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»Das... war aber nicht besonders ritterlich«, murmelte er.

»Ich bin kein Ritter«, antwortete Robin, »und ich kann auch niemals einer werden. Ich bin eine Frau - schon vergessen?«

»Wie könnte ich«, sagte Salim - aber er tat es mit einem so anzüglichen Grinsen, daß Robin der Verlockung einfach nicht widerstehen konnte, einen langen, blutigen Kratzer an seinem Hals zu hinterlassen, als sie das Schwert zurückzog.

»Du überraschst mich wirklich immer aufs neue«, sagte Salim, nachdem er aufgestanden war, seinen Hals betastet hatte und stirnrunzelnd das Blut betrachtete, das an seinen Fingerspitzen klebte. »Du kämpfst wirklich gut, nicht nur für eine Frau.«

»Ich hoffe, daß ich das Gernot und Otto auch irgendwann einmal beweisen kann«, sagte Robin grimmig.

»Werde nicht übermütig«, warnte Salim. »Es wird noch Jahre dauern, bis du dich mit jemandem wie Gernot messen kannst - oder gar Otto. Du beherrschst die Technik, aber dir fehlt noch viel an Erfahrung, und du bist einfach nicht stark genug.«

»Warum unterrichtest du mich dann, wenn es doch sinnlos ist?« fragte Robin.

»Wer sagt, daß ich dir schon alles beigebracht habe?« fragte Salim. »Greif mich an. Wirklich.«

Robin zögerte zwar eine Weile, aber dann hob sie ihr Schwert, täuschte einen Hieb gegen seine Seite an und drehte die Klinge erst, als er erwartungsgemäß den Schild hochriß. Sie war darauf vorbereitet, den Angriff im letzten Moment abzubrechen, wenn das Schwert durch seine Deckung drang, denn schließlich wollte sie ihn nicht verletzen. Aber ihr Schwert drang nicht durch seine Deckung. Es kam ihm nicht einmal nahe. Salim tat... irgend etwas, und plötzlich flog ihr Schwert im hohen Bogen davon, und schon im nächsten Moment fand sich Robin hilflos auf dem Rücken liegend vor, und Salim stand über ihr und setzte ihr seine Schwertspitze an den Hals.

»Was... war das?« murmelte sie verblüfft.

Sie las in Salims Augen, daß er für einen Moment ernsthaft versucht war, es ihr heimzuzahlen und ganz versehentlich auch ihre Kehle zu ritzen, aber dann zog er das Schwert im Gegenteil sehr vorsichtig zurück und half ihr, aufzustehen.

»So kämpfen wir in meiner Heimat«, sagte er. »Auch wir kämpfen mit dem Schwert, aber nicht so brutal und plump wie ihr. Kraft allein bedeutet nichts. Auch der Schwache kann den Starken durchaus besiegen. Selbst mit bloßen Händen. Wenn du willst, bringe ich es dir bei... Willst du?«

»Ja«, antwortete Robin. »Natürlich!«

»Was für eine Frage«, sagte Salim - zwar in scherzhaftem Ton, aber er blieb trotzdem ernst. »Aber es würde Jahre dauern. Manche brauchen ein Leben, um die Kunst der Schattenkrieger zu erlernen.«

»Schattenkrieger?«

Salim ignorierte ihre Frage. »Uns bleiben keine Jahre, sondern nur wenige Wochen. Ich werde dich in dieser Zeit so viel lehren, wie ich kann. Es wird vielleicht reichen, um dich am Leben zu erhalten.«

Seine Worte zerrissen die Illusion von Glück, die sie bisher so mühsam aufrecht erhalten hatte, und plötzlich wurde sie traurig, dann auf eine Weise zornig, die sie verwirrte, denn dieser Zorn hatte kein wirkliches Ziel. Sie haderte mit dem Schicksal - nicht zum ersten Mal -, und sie begriff, daß das Schicksal etwas war, das sich mit Zorn nicht bezwingen ließ. Und es war ebenfalls nicht das erste Mal, daß ihr klar wurde, daß diese Einsicht alles nur noch viel schlimmer machte. Warum war ihr so viel Schönes und Neues geschenkt worden, wenn es ihr gleich wieder weggenommen werden sollte?

»Und wenn du nicht gehst?« fragte sie.

»Nicht gehen? Wohin?«

»Mit Abbé und den anderen«, sagte sie. »Ins Heilige Land.«

»Du meinst, in meine Heimat«, verbesserte sie Salim. »Ich kann endlich nach Hause, nach fast zehn Jahren. Du verlangst wirklich, daß ich darauf verzichte?«

»Vielleicht meinetwegen?« Robin war sich darüber klar, daß das nicht fair war, und sie schämte sich für diese Worte. Aber sie befand sich in einem Zustand, in dem ihr Gerechtigkeit nichts mehr bedeutete. Auch sie wurde ungerecht behandelt.

