er. »Was ist los? Wo bist du mit deinen Gedanken?«

»Bei Gernot«, antwortete sie offen. »Ich verstehe einfach nicht, was er tut. Er hat Otto kaltblütig verraten.«

»Ein Bauernopfer«, antwortete Salim.

»Ein was?«

»Ein Bauernopfer«, wiederholte Salim. »Spielst du Schach?« Er schüttelte den Kopf, um seine eigene Frage zu beantworten. »Nein, natürlich nicht. Wahrscheinlich weißt du nicht einmal, was das ist. Ein Spiel. Es wird in meiner Heimat gespielt, aber auch hier. Abbé ist ein wahrer Meister darin, und es würde mich nicht wundern, wenn auch Gernot es beherrschte.«

»Und was hat ein Spiel aus deiner Heimat mit dem zu tun, was er gemacht hat?«

»Es war ein Schachzug«, antwortete Salim. »Ein verzweifelter Zug, aber trotzdem geschickt. Ein Bauernopfer. Hätten wir mehr Zeit, würde ich dir das Schachspielen beibringen, und du würdest verstehen, was ich meine. Aber jetzt ist es wirklich genug. Wir haben nur eine Stunde, bis das Gebet vorüber ist. Bis dahin muß einer von uns zurück sein. Nimm!«

Er reichte ihr das Schwert und griff seinerseits an. Robin wehrte sich ebenso ungeschickt, wie sie ihn attackiert hatte, mit genau dem zu erwartenden Ergebnis: Nach nur zwei Hieben wurde ihr das Schwert aus der Hand geprellt, und sie fiel rücklings ins Gras.