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Es wurde dunkel, bis sie den Wald erreichten, und sie brauchten eine weitere Stunde, um ihn zu umgehen. Dann endlich sahen sie wieder Licht vor sich.

Robin atmete erleichtert auf. Sie hatte tapfer mit Salim mitgehalten, aber nun war sie am Ende ihrer Kräfte. Kettenhemd und Schild schienen Zentner zu wiegen, und ihr Atem ging so schnell, daß sie beim Luftholen keuchte. Auch Wirbelwind war vollkommen erschöpft, denn der tapfere Hengst mußte schließlich nicht nur ihr Gewicht tragen, sondern auch das zusätzliche des schweren Kettenpanzers, der sich unter seiner Schabracke verbarg.

Trotzdem wollte sie schneller reiten, um das restliche Wegstück möglichst schnell hinter sich zu bringen, aber Salim fiel ihr rasch in den Arm und schüttelte den Kopf. »Wir müssen jetzt vorsichtig sein«, flüsterte er. »Sie sind hier. Ich kann sie spüren!«

Robin lauschte angestrengt. Sie hörte ihre und Salims Atemzüge, ihre eigenen, dumpfen Herzschläge und die vielfältigen Geräusche des Waldes, der sie umgab, aber sonst nichts. Salim hatte wohl schärfere Sinne als sie.

»Steig ab«, fuhr er im Flüsterton fort. »Wir gehen das restliche Stück zu Fuß. Und keinen Laut!«

Robin gehorchte, warf aber einen sehnsüchtigen Blick zu dem warmen Lichtschein am Ende des Weges. Er versprach Geborgenheit und Wärme, und sie fühlte sich so müde. Sie wollte nicht mehr kämpfen. Es war zuviel passiert. Sie wünschte sich, sie hätte die Komturei nie verlassen.

Sie waren ihrem Ziel auf vielleicht hundertfünfzig oder zweihundert Schritte nahegekommen, als Salim abermals stehen blieb und den Zeigefinger über die Lippen legte. »Bleib hier«, flüsterte er. »Rühr dich nicht!«

Er reichte ihr Shalimas Zügel, drehte sich wieder herum und schien dann einfach zu verschwinden, wie ein Schatten, der von einer schwarzen Steinmauer verschluckt wurde.

Robin mußte wieder daran denken, wie er sich einmal selbst genannt hatte: Schattenkrieger. Sie verstand plötzlich ein bißchen mehr, was er damit gemeint haben mochte. Und es machte ihr Angst.

Es verging eine Weile, dann hörte sie einen sonderbaren, erstickten Laut, fast wie ein Seufzen, gefolgt vom Rascheln von Blättern und dann dem leisen Brechen eines einzelnen Astes. Kurz daraufkam Salim zurück. Er sagte nichts, aber sie verspürte einen leisen, salzigen Geruch, der ihn umgab und den sie nach einer Sekunde voller Schrecken als den von Blut identifizierte.

»Und?« fragte sie mühsam beherrscht.

»Ein Wachtposten«, antwortete er. »Aber nur einer. Er wird uns nicht verraten.«

Robins Hände begannen für einen Moment zu zittern. Sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle, doch was sie nicht unterdrücken konnte, das war das tiefe Entsetzen, mit dem sie die Kälte in Salims Stimme erfüllte. Er hatte soeben einen Menschen getötet. Vermutlich hatte er keine Wahl gehabt - zumindest von seinem Standpunkt aus -, aber das machte es nicht besser. Sie hätte es sogar ertragen, Triumph in seiner Stimme zu hören, aber was sie zutiefst erschütterte, das war die vollkommene Teilnahmslosigkeit in seiner Stimme.

»Wir lassen die Pferde besser hier zurück«, fuhr Salim im Flüsterton fort. »Es ist nicht mehr weit.«

Robin nickte knapp. Sie war froh, daß es so dunkel war, daß Salim ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Dicht hinter dem Tuareg führte sie ihr Pferd ein Dutzend Schritte weit in den Wald hinein und machte Wirbelwind an einem Baum fest. Sie wollte zum Weg zurückgehen, aber Salim schüttelte lautlos den Kopf und deutete in den Wald hinter sich. Mit der gleichen Bewegung befestigte er den Schleier vor seinem Gesicht, so daß er nun vollends unsichtbar zu werden schien.

Auf einen weiteren Wink Salims hin löste sie den Schild vom Sattelgurt, befestigte ihn an ihrem linken Arm und stülpte sich den schweren Topfhelm über, dann folgte sie ihm.

Ohne Salims Hilfe hätte sie vermutlich schon nach wenigen Schritten hoffnungslos die Orientierung verloren. Hier drinnen im Wald war es so finster, daß sie kaum die Hand vor Augen erkennen konnte, und ihr Helm, der nur einen schmalen, kreuzförmigen Sehschlitz hatte, behinderte sie noch zusätzlich. Robin hatte das Gefühl, stundenlang durch fast vollkommene Dunkelheit zu gehen, geführt von einem Gespenst, das dunkler als die Nacht war.

