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»Ein Prinz?«

Salim nickte. »Es ist nicht das richtige Wort, aber es ist das, das ihr benutzen würdet. Mein Vater ist ein Scheich. Ein sehr mächtiger und einflußreicher Mann. Als Abbé vor zehn Jahren in sein Land kam, da hat er erkannt, daß es für unseren Stamm den sicheren Untergang bedeuten würde, sich den fremden Eroberern zu widersetzen. Andere haben das nicht erkannt und wurden ausgelöscht, aber mein Vater und Abbé schlossen ein Bündnis. Ich bin das Unterpfand dafür.«

»Du?«

Salim hob die Schultern. »Abbé verlangte eine Geisel, um sicherzugehen, daß mein Vater seinen Teil der Abmachung auch nach seinem Weggang einhält, und mein Vater wählte mich.«

»Dich? Dein Vater hat... hat sein eigenes Kind als Geisel weggegeben?« Robin war entsetzt. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es gewesen wäre, wären Fremde in ihr Dorf gekommen und hätten von ihrer Mutter verlangt, sie als lebendes Unterpfand für irgendein Abkommen herzugeben. Ihre Mutter wäre eher gestorben, bevor sie das zugelassen hätte.

»Es ist eine große Ehre für mich«, antwortete Salim, und in seiner Stimme schwang tatsächlich ein hörbarer Ton von Stolz mit. »Und ich bin auch kein gewöhnlicher Sklave. Abbé mußte auf das Kreuz des Christengottes schwören, daß mir kein Haar gekrümmt würde. Der Vertrag ist null und nichtig, wenn er mich nicht unversehrt wieder zurückbringt. Schon aus diesem Grund kann ich nicht hierbleiben.«

»Wegen eines Vertrages?«

»Weil sonst Menschen sterben«, antwortete Salim ernst. »Mein Vater ist ein sehr stolzer Mann. Er steht zu seinem Wort, und er verlangt dasselbe von anderen. Es könnte Krieg geben, wenn ich nicht zusammen mit Abbé und den anderen zurückkehre. Viele Menschen würden sterben. Menschen deines Volkes, aber auch meines Volkes. Willst du das?«

»Natürlich nicht!« antwortete Robin impulsiv, aber Salim hob die Hand und unterbrach sie, bevor sie weitersprechen konnte.

»Ich erwarte jetzt keine Entscheidung von dir«, sagte er. »Nicht heute.«

»Aber ich...«

»Ich will, daß du es dir gründlich überlegst«, fuhr Salim fort. »Ich... ich liebe dich, Robin. Ich liebe dich wie sonst niemanden auf der Welt. Ich gäbe mein Leben, um das deine zu beschützen. Aber gerade darum will ich nicht, daß du eine übereilte Entscheidung triffst, die du vielleicht später bedauerst. Wenn du mit mir kommst, dann wird es für immer sein. Unsere Welt ist anders als deine. Die Menschen dort sind anders.«

»Ich weiß«, sagte Robin.

»Nein«, widersprach Salim. »Das weißt du nicht. Sie sind nicht wie ich. Ich bin viel zu lange hier bei euch gewesen, um noch genauso zu sein wie mein Volk. Ich bin von allem etwas, aber vielleicht von nichts genug. Manchmal habe ich Angst vor dem Moment, in dem ich heimkehre. Ich weiß nicht einmal, ob ich dort wirklich noch leben kann, aber ich habe keine andere Wahl. Du hast die Wahl, und ich will, daß du gründlich darüber nachdenkst. Ich will nicht, daß du unglücklich wirst.«

Und womöglich, dachte sie traurig, war das sogar der wirkliche Grund, aus dem er wollte, daß sie mit ihm ging: weil er Angst hatte, inmitten seiner Familie und seines eigenen Volkes allein zu sein.

»Entscheide in Ruhe«, sagte Salim. »Nicht jetzt. Morgen, in einer Woche ... laß dir Zeit. Ich werde deine Entscheidung akzeptieren, ganz gleich wie sie ausfällt.« Er gab sich einen Ruck. »Und nun laß uns weitermachen. Shalima und Wirbelwind brennen schon darauf, ihre Kräfte zu messen.«

Er ließ sich in die Hocke sinken, hob das Kettenhemd auf und half ihr, es über den Kopf zu streifen. Es war so schwer, daß sie im ersten Moment wankte und Salim sie stützen mußte, und sie fragte sich, wie man sich mit einer solchen Last am Leib bewegen sollte, geschweige denn kämpfen.

