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»Es ist nicht so, wie Ihr denkt!« verteidigte sich Robin hastig, und Tobias hob noch hastiger die Hände zu einer abwehrenden Bewegung. Sie wäre nicht überrascht gewesen, hätte er das Kreuzzeichen geschlagen.

»Ich denke nichts«, sagte er. »Und verleite mich bitte nicht dazu, es zu tun, denn dann müßte ich zur Beichte gehen und vermutlich fünfhundert zusätzliche Ave Maria beten, wozu mir im Augenblick eindeutig die Kraft fehlt.«

Robin lächelte zwar, wurde aber sofort wieder ernst und stellte ganz leise die Frage, derentwegen sie eigentlich hier heraufgekommen war. »Aber was ist denn so schlimm daran? Ich... ich verstehe nicht viel von der Bibel und Gottes Willen, aber ich kann nicht glauben, daß er die Liebe verboten hat.«

»Ist es das denn?« fragte Tobias ernst. »Liebe?«

Robin schwieg einige Momente. »Ich... weiß es nicht«, gestand sie dann.

»Verwechsle nicht Liebe mit etwas anderem«, sagte Tobias. »Ich kann verstehen, was jetzt in dir vorgeht. Du bist ganz allein. Du hast furchtbare Angst, auch wenn du viel zu tapfer bist, um es dir selbst einzugestehen, und alles ist fremd und erschreckend für dich. Salim gibt dir genau das, wonach du dich so verzweifelt sehnst, nämlich Geborgenheit, Wärme und Vertrauen.«

»Und wenn das alles ist, was ich will?« fragte Robin.

»Das ist es nicht«, behauptete Tobias. »Du brauchst es, so verzweifelt wie ein Verdurstender einen Schluck Wasser. Aber es ist nicht das, was du willst. Es wird nicht genügen auf Dauer.«

»Dann ist es also keine Liebe«, sagte Robin traurig.

»Das habe ich nicht gesagt«, sagte Tobias. »Das eine gehört zum anderen, doch du mußt selbst entscheiden, ob du dir nicht vielleicht etwas vormachst. Wenn du hierhergekommen bist, um mich zu bitten, dir diese Entscheidung abzunehmen, dann muß ich dich enttäuschen. Das kann ich nicht. Niemand kann das.«

Seine Hand bewegte sich über den Tisch und griff nach der Robins, und für einen kurzen, schreckerfüllten Moment fühlte sie sich in der Zeit zurückversetzt und wieder vor ihrem brennenden Haus, denn Tobias' Haut fühlte sich fast so an wie die der alten Janna - trocken und rissig, alt und auch noch ein wenig fiebrig. Janna war wenige Augenblicke später gestorben. Getötet worden.

Nur weil diese Erinnerung so schrecklich war, zog sie die Hand mit einem erschrockenen Ruck wieder zurück, und Tobias, der das ja nicht wissen konnte, fuhr leicht zusammen und sah ein bißchen verlegen aus.

»Entschuldigt«, sagte sie hastig. »Ich wollte nicht...«

Sie brach ab und für einen Augenblick wurde die Stille zwischen ihnen noch unangenehmer. Schließlich räusperte sich Tobias unbehaglich und sagte, ohne sie anzusehen: »Ich bin jetzt müde. Das Reden strengt mich doch noch mehr an, als ich wahrhaben will, fürchte ich. Und du hast wohl recht: Ich sollte nicht soviel Bier trinken.«

Robin hatte verstanden. »Ich muß... sowieso gehen«, sagte sie stockend. »Ich wollte auch eigentlich nur nachsehen, wie es Euch geht.«

Sie rannte regelrecht aus dem Zimmer.

KAPITEL 31

Gunthar, Gernot und ihre Begleiter - einschließlich des fremden Tempelritters - verließen die Komturei am darauffolgenden Nachmittag, ohne daß Robin noch einen von ihnen zu Gesicht bekommen hätte. Sie war sehr erleichtert, zugleich aber auch ein wenig beunruhigt - sie hatte Tobias eigenartige Reaktion nicht vergessen, als sie ihn auf Horace angesprochen hatte, und als sie Salim auf den Tempelritter ansprach, behauptete er kurz angebunden, nicht zu wissen, wer er sei, und warum er gekommen war.

Selbst wenn sie ihn nicht so gut gekannt hätte, hätte sie gespürt, daß er log. Wer immer dieser Horace war - die bloße Erwähnung seines Namens reichte offenbar schon aus, Nervosität zu verbreiten, wenn nicht Furcht.

