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»Bist du bereit?« fragte er, ohne sie anzusehen.

Robin antwortete nicht auf die Frage, sondern stellte ihrerseits eine: »Wo sind Shalima und Wirbelwind?« Sie hatte schon von weitem gesehen, daß sich weder der Hengst noch Salims schwarze Stute auf der Koppel befanden.

»Im Wald«, antwortete Salim knapp. »Ich habe sie bereits gesattelt. Komm.«

Er gab sich nun keine Mühe mehr, seinen Mißmut zu verhehlen, und Robin war überrascht - aber auch beunruhigt. Er konnte nicht wissen, warum sie plötzlich so abweisend war. Für ihn entsprach ihre Erklärung, daß sie nur müde sei, der Wahrheit. Wieso strafte er sie so mit Verachtung, nur weil sie es wagte, an diesem Tag nicht besonders gut aufgelegt zu sein?

Sie sagte nichts dazu, sondern folgte Salim mit zwei Schritten Abstand, während er auf das kleine Wäldchen hinter der Koppel zuging. Sie wollte an diesem Tag nicht üben. Sie wollte nicht einmal reiten, obwohl sie sich normalerweise den ganzen Tag über darauf freute, sich auf Wirbelwinds Rücken zu schwingen und mit ihm über das Land zu fegen. Sie wollte im Grunde nicht einmal mit Salim reden. Sie wollte ...

Nein: Die Wahrheit war, sie wußte selbst nicht, was sie wollte.

Salim ging nicht zu der kleinen Lichtung, auf der sie normalerweise übten, sondern auf die Rückseite des Haines, wo die beiden Pferde auf sie warteten, wie er es gesagt hatte.

Was er nicht gesagt hatte war, daß sie sich verändert hatten. Die Pferde waren aufgezäumt und gesattelt, aber Salim hatte auch noch ein übriges getan: Shalima trug eine schwarze Schabracke und darunter wohl etwas, das eine Art leichter Kettenpanzer zu sein schien. Wirbelwinds Schabracke war von strahlendem Weiß, was das blutrote Tatzenkreuz darauf noch deutlicher hervortreten ließ.

»Was... soll das?« fragte sie zögernd.

»Es wird Zeit, daß du lernst, ein gerüstetes Pferd zu reiten«, sagte Salim kühl. »Das ist etwas anderes als die Ausritte, an denen du dich bisher erfreut hast. Ein Pferd, das das Gewicht eines Kettenpanzers zu tragen hat, reagiert viel schwerfälliger.«

»Wozu soll ich das lernen?« fragte Robin.

Salim sah sie einen Moment lang scharf an, dann sagte er: »Weil ich es für richtig halte.«

Seltsam - aber diese Antwort überraschte sie nicht einmal. Sie hatte sie beinahe erwartet. Sie stimmte sie nur traurig.

Salim drehte sich herum und machte sich an einem Gebüsch am Waldrand zu schaffen.

»Zieh dein Kleid aus«, sagte er.

Robin blinzelte. »Wie?«

»Zieh dieses Ding aus«, sagte Salim noch einmal, »und das hier an.« Er zog etwas aus dem Gebüsch, richtete sich auf, und als er sich wieder herumdrehte, lag ein graues, aus winzigen Gliedern geflochtenes Kettenhemd über seinen Armen. Robin sah ihn verblüfft an.

»Es gehört dir«, sagte Salim. »nur keine Furcht - es beißt nicht.« Er lächelte. Seine Augen strahlten stolz, und er schien auf etwas Bestimmtes zu warten. Vielleicht Anerkennung oder wenigstens Dank.

Statt dessen fragte Robin in leicht mißtrauischem Ton: »Woher hast du das?«

»Nicht gestohlen, wenn es das ist, was dich beunruhigt«, antwortete Salim gekränkt. Er legte das Kettenhemd vor ihr ins Gras, kramte noch einmal hinter dem Gebüsch herum und förderte ein einfaches braunes Baumwollhemd zutage. »Du mußt das hier darunter tragen, sonst scheuert dir das Eisen die Haut wund.«

Er wartete ungeduldig. Robin ließ noch einen Moment verstreichen, dann drehte sie sich herum und streifte mit einer raschen Bewegung die graue Kutte über den Kopf. Sie konnte hören, wie Salim näher kam und versteifte sich, und er mußte ihre Ablehnung wohl deutlich spüren, denn gegen ihre Erwartung berührte er sie nicht. Jedenfalls nicht sofort. Erst, als sie sich herumdrehte und nach dem Baumwollhemd griff, versuchte er, sie an sich zu ziehen.

Robin entwand sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. »Ich will das jetzt nicht«, sagte sie.