Salim schien ihre Gedanken wieder einmal zu erraten, denn er sagte: »Es ist nicht so schlimm, wie es im ersten Moment scheint. Du wirst dich rasch daran gewöhnen.«

»Ach?« ächzte Robin. Selbst das Sprechen fiel ihr schwer. Dieses Gewand aus Eisen mußte etliche Pfund wiegen! Wenn sie noch Schild und Schwert an sich nahm und einen Helm aufsetzte, dann würde sie nahezu ihr eigenes Körpergewicht mit sich herumschleppen!

»Und das ist noch nicht einmal alles«, sagte Salim fröhlich. Er zog einen sorgsam gefalteten, blütenweißen Wappenrock, auf dem das rote Kreuz der Templer prangte, unter einem Busch hervor, schüttelte es ohne viel Federlesens auseinander und streifte es ihr über.

»Jetzt siehst du aus wie Abbé«, sagte er grinsend. »Bis auf die Frisur vielleicht.«

Robin trat nach ihm, und Salim sprang lachend zurück und fing sie auf, als sie vom puren Gewicht des Kettenhemdes nach vorne gerissen wurde und um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte.

»Ein bißchen daran gewöhnen muß man sich schon«, spöttelte er. »Vielleicht solltest du auch noch den Helm aufsetzen, damit du nicht auf dein hübsches Naschen fällst und es dir blutig schlägst.«

»Paß lieber auf deine Nase auf«, grollte Robin. »Auch wenn sie nicht annähernd so hübsch ist.«

»Dazu müßtest du mich erst einmal kriegen«, griente Salim. »Wie ist es - laufen wir um die Wette?«

Robin spießte ihn mit Blicken regelrecht auf, aber dann mußte auch sie lachen. Sie alberten eine Zeitlang fröhlich herum, dann zog Salim einen weißen Mantel mit dem schon wohlbekannten roten Kreuz hinter dem Gebüsch hervor und dazu ein paar Stiefel aus feinem, weichen Leder. Robin schickte sich in ihr Schicksal, aber als sie auch diese Kleidungsstücke angelegt hatte, sagte sie: »Wenn ich jetzt auch nur noch eine Kirsche esse, versinke ich wahrscheinlich einfach im Boden.«

»Dafür siehst du nun aber auch wirklich aus wie ein Tempelritter«, antwortete Salim. Doch obwohl er bei diesen Worten lachte, hatten sie für Robin etwas Beunruhigendes, und als Salim fortfuhr, wußte sie auch, warum.

»Wir müssen ein bißchen vorsichtig sein«, sagte er. »Es wäre nicht gut, wenn man dich so sieht. Reiten wir zum Wald hinüber.«

Zum ersten Mal mußte Salim ihr helfen, auf Wirbelwinds Rücken zu klettern. Sie rechnete damit, daß das Pferd unter ihrem größeren Gewicht taumeln würde, aber der Hengst drehte nur den Kopf und sah sie fast mitleidig an. Als sie nach den Zügeln griff, bewegte er sich so mühelos wie immer. Er war dieses Gewicht gewohnt.

Aber auch Robin gewöhnte sich überraschend schnell an ihre neue Kleidung. Sie ritten in gerader Linie vom Hain fort, nicht direkt auf die bewaldeten Hügel zu, sondern so, daß sie von der Komturei aus nicht gesehen werden konnten. Salim schien seine Warnung durchaus ernst gemeint zu haben.

Aber auch Robin fragte sich mehr und mehr, warum er dieses Risiko eigentlich einging. Wenn einer der anderen Tempelritter sie in dieser Rüstung sah, dann würde auch Bruder Abbé sie nicht mehr vor ihrem Zorn beschützen können.

Schließlich stellte sie Salim eine entsprechende Frage und bekam zur Antwort, daß er nur wissen wollte, wie sie in der Kleidung eines echten Tempelherren aussah - was eine so plumpe Lüge war, daß sie ihm allein die Unterstellung übelnahm, sie könnte darauf hereinfallen. Er gab ihr jedoch auch keine Gelegenheit, eine weitere Frage zu stellen, sondern ließ Shalima schneller laufen, so daß sie sich bemühen mußte, mit ihm Schritt zu halten.

Nachdem sie ihn eingeholt hatte, stellte sie keine weiteren Fragen mehr.

KAPITEL 33

Sie hatten die bewaldeten Hügel im Osten erreicht und umgangen und sich dann nach Süden gewandt, um, wie Salim behauptete, genug Abstand zwischen sich und der Komturei zu bringen. Robin ersparte es sich, auf diese Bemerkung auch nur zu antworten. Nachdem sie eine weitere Stunde geritten waren und sie sich im Sattel herumdrehte, konnte sie das Gut der Tempelritter tatsächlich nicht mehr sehen. Die Gefahr, zufällig entdeckt zu werden, bestand nun gewiß nicht mehr.