Salim und sie trafen sich weiter in dem kleinen Wäldchen jenseits der Pferdekoppel, um den Umgang mit Schild und Schwert zu üben, aber etwas hatte sich verändert. Eine fast greifbare Atmosphäre von Nervosität lag über der Komturei, und Robin war auch nicht entgangen, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen Abbé und Jeromé immer schneller zu eskalieren schienen. Sie konnte nicht sagen, auf welcher Seite Xavier und Heinrich standen, und sie wagte es auch nicht, einen der beiden - oder gar Abbé selbst - offen darauf anzusprechen. Aber irgend etwas war im Gange, und es war nichts Gutes.

Am Ende dieser Woche beschloß Salim ihre täglichen Übungen mit der Ankündigung, daß sie am nächsten Tag etwas Neues beginnen würden, ließ sich aber durch nichts dazu bewegen, ihr zu verraten, was. Robin schlief in der darauffolgenden Nacht schlecht, und an dem Tag, der ihr Leben endgültig und noch viel nachhaltiger - und unwiderruflich - umkrempeln sollte, als es bisher schon der Fall gewesen war, wachte sie früh und mit einem Gefühl vager Furcht auf; erfüllt von einer Unruhe, die sie sich nicht erklären konnte - die es ihr aber auch unmöglich machte, einfach die Augen zu schließen und weiterzuschlafen.

Sie hätte es gekonnt. Ihr Gefühl sagte ihr, daß bis Sonnenaufgang noch mindestens eine Stunde Zeit war, aber sie spürte auch ebenso deutlich, daß sie jetzt ohnehin keinen Schlaf mehr finden würde. So stand sie auf, trank einen Schluck Wasser und trat ans Fenster.

Sie war wohl nicht die einzige, die an diesem Morgen ganz besonders früh aufstand. Hinter mehreren Fenstern des Haupthauses brannte gelbes Kerzenlicht, und unten auf dem Hof brannte eine Fackel, in deren Licht sie zwei Gestalten erkannte. Eine von ihnen trug das graue Gewand, das hier allgemein üblich war, aber sie erkannte ihre Statur und vor allem ihren glänzenden Kahlkopf, auf dem sich die Flammen spiegelten, als wäre er poliert. Abbé. Der andere war Jeromé. Er trug Waffenrock, Mantel und Schild eines Tempelritters.

Robin begriff, daß sie nicht von selbst wach geworden war. Vielmehr hatten sie die Unruhe und der Lärm von unten auf dem Hof geweckt. Abbé und Bruder Jeromé stritten miteinander, diesmal ganz offen und ohne irgendeine Rücksicht darauf zu nehmen, ob jemand ihren Streit mitbekam oder nicht. Aber warum um diese Zeit und worüber?

Die Antwort auf wenigstens eine dieser Fragen erhielt sie fast unmittelbar. Die Stalltür ging auf, und einer der Knechte führte Jeromés Pferd heraus. Es war bereits aufgezäumt und gesattelt, und Jeromé wollte sich auf der Stelle herumdrehen und aufsitzen, wurde aber von Abbé daran gehindert, der ihn am Arm ergriff und ihn fast gewaltsam herumriß. Die Stimmen der beiden wurden lauter, so daß Robin sie nun auch hier oben hören konnte.

Auf diese Weise vergingen einige Minuten, bis sich eine weitere Gestalt in einem nachtschwarzen Mantel zu ihnen gesellte. Der Knecht, der Jeromés Pferd gebracht hatte, hatte längst das Weite gesucht, und auch Robin wünschte sich fast, nicht aufgewacht zu sein.

Trotzdem blieb sie natürlich am Fenster stehen und sah zu, was weiter geschah.

Jeromés und Abbés Gestikulieren wurde heftiger, und ihre Stimmen immer lauter; für einen kurzen Moment sah es beinahe so aus, als wollten die beiden aufeinander losgehen, und vielleicht hätte Jeromé dies sogar getan, wäre Abbé wie er bewaffnet gewesen. So aber riß er nur seinen Arm mit einer wütenden Bewegung los, schwang sich in den Sattel und sprengte davon. Abbé sah ihm nach, bis er unter dem Tor verschwunden war, dann drehte er sich herum und verschwand mit weit ausgreifenden Schritten im Haus. Salim folgte ihm gleich einem lautlosen Schatten, und nur einen Herzschlag später fuhr auch Robin herum und verließ das Zimmer. Was immer zwischen Jeromé und Bruder Abbé vorgefallen war, ging sie nichts an, aber sie spürte, daß es sie betraf. Sie mußte wissen, warum Jeromé weggeritten war, und wohin.

Ihre Schritte wurden jedoch langsamer, je weiter sie die Treppe hinunter lief, und bevor sie die Tür öffnete und den Turm verließ, blieb sie noch einmal stehen. Die Vorstellung, daß sie nur zu Abbé gehen und ihn um Auskunft bitten brauchte, war ziemlich naiv. Abbé würde ihr allerhöchstens Vorwürfe machen, daß sie ihn belauscht hatte, und ihr ansonsten bescheiden, daß sie das alles nichts anginge.