Nach einer Ewigkeit - die kaum fünf Minuten gedauert haben mochte - wurde es vor ihnen grau. Sie näherten sich dem Waldrand. Salim gab ihr mit Gesten zu verstehen, daß sie zurückbleiben sollte, eilte voraus und winkte ihr erst zu, als er sich davon überzeugt hatte, daß vor ihnen alles ruhig war.

»Wir sind zu spät gekommen«, murmelte Salim. »Verdammt!«

Robin blickte gebannt durch die Zweige des dornigen Busches, hinter dem sie Deckung gesucht hatten. Das Gasthaus lag vor ihnen, noch zwanzig oder dreißig Schritte entfernt, und im ersten Moment fragte sie sich, ob sie vielleicht am falschen Haus angekommen waren. Es sah nicht aus wie ein Gasthaus - obwohl sie zugeben mußte, daß sie noch niemals ein Gasthaus gesehen hatte. Aber sie hätte es sich anders vorgestellt. Es war überraschend klein und aus massiven Steinquadern erbaut. Auf der ihr zugewandten Seite gab es nur die Tür und ein schmales Fenster, vor dem ein massiver, hölzerner Laden lag, und das flache Dach war mit Stroh gedeckt und mit großen Steinen beschwert. An der Rückseite war eine offene Remise angebaut, in der sie fünf Pferde mit weißen Schabracken zählte.

»Wieso zu spät?« fragte sie.

Salim bedeutete ihr erschrocken, leiser zu sein, dann deutete er auf einen Punkt ein Stück hinter und neben dem kleinen Steinbau. Robin sah erst nach einer Weile etwas, was ein menschlicher Umriß sein konnte, oder auch nicht.

»Da drüben sind noch mehr«, flüsterte Salim. Sein Arm deutete hierhin und dorthin, aber Robin sparte sich bald die Mühe, in die angedeutete Richtung zu sehen. Salim hatte deutlich bessere Augen als sie.

»Ich zähle acht«, flüsterte er. »Aber es können auch mehr sein.«

Acht? Robin identifizierte mittlerweile mit Mühe und Not zwei Gestalten. Sie schienen etwas zu tragen, aber sie konnte nicht erkennen, was.

»Diese Hunde!« keuchte Salim. »Das... das ist teuflisch!«

»Was?« fragte Robin.

Salim brauchte nicht mehr zu antworten. Plötzlich erwachte die Dunkelheit rings um das Gasthaus zu schattenhaftem Leben, und Robin begriff, daß die Falle nicht nur sorgsam vorbereitet, sondern auch geradezu teuflisch ausgedacht war. Drei oder vier Paare dunkel gekleideter Gestalten, die jeweils einen wuchtigen Balken oder vielleicht auch einen Baumstamm zwischen sich trugen, lösten sich vom Waldrand und rannten auf das Gebäude zu. Sie erreichten es nahezu gleichzeitig, und Robin hörte ein mehrfaches dumpfes Poltern. Beinahe gleichzeitig glomm auf der anderen Seite des Gebäudes ein winziger Funke auf, der rasch zu einer lodernden Fackel wurde.

»Großer Gott!« entfuhr es Robin, als sie endgültig begriff, was die Angreifer vorhatten. Sie senkte die Hand auf das Schwert und wollte aufspringen, aber Salim riß sie fast gewaltsam zurück.

»Bleib hier«, zischte er. »Es sind zu viele. Das wäre Selbstmord!«

»Aber wir müssen etwas tun!« keuchte Robin.

Eine zweite Fackel loderte auf, dann flogen zwei funkensprühende Wurfgeschosse durch die Nacht. Eine der Fackeln verfehlte ihr Ziel, aber die andere landete zielsicher auf dem Dach des Gasthauses.

»Warte hier!« sagte Salim. »Ich versuche sie abzulenken. Du mußt irgendwie die Tür aufmachen. Aber tu nichts, bevor ich zurück bin!«

Er verschwand, bevor Robin ihn zurückhalten konnte. Für einen Moment geriet sie in Panik, und das Gefühl der Hilflosigkeit wurde so schlimm, daß es fast weh tat.

Aus dem Gasthaus drangen mittlerweile Schreie und dumpfe Schläge, als die Ritter das Feuer bemerkten und wohl auch begriffen, daß sie in einen Hinterhalt gelockt worden waren und versuchten, das Gebäude zu verlassen. Sie konnten es nicht. Die Baumstämme, die die Angreifer herbeigeschleppt hatten, blockierten sowohl die Tür als auch die schweren Fensterläden.