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»Kannst du schon damit umgehen?« fragte Gernot.

»Warum steigt Ihr nicht vom Pferd und probiert es aus?« fragte Robin trotzig.

Gernot lachte. »Du hast Mut, das muß man dir lassen«, sagte er. »Aber das hast du ja schon mehr als einmal bewiesen. Trotzdem wundere ich mich ein wenig. Du versuchst, das Kämpfen zu erlernen? Glaubst du denn, es wäre nötig?«

Sein Blick suchte mißtrauisch den Waldrand ab. Vielleicht hatte er Shalimas Spuren gesehen. Vielleicht spürte er auch einfach nur, daß sie nicht allein waren. »Was... was wollt Ihr?« fragte Robin mit zitternder Stimme.

»Oh, nur ein wenig plaudern«, erwiderte Gernot. Er löste mit einiger Mühe seinen Blick vom Waldrand und sah wieder auf Robin herab. Seine Augen wurden schmal. »Du überraschst mich immer wieder aufs neue, Mädchen«, sagte er. »Ich weiß gar nicht mehr, was ich von dir halten soll. Hast du denn gar keine Angst, so allein hier draußen?«

»Sollte ich das denn?« fragte Robin.

»Immerhin ist der Verräter noch auf freiem Fuß«, antwortete Gernot. »Otto - du erinnerst dich doch? Er hat schon einmal versucht, dich zu töten... oder waren es zweimal?«

»Das solltet Ihr wissen, Herr«, antwortete Robin nervös. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie suchte verzweifelt nach einem Ausweg, einer Lücke zwischen den Bäumen, die zu schmal war für sein Pferd, einem Versteck. Für einen winzigen Moment spielte sie sogar mit dem Gedanken, nach ihrem Schwert zu greifen, sah aber im gleichen Augenblick auch ein, wie irrsinnig das wäre.

»Ich?« fragte Gernot. Er senkte die Hand auf den Gürtel, noch nicht zum, aber in die Nähe des Schwertes.

»Das erste Mal habt Ihr mich gerettet«, sagte Robin.

»Und danach?«

»Ich... erinnere mich nicht genau, Herr«, antwortete Robin. »Es ging alles so schnell, und es war... so schrecklich. Ich hatte Angst.«

»Du erinnerst dich nicht. In jener Nacht in Abbés Kammer hast du dich ganz gut erinnert.«

»Nur an das, was vorher war«, sagte Robin nervös.

»Vorher?«

»Vor dem Überfall auf das Dorf«, antwortete Robin. »Danach ... ist zu vieles passiert. Es ging alles so schnell. Ich hatte Angst, und... und meine Mutter war tot. Ich weiß kaum noch etwas. Sie haben mich niedergeschlagen und an einen Baum gebunden, und... und dann hat er versucht, mir die Kehle durchzuschneiden.«

»Er?«

»Der Mann mit der Narbe.«

»Otto?«

»Ja«, antwortete Robin. Dann verbesserte sie sich. »Ich glaube. Ich ... ich erinnere mich nicht. Nicht... genau.«

»Du erinnerst dich nicht«, wiederholte Gernot nachdenklich. »Aber an das, was vorher war, schon. In der Kapelle, meine ich.«

»Nicht an viel«, sagte Robin. »Ich hatte Angst. Ich habe die Reiter gesehen und mich versteckt.«

»Die Reiter. Die Tempelherren, meinst du? Sonst niemanden?« Gernots Augen wurden noch schmaler, und Robin konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Aber sie spürte auch, wieviel von ihren nächsten Worten abhing. Vielleicht ihr Leben.

»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hatte Angst. Ich habe mich versteckt.«

»Und du hast sonst niemanden gesehen und auch nichts gehört?« Gernot seufzte. »Auch später nicht, als sie versucht haben, dich umzubringen... du bist ein sehr kluges Kind, weißt du das?«

»Herr?«

Gernot lachte. »Weißt du was? Du gefällst mir. Das einzig Schlimme ist, daß ich nicht weiß, ob ich dir trauen kann.«

»Herr?« fragte Robin noch einmal.

Gernot machte eine herrische Geste. »Du erinnerst dich sehr genau«, sagte er, plötzlich leise, aber in schneidendem, fast drohendem Ton. »Du erinnerst dich an alles. Leugne es nicht.«

»Aber ich...«

»Ich bin ein Lügner, Robin«, unterbrach sie Gernot kalt. »Du solltest nie versuchen, einen Lügner zu belügen. Du erinnerst dich ganz genau. Du bist nur zu dem Schluß gekommen, daß es besser ist, dich an gewisse Dinge nicht mehr zu erinnern. Besser für mich und auch besser für dich. War es so?«

Robin schwieg.

»Es war so«, sagte Gernot. »Mir scheint, du bist neben allem anderen auch noch ein sehr kluges Kind. Aber wie soll ich dir trauen? Woher soll ich die Sicherheit nehmen, daß du dein Gedächtnis nicht wiederfindest? In einer Woche, einem Monat oder einem Jahr?«

»Weil ich weiterleben will«, sagte Robin.