»Es ist meine Heimat«, sagte Salim hilflos.

»Und du willst zusammen mit Jeromé und Abbé und den anderen dorthin?« fragte Robin. »An der Spitze eines Heeres, das auszieht, um deine Heimat zu erobern? Das kann nicht dein Ernst sein!«

Salim sah sie ein paar Atemzüge lang fast erschrocken an, dann sagte er: »Allmählich wirst du mir unheimlich.«

»Das ist keine Antwort«, sagte Robin.

»Du kennst die Antwort«, erwiderte Salim. Er klang jetzt beinahe wütend. »Ich muß mitgehen, Robin. Ich habe gar keine Wahl! Selbst wenn ich es wollte, würde Abbé niemals zulassen, daß ich zurückbleibe. Und ich könnte es auch gar nicht.«

»Wieso?«

Salim lächelte melancholisch. »Ich weiß, es mag sich seltsam anhören, aber... aber er und die anderen sind so etwas wie... wie meine Familie. Ich bin bei ihnen aufgewachsen. Ich kenne niemanden außer ihnen. Und ich habe auch niemanden außer ihnen. Ich muß bei ihnen bleiben.«

»Du hast mich«, widersprach Robin. Im Grunde hatte sie längst begriffen, daß Salim recht hatte. Es war eine durch und durch naive Vorstellung, und trotzdem sprach sie schnell und in beinahe verzweifeltem Ton weiter: »Wir könnten zusammenbleiben, nur du und ich. Wir könnten einfach hierbleiben.«

»Sie werden die Komturei schließen«, fuhr Salim ruhig fort. »Abbé will es nicht zugeben, aber in Wahrheit weiß er so gut wie ich, daß sie nicht zurückkommen. Der Weg nach Jerusalem ist weit. Ein Jahr, vielleicht länger. Keiner von ihnen wird zurückkommen. Sie werden in irgendeiner sinnlosen Schlacht verbluten oder den Rest ihres Lebens damit zubringen, Menschen ihren Glauben aufzuzwingen, die sie noch nie zuvor gesehen haben und über deren Leben sie nichts wissen. Es wird diese Komturei in wenigen Wochen nicht mehr geben. Welche Zukunft hätten wir?«

»Wir könnten weggehen«, sagte Robin leise.

»Du und ich allein?« Salim schüttelte den Kopf. »Wohin sollten wir gehen? Ein Mädchen und ein Sarazene in eurem Land. Wir wären beide tot, in weniger als einem halben Jahr.«

»Aber du ...«

Salim hob erschrocken die Hand. »Jemand kommt!« zischte er. »Versteck dich!«

Er verschwand so schnell wie ein Schatten, der von der Nacht aufgesogen wurde, und auch Robin sah sich hastig nach einem Versteck um. Aber es war zu spät. Hufschläge näherten sich, und plötzlich wuchs die Gestalt eines Reiters wie ein riesiger, bedrohlicher Schatten empor. Er stand genau in der Sonne, so daß sie ihn im ersten Augenblick wirklich nur als Schatten sah und blinzelnd die Hand über die Augen hob.

Dann erkannte sie sein Gesicht und konnte einen erschrockenen Schrei nicht mehr ganz unterdrücken.

»Was für eine Überraschung«, sagte Gernot von Elmstatt. »Aber warum erschrickst du denn so, mein Kind? Großer Gott, du siehst ja aus, als wäre dir der Leibhaftige persönlich erschienen!«

»Vielleicht ist er das ja«, antwortete Robin. Ihre Stimme zitterte so stark, daß sie die beabsichtigte Wirkung ihrer Worte nahezu ins Gegenteil verkehrte, und ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als wollte es jeden Moment einfach zerspringen.

Gernot lachte. »Du hast eine spitze Zunge, mein Kind«, sagte er. Er machte eine Bewegung, wie um sich aus dem Sattel zu schwingen, ließ sich dann aber zurücksinken und bückte stirnrunzelnd auf etwas, das neben ihr im Gras lag. Sie folgte seinem Blick. Es waren Schild und Schwert.

»Und offensichtlich liebst du es auch, mit spitzen Dingen umzugehen«, fuhr er in nachdenklicherem Tonfall fort. »Ein Schwert, ein Schild und ein aufgezäumtes Pferd... man könnte meinen, du übst den Umgang mit den Waffen eines Ritters.«

Auch sie drehte sich herum und sah zu Wirbelwind zurück. Der Hengst stand in wenigen Schritten Entfernung da und äugte mißtrauisch zu dem Neuankömmling hin. Von Shalima war nichts mehr zu sehen. Sie war ebenso spurlos verschwunden wie ihr Herr.