»Warum nicht?« fragte Salim. Er war nicht zornig, sondern nur verständnislos.

»Weil ich jetzt nicht möchte, das muß reichen«, antwortete Robin. Sie nahm ihm das Hemd aus der Hand, zog es an und fügte dann hinzu: »Oder muß ich? Ich meine, wo ich doch offensichtlich dein Eigentum bin.«

Sie sah Salim an, daß er nicht die geringste Ahnung hatte, wovon sie überhaupt sprach. »Was redest du da?«

»Sie gehört mir«, zitierte Robin. »Ich habe euch belauscht, heute morgen. Abbé und dich.«

Einen Moment lang genoß sie es regelrecht, etwas in seinen Augen aufkeimen zu sehen, was beinahe an Entsetzen grenzte. Doch dann kam noch etwas hinzu, etwas, das sie nicht verstand, das sie aber auf schwer in Worte zu fassende Weise verunsicherte. Sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn er wirklich wütend geworden wäre oder versucht hätte, alles zu leugnen oder sie auf die gleiche überhebliche Art abzufertigen, wie er es mit Abbé getan hatte. Doch er tat nichts dergleichen, sondern etwas, womit Robin zuallerletzt gerechnet hätte.

»Oh Robin«, murmelte er - und dann sank er vor ihr auf die Knie und fuhr lauter und in fast beschwörendem Ton fort: »Robin, Liebste! Das habe ich doch nur gesagt, um dich zu schützen! Ich würde doch niemals etwas sagen oder tun, was dich verletzt, oder was dir auch nur nicht gefällt!«

Robin war nun vollkommen verwirrt. Von allen denkbaren Reaktionen, mit denen sie gerechnet hatte, war dies die Unwahrscheinlichste. Und vor allem: Sie spürte, daß Salims Bestürzung echt war.

Trotzdem antwortete sie, zwar mit leicht zitternder Stimme, aber in immer noch abweisend-schneidendem Ton: »Du hast völlig recht. Es gefällt mir tatsächlich nicht, wenn mich jemand als sein Eigentum betrachtet.«

»Aber so ist es doch gar nicht!« Salims Stimme wurde fast flehend. »Ich habe es gesagt, das ist wahr. Aber doch nur, um dich vor Abbé zu schützen, aus keinem anderen Grund. Wenn Abbé glaubt, daß ich dich für mich beanspruche, dann wird er es nicht wagen, dich hierzulassen. Du wirst uns begleiten, verstehst du das denn nicht? Du kannst mich begleiten! Wir werden zusammenbleiben, du und ich! Das wolltest du doch, oder?«

»Ja«, antwortete Robin. »Aber nicht als dein... Besitz.«

Salim stand wieder auf. Er wurde noch ernster und seine Stimme noch leiser. »Es ist der einzige Weg«, sagte er.

»Als deine Sklavin mitzugehen?« fragte sie bitter.

»Als meine Königin«, verbesserte sie Salim. »Es ist doch gleich, was die anderen denken. Für mich wirst du immer die einzige auf der Welt bleiben. Ich würde niemals etwas von dir verlangen, was du mir nicht freiwillig gibst oder was du nicht willst.«

Wie gerne sie ihm doch geglaubt hätte! Aber da war so viel, was er ihr nicht gesagt hatte, so viele Lügen!

»Du wirst mich begleiten«, sagte er, als sie nicht antwortete. »Und wenn wir in meiner Heimat sind, dann werde ich dich zu meiner Frau machen, ganz offiziell - wenn du das willst. Niemand wird es dann noch wagen, dich anzurühren.«

»Die Frau eines Sklaven?« fragte Robin. Als Salim nicht antwortete, sondern nur lächelte, fügte sie hinzu: »Aber das bist du ja gar nicht, nicht wahr?«

»In gewissem Sinne schon«, behauptete Salim.

»In gewissem Sinne?« Robin zog die Augenbrauen zusammen. »Heute morgen, als ich Abbé und dir zugehört habe, da war ich manchmal nicht ganz sicher, wer von euch der Sklave ist und wer der Herr.« Sie atmete hörbar ein, dann stellte sie die Frage, die sie schon seit Wochen quälte: »Wer bist du, Salim? Wer bist du wirklich?«

Salim antwortete nicht gleich, sondern starrte zu Boden. Bevor er dann sprach, atmete er so schwer ein und aus, als koste es ihn seine gesamte Kraft, die folgenden Worte auszusprechen. Er flüsterte beinahe.

»Manchmal frage ich mich das selber«, sagte er. »Es ist wahr: Ich bin Abbés Sklave. Aber ich bin auch ein Prinz.«