»Eine kluge Antwort. Aber es bleibt dabei: Du bist eine Gefahr für mich. Was also sollte mich daran hindern, dich zu töten - gleich hier und jetzt?« Hinter Gernot teilten sich die Schatten des Waldrandes, und Salim trat hoch zu Roß hervor. Er hatte den Schild wieder am linken Arm und das Krummschwert in der Rechten. »Ich«, sagte er. »Denn bevor Ihr sie tötet, müßt Ihr erst mich töten, Gernot. Wollt Ihr es versuchen?«

Gernot starrte ihn an. Seine Hand glitt weiter auf das Schwert in seinem Gürtel zu, berührte es aber nicht. Seine Miene blieb ausdruckslos, aber Robin spürte genau, daß er Angst vor Salim hatte.

»Was willst du, Heide?« fragte er verächtlich.

»Die Frage ist, was Ihr wollt, Gernot«, sagte Salim. »Seid Ihr nur hier, um ein unschuldiges Mädchen zu bedrohen? Wenn ja, dann habt Ihr es ja jetzt getan und könnt wieder Eurer Wege gehen.«

»Verstehe ich dich richtig, Sklave?« fragte Gernot. Er versuchte, seine Stimme wütend klingen zu lassen, aber es gelang ihm nicht. »Du wagst es, mir zu sagen, daß ich verschwinden soll?«

»Laßt es mich anders ausdrücken, Gernot von Elmstatt«, sagte Salim spöttisch. »Vielleicht mit Euren eigenen Worten: Was sollte mich daran hindern, Euch zu töten - gleich hier und jetzt?«

Gernot wurde sichtbar blaß. Er ergriff nun sein Schwert, aber es sah vielmehr so aus, als klammere er sich an der Waffe fest, als daß er sie wirklich zücken wollte. »Du wagst es, mich zu bedrohen, Sklave? Dafür könnte ich dich auf der Stelle erschlagen!«

»Macht Euch nicht lächerlich«, sagte Salim.

Gernot schwieg. Seine Kiefer mahlten, so daß Robin sich fast einbildete, seine Zähne knirschen zu hören.

»Seid vernünftig, Gernot«, fuhr Salim fort. »Noch ist kein wirklicher Schaden angerichtet. Robin wird bei ihrer Version bleiben, und Ihr solltet Euch damit zufriedengeben. So bleibt sie am Leben - und Ihr auch.«

»Damit ist es nicht vorbei«, grollte Gernot. Er starrte Robin an. »Die Tempelherren werden nicht immer hier sein. Und ihr heidnischer Sklave auch nicht.«

Damit riß er sein Pferd mit einer fast schon brutalen Bewegung herum und sprengte davon. Robin sah ihm besorgt hinterher.

»Hältst du das für klug?« fragte sie leise.

»Was?« gab Salim zurück. »Dir das Leben zu retten? Er hätte dich getötet.«

»Ihn zu bedrohen«, antwortete Robin. »Er wird...«

»Ein paar ziemlich unangenehme Stunden erleben«, unterbrach sie Salim. »Und eine schlaflose Nacht oder auch mehr. Ich gönne sie ihm. Aber er wird es nicht wagen, etwas gegen dich zu unternehmen.«

»Wenigstens jetzt noch nicht«, fügte Robin hinzu. »Solange ihr noch hier seid.«

Salim sah sie traurig an, steckte sein Schwert ein und glitt mit einer fast lautlosen Bewegung von Shalimas Rücken. »Ein Grund mehr, den Rest des Tages zu nutzen und noch ein wenig zu üben«, sagte er. »Heb dein Schwert auf.«

KAPITEL 30

Sie wandte sich an den einzigen Menschen in der Kornturei, dem sie außer Salim und Bruder Abbé vertraute: Sie waren bis zum Einbruch der Dämmerung im Wald geblieben und dann auf getrennten Wegen und zu unterschiedlichen Zeiten zurückgekehrt. Robin hatte sich kaum Zeit genommen, ihr Abendessen herunterzuschlingen, bevor sie zu Bruder Tobias hinaufging.

Der schlanke Mönch war in den letzten Tagen weiter genesen, aber trotzdem noch weit davon entfernt, gesund zu sein. Als Robin seine karg eingerichtete Kammer betrat, kniete er in einem Winkel neben der Tür und betete mit geschlossenen Augen. Seine Lippen bewegten sich, aber Robin hörte nicht den mindesten Laut. Einen Moment lang überlegte sie, ihn einfach zu unterbrechen, hatte dann aber doch Skrupel. Sie wußte, daß Bruder Tobias wahrscheinlich ruhig und voller Geduld darauf reagieren würde - er gehörte zu den Menschen, die gar nicht wirklich wütend werden konnten - aber sie wußte auch, wie wichtig Tobias das Gebet war. Sie geduldete sich, bis Tobias nach einer Ewigkeit die Augen wieder öffnete.